1. Prävention
Werden in Frankreich Anzeichen für eine Unternehmenskrise erkennbar, bestehen präventive Informationspflichten (vgl. Gesetz n° 66-537 vom 24. Juli 1966 für die Aktiengesellschaft, Gesetz n° 67-821 vom 23. September 1967 für das Groupement d´intérêt économique, Gesetz n° 84-148 vom 1. März 1984). Befindet sich ein Unternehmen in der Krise, kann zunächst versucht werden, mit den Gläubigern ein außergerichtliches Arrangement zu finden. Gelingt dies nicht, muß das Betriebssanierungs- und Liquidationsverfahren eingeleitet werden. Das gerichtliche Betriebssanierungs- und Liquidationsverfahren ist in dem Gesetz n° 85-98 du 25.01.1985 1) geregelt.
2. Zahlungseinstellung
Voraussetzung für die Einleitung des Insolvenzverfahrens ist die Zahlungseinstellung (”cessation des paiements”). Das Verfahren ist zu eröffnen, wenn es einem Unternehmen unmöglich ist, die fälligen Verbindlichkeiten aus den vorhandenen Aktiva zu befriedigen. Das Fehlen verfügbarer Aktiva ist notwendige Voraussetzung aber zugleich ausreichend, um das Verfahren zu eröffnen.
3. Insolvenzverfahren
Der Schuldner muß den Antrag auf Eröffnung des Sanierungs- bzw. Liquidationsverfahrens innerhalb von drei Wochen nach Zahlungseinstellung stellen (Art. 3 Gesetz n° 85-98). Die Eröffnung des Verfahrens wird im Handelsregister eingetragen. Die Entscheidung über die Eröffnung entfaltet ihre Wirkungen mit dem Datum der Entscheidung um Null Uhr des selben Tages 2) . Es folgt eine Beobachtungsphase, innerhalb derer Vorschläge für die Rettung des Unternehmens erarbeitet werden oder aber die Entscheidung für die Liquidation fällt.
In der Beobachtungsphase werden alle Gläubiger gleich behandelt. Offene Forderungen sind anzumelden. Die Anmeldefrist beträgt zwei Monate ab Veröffentlichung der Verfahrenseröffnung im Handelsregister.
a. Zur Erhaltung des Vermögensstammes sehen die Art. 107 und 108 Gesetz n° 85-98 ab Eröffnung des Verfahrens Einschränkungen der Dispositionsbefugnis des Schuldners in bezug auf das Unternehmensvermögen vor.
Die Gläubiger können insbesondere Altverbindlichkeiten nicht weiterverfolgen. Ausnahmen sind zulässig, wenn dies der Fortführung des Betriebs dienlich ist (vgl. Art. 33 Gesetz n° 85-98). Die klageweise Forderungsbeitreibung, die Aufhebung von Verträgen sowie Vollstreckungsmaßnahmen in der Einzelzwangsvollstreckung sind untersagt. Die Aufrechnung mit Gegenforderungen bleibt allerdings zulässig.
b. Die bis zur Verfahrenseröffnung bestellten Sicherheiten an Immobilien sind konkursfest. Allerdings bleibt die Möglichkeit zur Verwertung zunächst ausgesetzt. Der Administrator kann Verwertungsmaßnahmen zulassen. Der Erlös wird vorläufig bei der ”Caisse des dépôts et consignations” hinterlegt und nach Annahme des ”plan de redressement” an die Gläubiger in der Reihenfolge der Eintragungen ausgekehrt.
Allerdings sind gemäß Art. 40 Gesetz n° 85-98 Forderungen, die im Falle der Fortführung des Betriebes begründet werden, bei Fälligkeit zu bedienen. Diese (privilegierten) Gläubiger im Sinne des Art. 40 Gesetz n° 85-98 können ihre Ansprüche gerichtshängig machen und titulieren lassen. Bislang hinderte diese Gläubiger Art. 173 des Dekrets vom 27. Dezember 1985 die Vollstreckung in Hinterlegungsbeträge. Der Conseil d´État hat nun am 9. Februar 2000 entschieden, dass Art. 173 des Dekrets vom 27. Dezember 1985 illegal ist (Conseil d´État, 09.02.2000, JCP (E) 2000, 346).
c. Hypotheken, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellt werden, sind gemäß Art. 107-6 Gesetz n° 85-98 unwirksam, wenn die Forderungen aus der Zeit vor der Zahlungseinstellung stammen3 . Das Datum der Zahlungseinstellung kann allerdings gerichtlich bestimmt werden und ein- oder mehrmals zurückverlegt werden, nicht jedoch um mehr als 18 Monate vom Datum der Eröffnungsentscheidung an gerechnet. Wird das Datum nicht ausdrücklich gerichtlich festgestellt, gilt das Datum der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens (Art. 9 Gesetz n° 85-98).
Die Regelungen in Art. 107-6 und Art. 9 des Gesetzes n° 85-98 sollen verhindern, daß der Schuldner sein Vermögen dem Zugriff des Liquidators entzieht. Sie können fatale Auswirkungen haben, denn es liegt im Ermessen des Insolvenzrichters, ob Unternehmenskredite, die vor der tatsächlichen Zahlungseinstellung gewährt wurden, mangels Sicherheit notleidend werden oder nicht. Die Festlegung des Datums der Zahlungseinstellung kann von Amts wegen, aber auch auf Antrag des Verwalters, des Vertreters der Gläubiger oder des Staatsanwaltes erfolgen. Das Antragsrecht ist fristgebunden.
4. Hinweise
Der ausländische Hypothekargläubiger eines insolventen französischen Unternehmens kann im Grundsatz darauf vertrauen, daß seine Sicherheiten konkursfest sind. Entscheidenden Einfluß auf die Verwertung des belasteten Grundstücks hat er ebensowenig wie er objektive Daten über die Werthaltigkeit des Pfandgrundstückes erhält. Gegenwärtig kommt hinzu, daß die Verwertungserlöse auf dem Hinterlegungskonto dem Zugriff ungesicherter Gläubiger unterliegen. Ferner ist zu beachten, daß das französische Recht die Verkehrsfähigkeit der Immobilie stets höher bewertet als die Sicherungsrechte der Gläubiger. Schon für die freihändige Verwertung gilt: Reicht der Kaufpreis nicht aus, um die Gläubiger zu befriedigen, leitet der Notar das Verfahren zur Löschung der Belastungen ein (purge). Das Verfahren dient eigentlich den Hypothekengläubigern zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen den Dritterwerber und hat im deutschen Recht keine Entsprechung. Es kann aber auch präventiv
(Art. 2183 CC: ”avant les poursuites”) durch den neuen Eigentümer eingeleitet werden, um das Grundstück lastenfrei zu machen und soll einerseits den Erwerber schützen und andererseits belastete Grundstücke verkehrsfähig machen (Théry, Sûretés et publicité foncière, 2. Auflage, 1998, Rn. 189). Das Verfahren erlaubt es den Gläubigern, die förmlich benachrichtigt werden, die Zwangsverwertung des Grundstücks zu beantragen (Art. 2185 CC). Der bereits im Grundbuch eingetragene Erwerber bietet den Gläubigern an, sie bis zur Höhe des Kaufpreises oder eines zu benennendes Preises (letzteres im Falle z.B. der Schenkung) zu befriedigen. Das Angebot schafft eine neue juristische Beziehung zwischen Erwerber und Gläubigern, die unabhängig von der Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber besteht (Théry, Sûretés et publicité foncière, 2. Auflage, 1998, Rn. 193). Die Gläubiger können innerhalb einer Frist von 40 Tagen entscheiden, ob das Angebot dem Wert der Immobilie entspricht. Beantragen die Gläubiger die Einleitung der Zwangsversteigerung (adjudication sur surenchère du dixième) nicht fristgerecht, so bestimmt Art. 2186 CC, daß der Kaufpreis den Wert des Grundstücks endgültig bestimmt. Der neue Eigentümer erwirbt dann lastenfreies Eigentum (Art. 2186 CC). Widerspricht aber auch nur ein Gläubiger dem Angebot, kommt es zur Zwangsversteigerung. Dieser (der betreibende Gläubiger) läuft allerdings Gefahr, den Zuschlag zu erhalten, und zwar zu einem Preis, der 10 % höher liegt als das Angebot (Art. 838 CPC). Eigentümer wird dann der Ersteigerer. Der Erwerber wird so behandelt als sei er niemals Erwerber gewesen. Der Ersteigerer muß ihm die Kosten erstatten, die ihm entstanden sind (Art. 2188 CC). Schlußendlich ist bedeutsam, daß nicht etwa die Antragstellung im Insolvenzverfahren oder der Akt der Verfahrenseröffnung abgrenzt, welche Hypotheken konkurssicher sind. Vielmehr ist maßgeblich, wie das Datum der Zahlungseinstellung gerichtlich festgesetzt wird. Hierin liegen naturgemäß Risiken, die sich nur schwerlich begrenzen lassen. Eine sehr aufwendige Unternehmensprüfung ist sicherlich unabdingbar.
1) relative au redressement et à la liquidation judiciaires des entreprises (Journal Officiel du 26 janvier 1985 en vigueur le 1er janvier 1986, modifié loi n° 91-650 du 9 juillet 1991 art. 93)
2)CA Bourges, 22.03.1988, JCP 1988.IV.367)
3Art. 107 n° 6 des Gesetzes 85/98 vom 25.01.1985 lautet: ”Sont nuls, lorsqu´ils auront été faits par le débiteur depuis la date de cessation des paiements, les actes suivants: …
6° Toute hypothèque conventionelle, toute hypothèque judiciaire ainsi que légale des époux et tout droit de nantissement constitués sur les biens du débiteur pour dettes antérieurement contractées
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