Anmerkung zu Cour de Cassation vom 17.10.2000 in Sachen Sté Générale ./. Zirah)
Es verletzt Art. 1315 Code Civil und Art. 48 des Gesetzes vom 1. März 1984, wenn von einer Bank gefordert wird, daß sie ihrer gesetzlichen Informationspflicht gegenüber Bürgen durch Einschreiben mit Rückschein nachkommt (lettre recommandé avec accusé de réception), um jegliche Einwand in bezug auf die Zustellung auszuschließen. Es verletzt Art. 1315 Code Civil und Art. 48 des Gesetzes vom 1. März 1984, von der Bank zu verlangen, sie müsse den Zugang der Mitteilung durch Vorlage des Rückscheines beweisen. Die jährliche Mitteilung kann durch einfachen Brief erfolgen (Cour de Cassation (Cass.), 17.10.2000, JCP (E) 2000, 1834).
Die Chambre Commerciale der Cour de Cassation leistet mit dieser Entscheidung einen neuen interessanten Beitrag in bezug auf die Modalitäten der Mitteilungsverpflichtung, die sich aus Art. 48 des Gesetzes vom 1. März 1984 (Art. L.341-1 Code de la Consommation) und Art. 2016 Code Civil, zuletzt modifiziert durch Gesetz n° 98-657 vom 23. Juli 1998. Art. 48 des Gesetzes vom 1. März 1984 erlegt den Banken auf, den Bürgen, gleich ob sie natürliche oder juristische Personen sind, die sich im Rahmen eines Kredites an ein Unternehmen verbürgt haben, jährlich über die Entwicklung der besicherten Schuld zu unterrichten. Entsprechendes gilt für Bürgen, die ein unbestimmtes Engagement eingegangen sind. An das Unterlassen der Mitteilung ist eine Sanktionen geknüpft. Sie besteht darin, daß die Bank die Zins- und Schadensersatzansprüche, die seit der letzten Mitteilung entstanden sind, verliert.
Art. 1315 Code Civil sieht vor, daß derjenige, der die Erfüllung einer Verpflichtung geltend macht, dies beweisen muß. Zweifel gehen zu Lasten des Beweisbelasteten. Das Gesetz schreibt keine Form für die Mitteilung an den Bürgen vor. Das französische Recht mißtraut aber Zeugen und schreibt mithin für vertragliche Vereinbarungen praktisch grundsätzlich die Schriftform vor (vgl. Art. 1341 Code Civil)1) . Es bestand also die Sorge, die Bank könne verpflichtet sein, die Einhaltung ihrer Informationspflicht durch den Rückschein eines eingeschriebenen Briefes nachzuweisen. Dies hätte nur unter einem sehr hohen Administrations- und Kostenaufwand gewährleistet werden können und wurde daher praktisch nur in Ausnahmefällen getan, etwa wenn ein besonderes Risiko bestand, das auf jeden Fall besichert bleiben sollte. In der Praxis hat sich herausgebildet, die Bürgen durch einfachen Brief zu unterrichten und eine Abschrift zu den Akten zu nehmen. Eben diesen Fall hatte die Chambre Commerciale der Cour de Cassation zu entscheiden.
Die Cour de Cassation befand, die Bank können die Einhaltung ihrer Mitteilungsverpflichtung auch auf andere Weise beweisen als durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein. Der Instanzrichter könne souverän über die zulässigen Beweise entscheiden. Aus anderen Entscheidungen war bereits bekannt, daß es nicht ausreicht, wenn die Bank im Nachhinein Listen der Adressaten ihrer Mitteilungsschreiben ausdrucken läßt (vgl. Cass. Com, 11.04.1995, D. 1995.588). Jedenfalls setzt die Vorlage des Doppels des Anschreibens den Anschein, als habe die Bank ihrer Verpflichtung genügt. Es obliegt dann dem Bürgen, die außergewöhnliche Ursache zu beweisen, daß ihm das Schreiben nicht zugegangen ist (Cass., 25.11.1997, Banque 1998, 92; Cass.,17.10.2000, JCP (E) 2000, 1834).
Die Rechtsprechnung der Cour de Cassation darf die Banken allerdings nicht dazu verleiten, der Mitteilungsverpflichtung extrem vereinfacht nachzukommen. Es reicht z.B. nicht aus, dem Bürgen die Kontoführungsunterlagen (z.B. Kontoauszüge) zur Hauptforderung zukommen zu lassen. Dies würde das Bankgeheimnis verletzen (vgl. Bouteiller Anmerkung zu Cour de Cassation vom 17.10.2000, JCP (E) 2000, 1834, 1835). Es reicht auch nicht aus, den Bürgen anzuschreiben und ihm mitzuteilen, daß er seine jährliche Information abfordern könne (vgl. CA Prais, 02.02.1996, D. 1996, inf. Rap. 78).
Es kann zusammengefaßt werden, daß die Mitteilung effektiv sein muß, also die gesetzlich geforderten Informationen zu enthalten hat, und daß der Nachweis der Pflichterfüllung ggf. durch eine Kopie des Anschreibens erfolgen kann, wobei der Gegenbeweis zulässig ist. Hinzuzufügen ist, daß die Mitteilung an die der Bank zuletzt bekannte Anschrift des Bürgen zu erfolgen hat. Kommt sie als unzustellbar zurück, steht es der Bank frei, den Hauptschuldner zu befragen, ohne ihre Rechte zu verlieren (vgl. Bouteiller Anmerkung zu Cour de Cassation vom 17.10.2000, JCP (E) 2000, 1834, 1835).
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