Wer als Pauschalreisender in die Türkei reist und im Rahmen dieser Reise bei einem Händler Teppiche oder Schmuck erwirbt, den reut diese Entscheidung hinterher oftmals. In aller Regel hat der deutsche Reisende einen schriftlichen Kaufvertrag unterschrieben. Der Teppich soll in der Regel nachgesandt werden. Später wird behauptet, dass sei nicht mehr rückgängig zu machen. Gezahlt wird entweder bei Lieferung oder durch Vorkasse, gelegentlich auch wird eine Anzahlung erbeten und geleistet. In besonders dreisten Faellen werden für die Vorauszahlungen nicht nur Kreditkarten belastet sondern sogar Wechsel ausgestellt. Die Ausflugsfahrt zum Teppich- oder Schmuckunternehmen wird regelmäßig entweder unmittelbar vom Reiseveranstalter angeboten oder jedenfalls mit namentlicher Nennung des Reiseveranstalters unter Anwesenheit des oertlichen Reiseleiters organisiert. Bei Rundreisen ist der Besuch jeweils einer Schmuck-, Teppich- und Lederwarenfabrik obligatorisch in die Route integriert. Die Reiseteilnehmer können sich dem nicht entziehen. Ihnen wird erzählt, dass der Besuch der Fabriken dem Kennenlernen traditionellen Kunsthandwerks dient. In der “Fabrik” werden Führungen veranstaltet oder Herstellungsweisen erklärt und die Produkte vorgestellt. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine reine Verkaufsveranstaltung handelt. Dabei gleichen sich die Umstände jeweils sehr. Man könnte fast von einem schematischen Vorgehen sprechen. Zunächst nimmt der Reiseleiter als Vertrauensperson Einfluss, in dem er die Seriosität des Händlers fraglos stellt. Die Mitglieder der Reisegruppe werden oft getrennt, so dass eine Kommunikation zwischen ihnen nicht möglich ist. Die Verkaufsgespräche werden anschließend von deutschsprachigen Verkäufern geführt, die im geeigneten Moment ihren Geschäftsführer beiziehen. Es wird auf die Einzigartigkeit des Produkts hingewiesen, das eine Wertanlage darstelle. Spürt der Verkäufer bei dem Reiseteilnehmer ein Zögern, fällt der zunächst genannte Kaufpreis stark ab. Der potentielle Käufer verbindet dies mit seinem Verhandlungsgeschick, meist sind die Waren aber auch mit dem zuletzt genannten Kaufpreis stark überteuert, oft zu 50 %. Schließlich werden deutschsprachige Verträge unterschrieben (obwohl in der Türkei fremdsprachige Verträge bedenklich sind). In letzter Zeit werden von den Händlern auch Verträge auf Deutsch/Englisch benutzt. Den potentiellen Käufern werden Zertifikate und Garantien versprochen, die an den internationalen Märkten kaum eine Bedeutung für die Bewertung des erworbenen Gegenstandes haben. Insbesondere bei Schmuckkäufen können die Zertifikate, die z. B. die Größe und Reinheit der Edelsteine beschreiben sollen, kaum zur Wertbemessung herangezogen werden, da sie international oft nicht anerkannt sind.
Tritt der deutsche Tourist von einem solchen Vertrag zurück, ist die Angelegenheit damit nicht ohne weiteres erledigt, denn die Frage, ob der Rücktritt wirksam ist, ist schwierig zu beantworten. Denn obwohl es sich bei den sog. Teppich- bzw. Schmuckreisen um ein Massenphänomen handelt, ist der deutsche Gesetzgeber bislang untätig geblieben. Häufig sind deshalb rechtliche Schritte unausweichlich.
Viel hängt davon ab, welches Recht anwendbar ist. Dazu gibt es verschiedene Ansätze:
1. Gemäß Rom I, Artikel 6 unterliegt ein Vertrag den eine natürliche Person (Verbraucher) zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, mit einer anderen Person (Unternehmer) geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt, dem Recht des States, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat…
Damit als Rechtsfolge deutsches Recht Anwendung findet, muss der Unternehmer zudem seine Tätigkeit in dem Staat ausüben, in dem der Verbraucher gewöhnlich seinen Aufenthalt hat. Nun wird ein türkischer Schmuck- oder Teppichhaendler mit Sitz in der Türkei seine Tätigkeit meist nicht in Deutschland ausüben. Deutsches Recht könnte aber auch dann Anwendung finden, wenn die Tätigkeit des Unternehmers auf irgend eine Weise auf Deutschland ausgerichtet ist. Starke Indizien für eine solche Ausrichtung könnten die Verhandlungssprache sein, die Währung oder auch die Vertragssprache. Oft werden in den Kaufverträgen typische, dem deutschen Recht bekannte, dem türkischen Recht aber fremde Klauseln und Regelungen verwandt. Auch der Umstand, dass die Reisenden sich schließlich in die Obhut eines deutschen Reiseveranstalters begeben haben, kann bei der Beurteilung, welches Recht Anwendung findet, berücksichtigt werden. Würden die genannten Kriterien für eine Ausrichtung herangezogen werden, könnte deutsches Recht Anwendung finden. Dies hätte zur Folge, dass dem Käufer ein Widerspruchsrecht zustehen könnte.
Der türkische Kassationsgerichtshof hat in mehreren Grundentscheidungen ausgesprochen, dass alle Geschäfte eines Verbrauchers dem Verbraucherschutzgesetz unterliegen. Der Schutz des Verbrauchers und seiner wirtschaftlichen Interessen gehöre zum ordre public. In der türkischen Rechtsprechung ist ein Kaufgeschäft Haustürgeschaeft i.S.d. Art. 8 türk. VSG a.F., wenn der Verbraucher im Rahmen einer Reiseveranstaltung zu dem Kaufgeschäft veranlasst wird. Wird er z.B. in ein Teppich- oder Schmuckgeschäft geführt, dann musste der Verkäufer ihm einen Belehrungszettel mit dem Rücktrittsrecht geben. Der Verbraucher muss bestätigen, dass er die Belehrung erhalten hat. Solange dies nicht geschieht, blieb dem Verbraucher das Rücktrittsrecht erhalten.
Das neue Verbraucherschutzgesetz Nr. 6502 hat die Rechte der Verbraucher gestärkt. So steht ihnen nach Art. 47 ein Widerrufsrecht von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen zu. Den Verkäufer treffen insoweit Informationspflichten, die bei Nichterfüllung zu einer Verlängerung des Widerrufsrechts führt.
Der türkische Kassationshof hat auch schon früher z.B. hinsichtlich des Verkaufs bzw. des Kaufs eines Timesharingrechtes dieses als Haustürgeschäft eingestuft, und zwar auch dann, wenn der Termin mit dem Verbraucher zuvor abgesprochen wurde und der Kauf während dieses Termins stattfand. Interessant ist, dass das Revisionsgericht den Kaufvertrag sogar dann aufhebt, wenn der Verbraucher schon einige Raten bezahlt hat, sofern er zuvor nicht über seine Rücktrittsrechte in der Form belehrt wurde, wie es schon Art. 9 türk. VSG a.F. vorsah (13. Zivilsenat vom 13.10.1998, 5790/7735).
Nach der Definition des Art. 8 des türk. VSG a.F. und nach gängiger türkischer Rechtsprechung fiel der vorbeschriebene Kauf also schon vor Inkraftreten des neuen Verbraucherschutzgesetztes unter den Begriff der Haustürgeschäfte.
Der von den Gerichten in der Türkei ernstgenommene Schutz der Verbraucher zeigt sich auch deutlich an den in den letzten Jahren ergangenen Jahren Urteilen der Verbrauchergerichte in Tavas und Istanbul. 2007 hatte das Verbrauchergericht in Tavas über einen Teppichkauf einer deutschen Staatsangehoerigen während ihres Aufenthaltes in der Tuerkei zu entscheiden. Diese war mit einer Reisegruppe in die Teppichmanufaktur gefahren und dort zum Kauf eines Teppichs ueberredet worden. Nach der Reise hatte die Käuferin den Vertrag widerrufen, was der Verkäufer nicht akzeptierte. Obwohl der Kauf im Ladengeschäft des Händlers erfolgte und entsprechend keinem klassischen Haustürgeschäft entsprach, wurde der Käuferin doch ein Widerspruchsrecht zugesprochen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass ein Haustürgeschäft nicht zwingend an der Haustür erfolgen muss. Auch wenn der Käufer in das Ladengeschaeft des Verkäufers verbracht wird, kann ein Haustürgeschäft vorliegen. Als Folge musste der Händler die nicht unbeträchtliche Anzahlung zurückzahlen.
In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 2011 ging es um den Wert eines in der Tuerkei während des Urlaubs erworbenen Teppichs. Der Käufer hatte in seinem Heimatland nach Urlaubsrückkehr durch ein Gutachten erfahren, dass der Teppich weniger als 25 % dessen wert war, was er bezahlt hatte. Der Kaeufer war daraufhin vom Kauf wegen Täuschung und Überteuerung des Teppichs zurückgetreten. Da der Teppichhändler eine Rückabwicklung ablehnte, wurde schließlich vom Käufer das Verbrauchergericht Istanbul angerufen. Dieses holte ein Gutachten ein, dass die Überteuerung des Teppichs bestätigte. Der Kauf wurde rückabgewickelt. Auch in einem Urteil aus dem Jahr 2014 kam das Gericht zu dem Schluss, dass eine Übervorteilung vorlag, so dass der Kauf nicht zustande gekommen ist.
2. Die zu den Teppich- und Schmuckkäufen hierzulande vorliegende spärliche Rechtsprechung bezieht sich noch auf die Regelungen des EGBGB, die durch Rom I abgelöst wurden. Da diese Rechtsprechung auch unter der Geltung von Rom I durchaus zu berücksichtigen ist, lohnt sich eine nähere Betrachtung. Ausnahmsweise konnte man nach alter Regelung auch deutsches Recht heranziehen, um den Rücktritt zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 EGBGB vorgelegen hätten. In Betracht kam einzig und allein Art. 29 I Nr. 3 i.V.m. Art. 29 II EGBGB, wo es sinngemäß hieß, dass auf Verbraucherverträge deutsches Recht anzuwenden ist, wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von Deutschland in einen anderen Staat gereist ist und dort eine Bestellung aufgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkaeufer mit dem Ziel herbeigefuehrt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluss zu veranlassen.
Das Landgericht Düsseldorf7) und das LG Hamburg8) lehnten nach alter Gesetzeslage die Anwendung deutschen Rechts ab. Obwohl die Verkaufsveranstaltung durch den Reiseveranstalter organisiert wurde, verneinten diese Gerichte die Voraussetzungen des Art. 29 I Nr. 1 bis 3 EGBGB. In Leitsätzen heißt es:
1. Ein Kaufvertrag (über einen TEPPICH), den deutsche Urlauber im Ausland (hier TÜRKEI) mit der Maßgabe abschließen, dass der Kaufgegenstand aus dem Ausland ins Inland versendet werden soll, unterliegt ausländischem (hier türkischem) Recht.
2. Der im Ausland (hier TÜRKEI) abgeschlossene Kaufvertrag unterliegt weder dem auf einer gemeinsamen EG-Richtlinie beruhenden türkischen Verbraucherschutzgesetz noch dem korrespondierenden inlaendischen Haustürwiderrufsgesetz (jetzt 312 ff. BGB), weil dem Kauf eine TEPPICHPRÄSENTATION nebst Folkloreeinlagen in den Verkaufsräumen der Klägerin als Verkäuferin für eine deutsche Reisegruppe, zu der auch die Beklagten als Käufer gehörten, vorausgegangen ist.
Das Landgericht Limburg/Lahm9) erachtete demgegenueber Art. 29 I Nr. 3 EGBGB als gegeben, sobald der Verkäufer auf die Reise des Verbrauchers Einfluss genommen hat10). Es kann im Sinne der Vorschrift des Art. 29 I Nr. 3 EGBGB keinen Unterschied machen, ob der Reisende bereits im Reiseprospekt oder erst am Reiseort auf die Verkaufsveranstaltung aufmerksam gemacht wird. Der Pauschalreisende findet sich am Urlaubsort in einer ihm vertrauten Situation. Er hat bereits die Reise vollständig bezahlt. Nun wird ihm im Gastland Gastfreundschaft offeriert und ihm etwas Zusätzliches geboten. Der Anbietende ist stets der Reiseveranstalter. Das Rechtsverhältnis mit dem Reiseveranstalter hat seinen Sitz unzweifelhaft in Deutschland. Indem der in Deutschland ansässige Reiseveranstalter und der Teppichhaendler eine enge vertragliche und vertraute Beziehung zum Reisenden ausnutzen und etwa den Busbegleiter stellen, um den Touristen zu der Verkaufsveranstaltung zu locken, handelten sie ganz im Sinne des Art. 29 I Nr. 3 EGBGB.
Das Landgericht Tübingen10a) hat sinngemäß entschieden:
Arbeiten der Reiseveranstalter und der Geschäftsinhaber eines türkischen “Teppichknüpfzentrums” eng zusammen und bestehen zwischen ihnen Gewinnabsprachen, so ist auf den Kaufvertrag über einen Teppich deutsches Recht anzuwenden, wenn er während einer Verkaufsveranstaltung geschlossen wird, die Bestandteil einer von Deutschland aus gebuchten Pauschalreise ist. Der Käufer kann den Kaufvertrag widerrufen.
Das OLG Frankfurt (Az.: 9 U 12/07) hat sich dem nicht angeschlossen. Es gab der Zahlungsklage eines türkischen Teppichhändlers gegen einen Käufer aus Deutschland statt, der sich geweigert hatte, den während einer Türkeireise gekauften Teppich abzunehmen und vollständig zu bezahlen. Wir halten diese Entscheidung nach wie vor für falsch, weil sie die Rechtsprechung der türkischen Gerichte nicht berücksichtigt. Nach unserer Auffassung bewirkt gerade die Vereinbarung einer Teilzahlungsabrede, dass ein Haustürgeschäft vorliegt. Es ist höchst bedauerlich, dass das OLG Frankfurt auf die Einholung eines Gutachtens unter Bezugnahme auf das London Europäische Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7. Juni 1968 (BGBl 1974 II, 938; BGBl 1976 II, 1016) verzichtet hat.
Auch verneinte das OLG Frankfurt die Anwendbarkeit des Art. 29 I Nr. 3 EGBGB, allerdings mehr aus tatsächlichen Gründen.
Verschiedentlich wurde Art. 29 I Nr. 3 EGBGB deshalb nicht in Erwägung gezogen, weil es an einer Anknüpfung im Inland fehle. Zutreffend ist, dass Art. 29 I Nr. 3 EGBGB auch auf der Erwägung beruhte, der im Ausland abgeschlossene Kaufvertrag solle erst dann deutschem Recht unterliegen, wenn der Verkäufer die Reise herbeigeführt habe, um den Käufer zum Vertragsabschluss zu veranlassen. Verschiedentlich wurde Art. 29 I Nr. 3 EGBGB fuer den konkreten Fall als nicht analogiefähig empfunden, wenn die Verkaufsveranstaltung nicht in Deutschland gebucht wurde, sondern ihren Ursprung in einer in der Türkei feilgebotenen Leistung habe. Insoweit erhellt allerdings die Rechtsprechung des OLG Duesseldorf11), dass vor Ort über den Reiseveranstalter gebuchte Zusatzleistungen als Ergänzung zum bereits bestehenden Pauschal-Reisevertrag betrachtet werden, die im Ergebnis vollständig dem deutschen Reiserecht unterfallen12). Das OLG Düsseldorf hat dementsprechend einem Urlauber Schadensersatz aus dem (ursprünglichen) Reisevertrag zuerkannt, obwohl die schadensverursachende Leistung (Jeep-Safari) im Ausland zugebucht wurde.
3. Einen neuen Weg hat das Kammergericht in Berlin kurz vor Inkrafttreten von Rom I beschritten (KG NJW-RR 2009, 195). Es leitete über Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB die Anwendbarkeit des deutschen Rechts her, kommt also zu einer stillschweigenden Vereinbarung deutschen Rechts. Dem Gericht lag der Fall vor, dass ein deutscher Pauschalreisender im Rahmen einer Pauschalreise zu einer Verkaufsveranstaltung in Tavas (Tuerkei) geleitet wurde, wo er Teppiche im Rechnungswert von 6.350 € erwarb. Die Gespräche wurden auf Deutsch geführt, der Kaufvertrag war in deutscher Sprache gehalten und der Kaufpreis in EURO ausgewiesen. Keiner dieser Anhaltspunkte hätte für sich genommen die Annahme gerechtfertigt, die Parteien hätten mitten in der Türkei, wo der Kaufvertrag verhandelt und abgeschlossen wurde, deutsches Recht vereinbart. Doch das Gericht nahm eine Gesamtschau vor und hielt den Willen der Parteien, eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts vorzunehmen, letztlich für ausreichend belegt. Gegen eine solche Annahme sprach allein der Abschlussort des Vertrages. Aus Sicht deutscher Verbraucher war das Urteil ein Segen. Nach hiesiger Auffassung haben die vom Kammergericht Berlin zusammengetragenen Argumente, die für die Anwendung deutschen Rechts sprechen auch unter der Geltung von Rom I immer noch Relevanz. Aus juristischer Sicht ist die Entscheidung zwar nicht ganz unbedenklich, weil sie den hypothetischen Parteiwillen mit dem Parteiwillen gleichstellt. Weder die Benutzung der deutschen Sprache noch die Vereinbarung der europäischen Währung lassen mit hinreichender Sicherheit den Schluss zu, die Parteien hätten sich zugunsten des deutschen Rechts geeinigt. Erst wenn z.B. typisch deutsche Rechtsbegriffe verwendet werden, wie z. B. der des Eigentumsvorbehaltes, kann dies mit hinreichender Sicherheit geschlussfolgert werden. Das Institut des Kaufvertrages ist für sich allein keine typisch deutsche Rechtsfigur. Insgesamt können die Wahl der deutschen Sprache und die Benutzung der europäischen Währung nur sehr schwache Indizien fuer eine Rechtswahlvereinbarung sein. Es sollten weitere Anhaltspunkte vorliegen. Das Kammergericht kam jedenfalls im konkreten Fall zu dem Schluss, dass zwischen Verkäufer und Käufer eine stillschweigende Vereinbarung der Anwendung deutschen Rechts erfolgt sei.
Anzumerken ist, dass ab 17. Dezember 2009 die Verordnung Rom I in Kraft getreten ist, die abweichend von Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB folgende Kollisionsregel, Rom I Art. 3, vorsieht:
Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl fuer ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.
Es muss also nicht mehr nur mit “hinreichender Sicherheit” (Art. 27 I 2 EGBGB) das anwendbare Recht vereinbart worden sein, sondern die Rechtswahl muss sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen ergeben. Ob das Kammergericht unter dem Eindruck der Neuregelung zu demselben Ergebnis gekommen wäre, muss dahingestellt bleiben. Allerdings nimmt Rom I, Artikel 6 nunmehr konkret Bezug auf Verbraucherverträge. Dort wird in Absatz 2 klar gestellt: Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewaehrt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden waere, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.
4. Es bleibt also dabei: Der deutsche Tourist, der in der Tuerkei einen Teppich oder Schmuck erworben hat, kann, falls ihn der Kauf reut, von dem Vertrag zurücktreten, und zwar nach deutschem wie nach türkischem Recht. In jedem Fall sollte er dies schriftlich tun, um seine Chancen zu wahren. Sollte der türkische Verkäufer den Rücktritt nicht akzeptieren, sind zwei Wege denkbar. Entweder der Käufer verweigert die Zahlung und wird dann in Deutschland gerichtlich auf Zahlung in Anspruch genommen, oder er erwägt eine Klage in der Türkei. Sofern der deutsche Tourist für die Restkaufpreiszahlung angehalten wurde, Wechsel auszustellen, ist allerdings ein Vorgehen in der Tuerkei zu erwägen. Bislang hat die deutsche Rechtsprechung überwiegend rigoros türkisches Recht angewendet, ohne allerdings den Inhalt des türkischen Rechts zu hinterfragen. Es bleibt abzuwarten, ob sie zukünftig genauere Betrachtungen anstellen wird und ob es bei der Anwendung des türkischen Rechts bleibt. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung hatte das AG Tübingen gewagt (vgl. LG Tuebingen NJW 2005, 1513). Die deutschen Gerichte könnten jedenfalls Erkundigungen zum türkischen Recht auf dem Dienstweg einholen, denn Deutschland und die Türkei sind Mitglied des Londoner Europäischen Übereinkommens betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7. Juni 1968 (BGBl 1974 II, 938; BGBl 1976 II, 1016).
Ein weiterer Weg um aus einem türkischen Schmuck- oder Teppichkaufvertrag herauszukommen ist der einer außergerichtlichen Einigung. Häufig kann im Wege der Verhandlung ein spürbarer Nachlass des Kaufpreises erreicht werden. Das kommt vor allen Dingen in den Fallen in Betracht, in denen der Käufer von der Ware noch überzeugt ist. Zu bedenken ist allerdings, dass die Ware zu verzollen ist, was häufig übersehen wird. Eine böse Überraschung ist oft ein Schreiben des Zolls, der Auskunft über die Art der eingeführten Waren und den Kaufpreis verlangt. Die zu entrichtenden Einfuhrzölle können die Waren nochmals empfindlich verteuern.
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1) vgl. LG Hamburg RIW 1999, 391-393; LG Limburg NJW 1990, 2206
2) vgl. Schnitzer, Vergleichende Rechtslehre, Band II, S. 350 ff.
4) Gauch/Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht, Band I, Rn. 622
5) Gauch/Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht, Band I, Rn. 561
6) Gauch/Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht, Band I, Rn. 565a
10) vgl. auch Muenchener Kommentar/Martiny, BGB, Art. 29 Rn. 17
10a) LG Tuebingen NJW 2005, 1513
12) OLG Duesseldorf NJW-RR 1991, 55, 56
13) BVerfGE 73, S. 339, 369; zustimmend Beckmann Europarecht, Rn. 1215
14) Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 147
15) vgl. Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 134
16) vgl. OLG Duesseldorf IPRspr. 1983 Nr. 49; LG Hamburg IPRspr. 1975 Nr. 14
17) a> Palandt/Sprau, BGB, 651 d Rn. 4
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