Der Bauunternehmer haftet dem Bauherrn gegenüber sogar noch nach Ablauf der zehnjährigen Verjährung (décennale) für von ihm arglistig verursachte Fehler/Schäden/Mängel. Voraussetzungen hierfür ist, daß der Bauunternehmer die Fehler in Ausführung seiner vertraglichen Verpflichtungen begangen hat. Da es nicht notwendig ist, dass der Bauunternehmer die Absicht hat, den Schaden herbeizuführen, genügt es, daß der Bauunternehmer seine Fehler verborgen hat oder den Bauherrn getäuscht hat. Der Kassationshof bricht mit seiner vorherigen Rechtsprechung und entscheidet nunmehr, daß die arglistig begangenen Fehler (faute dolosive) des Bauunternehmens vertraglicher Natur sind, so das der Bauunternehmer eine vertragliche Haftung übernimmt, die sich über dreißig Jahre erstreckt.
Cass. 3ème civ. Urteil vom 27. Juni 2001 (D. 2001, I.R., p. 2239)
Anmerkung:
In Frankreich ist das Recht der Gewährleistung für Baumängel unübersichtlich. Es konkurrieren die besonderen Rechte aus Art. 1792 ff. CC mit den Ansprüchen aus der allgemeinen Vertragshaftung. Die heutige Fassung der Art. 1792ff. Code Civil darf nciht darüber hinwegtäuschen, dass bereits der Code Napoléon aus dem Jahre 1804 eine verschärfte Haftung beinhaltete, die häufig heute noch als Vorbild für die Gesetzgebung in anderen Ländern herangezogen wird (vgl. z.B. Louisiana Civil Code art. 2762 und 3500 sowie ihre Vorgänger). Die letzte Reform vom 8. Juni 2005 hat einige Klarstellungen und kleinere Ergänzungen herbeigeführt. Sie diente überwiegend dazu, das komplementäre Pflichtversicherungssystem zu vereinfachen und mehr Rechtssicherheit zu schaffen. So wurde in Art. 1792-2 Code Civil das Wort “bâtiment” (Bauwerk) durch das Wort “ouvrage” (Werk) ersetzt. Ferner nimmt Art. 1792-7 Code Civil solche Ausrüstungsgegenstände (éléments d´équipement) von der Anwendung der Art. 1792, 1792-2, 1792-3 und 1792-4 Code Civil aus, die ausschließlich der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit dienen.
a. Mit der Abnahme (réception) beginnen die Verjährungsfristen bzw. Garantiefristen für Mängel zu laufen. Sie betragen
- ein Jahr für die vollständige Herstellung (Art. 1792-6 CC), und zwar als “garantie de parfait achèvement” bekannt
- zwei Jahre für die Solidität der Gebäudeausstattung (Art. 1792-3 CC), auch als “garantie de bon fonctionnement” bekannt
- zehn Jahre für die Hauptarbeiten an dem Gebäude, auch als garantie “décennale” bekannt (Art. 1792, 2270 Code Civil)
aa. Die zehnjährige Garantie (décennale) gilt für Schäden aufgrund von Mängeln des Bauwerkes, die seine Stabilität beeinträchtigen, oder es infolge Schadhaftigkeit wesentlicher Bestandteile oder Ausstattungsteile für seine Zweckbestimmung unbrauchbar machen (Ferid, Das französische Zvilrecht, Band 2, 1986, 2 K 181). Die zehnjährige Garantie ist vertarglicher Natur und setzt einen Werkvertrag mit dem Eigentümer voraus. Das Gesetz vom 4. Januar 1978 hat den Subunternehmer nicht in die Garantiehaftung einbezogen (vgl. Banado, La sous-traitance dans la construction, Rn. 427). Doch häufig erweitert der Subunternehmerauftrag die Décennale-Haftung für die vom Subunternehmer ausgeführten Arbeiten. Doch ist Vorsicht angesagt, denn im Jahre 1980 hat die Rechtsprechung die Haftung des Subunternehmers verschärft. Er haftet seither auf den Erfolg (obligation de résultat).
bb. Die zweijährige “Gewährleistung” erfaßt Ausstattungsteile, für die die zehnjährige Gewährleistung nicht eingreift. Inbegriffen sind sämtliche Mängel an Bauteilen, die nicht untrennbar und fest mit dem Grundmauerwerk oder anderen langlebigen Bauteilen verbunden sind (Buksch, Die Mängelhaftung der Bauunternehmer in Frankreich und den Arabischen Staaten, RIW 1984, S. 437, 439).
cc. Innerhalb der einjährigen Garantie ist der Unternehmer verpflichtet, sämtliche Mängel, die ihm angezeigt werden, und die nach Abnahme aufgetreten sind, zu beseitigen.
Aufgrund der Tatsache, dass der Subunternehmer nicht den Garantien aus dem Gesetz vom 4. Janaur 1978 unterworfen ist, haftet er uneingeschränkt nach dem gemeinen französischen Recht, also über Art. 1147 Code Civil. Das hat zur Folge, dass er sich auch nicht auf die Fristen in Art. 1792 ff., 2270 Code Civil berufen kann. Sine Haftung verjährt folgtlich nach allgemeinen Regelungen; die Regelverjährung beträgt 30 Jahre, sie reduziert sich im kaufmännischen Verkehr auf 10 Jahre. Um den Gleichlauf wieder herzustellen, wurde Art. 2270-2 Code Civil eingeführt. Art. 2270-2 Code Civil stellt nunmehr klar, dass Ansprüche gegen Subunternehmer nach den selben Grundsätzen für die “responsabilité décennale” verjähren.
In Frankreich ist für die décennale eine Versicherungsdeckung gesetzlich vorgeschrieben. Sie bedingt in aller Regel die Überwachung der Baumaßnahmen und der Garantiezeit durch ein Kontrollbüro (Veritas, Sececo etc.). Die Versicherungsprämien können beträchtliche Beträge erreichen; hinzu kommen die Kosten der sog. Kontrolle (contrôle). Findet sich kein Versicherer, der das Risiko übernehmen will, kann sich der Unternehmer an das Bureau Central de Tarification (11, rue de la Rochefoucauld, F-75431 Paris) wenden.
Im Übrigen: Die décennale ist sicherlich eine französische Eigenheit. Doch inzwischen findet sie sich nicht nur in Frankreich und den angrenzenden Ländern Belgien oder Luxemburg, sondern u.a. auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten, Algerien, Kamerun, Marokko, Italien und Spanien.
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