Cour de Cassation, civ., 29.03.2000 (Parlier ./. Épx Ponceblanc)

Auf der Grundlage eines Kreditvertrages, bestimmt zur Finanzierung eines Grundstückskaufes und zur Durchführung einer Baumaßnahme, den der Bauherr (maître de l´ouvrage) unterschrieben hatte, zahlten die Banken gemäß Art. R.261-14 Code de la construction et de l´habitation (CCH) an das ausführende Bauunternehmen, nachdem der Architekt den Bautenstand bescheinigt hatte. Der Bauherr und das ausführende Unternehmen fielen in Konkurs, die Bauarbeiten wurden eingestellt. Die Erwerber der Eigentumswohnungen und die Banken nahmen den Architekten auf Ersatz des ihnen entstandenen Schadens in Anspruch. Die Cour de Cassation entschied, daß die Inanspruchnahme des Architekten zu Recht erfolgte, weil dieser bescheinigt hatte, der Bau befinde sich ”hors d´eau terminé”, obwohl der Dachstuhl und die Eindeckung aufgrund von Mängeln, die das Werk für seinen Zweck ungeeignet machten, neu herzustellen waren.

Anmerkung:

In Frankreich wird zwischen dem ”maître de l´ouvrage” und dem ”maître d´oeuvre” unterschieden. Der ”maître de l´ouvrage” ist der klassische Bauherr, während der ”maître d´oeuvre” derjenige ist, der mit der Bauleitung und –überwachung betraut ist (Liet-Veaux/Thuillier, Droit de la construction, S. 252). Üblicherweise wird dafür ein Architekt eingebunden. Die französische Rechtsprechung in bezug auf die Architektenhaftung ist streng (Liet-Veaux/Thuillier, Droit de la construction, S. 286 ff.).

Der Entscheidung der Cour de Cassation lag ein Vertrag über den Verkauf eines noch zu errichtenden Gebäudes zugrunde, der in Art. L.261-1 CCH geregelt ist. Er kann vorsehen, daß das Eigentum erst mit der Fertigstellung auf den Käufer übergeht (Art. L.261-2 CCH); es kann aber auch vereinbart werden, daß der Erwerber sofort Eigentümer wird (Art. L.261-3 CCH). In beiden Fällen bleibt der Bauträger bis zur Fertigstellung ”maître de l´ouvrage” (vgl. Art. L.261-3 CCH). Bauherr und Erwerber sind daher nicht zwingend personenidentisch. Vielmehr bleibt der Bauträger rechtlich Bauherr. Der Käufer kann dem Verkäufer (Bauherrn oder Bauträger) das Mandat erteilen, das Kaufobjekt hypothekarisch zu belasten (Art. R.261-7 CCH). Die Auszahlung kann dann nach Maßgabe des Art. R.261-14 CCH i.V.m. Art. 1799-1 CC erfolgen. Auf diese Weise konnte es dazu kommen, daß zu Lasten der Wohnungskäufer Zahlungen an das ausführende Unternehmen geleistet wurden, ohne daß ein entsprechender Gegenwert vorhanden war. Einzig der überwachende Architekt hätte dies verhindern können. Die Bank, die ihrerseits wegen Art. 1799-1 CC entweder eine Bürgschaft herausgelegt hat oder die Baufinanzierung direkt an die Unternehmen auszahlt, kann ihrerseits in Streitigkeiten grissen werden, wenn sie blind auf die Testate des Architekten vertraut.