Bei den Vertragsverhandlungen oder im Rahmen von Vergabegesprächen haben die Zahlungsmodalitäten eine besondere Bedeutung. Es ist keinesfalls so, dass alle ausländischen Rechtsordnungen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen vorsehen.
Die FIDIC-Vertragsmuster (Serie 1999) regeln die Fälligkeit und Abwicklung von Abschlagszahlungen im Rahmen des dort üblichen Zertifizierungssystems.
Beispiel: Auszugsweise Übersetzung des FIDIC Silver Book
14.3 Beantragung einer Zwischenbescheinigung
Der Unternehmer soll dem Besteller nach dem Ende der im Vertrag benannten Zahlungsperiode eine in der von dem Besteller genehmigten Form abgefasste Erklärung in sechsfacher Ausfertigung übergeben, in der er die Beträge, auf die er einen Anspruch zu haben glaubt, darstellt, zusammen mit den unterstützenden Dokumenten, die den relevanten Baufortschrittsbericht in Übereinstimmung mit Unterklausel 4.21 [Dokumentation des Baufortschritts].
Diese Erklärung soll folgende Angaben, soweit einschlägig, die in den verschiedenen Währungen ausgedrückt sind, in der der Vertragspreis zahlbar ist, in der aufgelisteten Reichenfolge beinhalten:
(a) der geschätzte Vertragswert der ausgeführten Arbeiten und die Dokumente des Unternehmers, die er bis zum Ende des Monats erstellt hat (einschließlich Leistungsänderungen aber nicht die in den Unterklauseln (b) bis (f) beschriebenen Posten);
(b) alle Beträge, die aufgrund von Änderungen der Rechtslage oder der Kosten gemäß Unterklausel 13.7 (Anpassungen aufgrund von Gesetzesänderungen) und 13.8 (Anpassungen aufgrund von Kostenveränderungen) addiert oder abgezogen werden müssen;
(c) alle Beträge, die aufgrund von Einbehalten abgezogen werden müssen; berechnet in Anwendung des Prozentsatzes für Einbehalte, der in den besonderen Bedingungen genannt ist, in Bezug auf obige Beträge, bis der so einbehaltene Betrag das Limit für Einbehalte (wenn eines vorhanden ist) erreicht, das in den Besonderen Bedingungen genannt ist;
(d) alle Beträge, die aufgrund von Vorauszahlungen und Rückzahlungen gemäß Unterklausel 14.2 (Vorauszahlungen) addiert oder abgezogen werden müssen;
(e) alle anderen Zusätze und Abzüge, die nach dem Vertrag oder auf andere Weise fällig geworden sind, auch solche gemäß Klausel 20 Ansprüche, Streitigkeiten und Schiedsgericht und
(f) die in den vorhergehenden Erklärungen aufgeführten Abzüge und Beträge.
14.4 Zahlungsplan
Wenn der Vertrag einen Zahlungsplan, der die Raten, in denen der Vertragspreis zu zahlen ist, festlegt, dann gilt, wenn der Zahlungsplan nichts anderes vorsieht:
(a) die im Zahlungsplan vorgesehenen Raten sollen die für den in Unterklausel 14.3 (Beantragung einer Zwischenbescheinigung) beschriebenen Zweck erforderlichen geschätzten Vertragswerte darstellen,
(b) wenn diese Raten nicht unter Bezugnahme auf den tatsächlich erreichten Baufortschritt festgelegt werden und der tatsächliche Baufortschritt kleiner ist als der, der bei der Aufstellung des Zahlungsplans zunächst angenommen wurde, kann der Besteller gemäß Unterklausel 3.5 (Entscheidungen) verfahren und angepasste Raten vereinbaren oder festlegen. Dabei hat er zu berücksichtigen, um wie viel kleiner der tatsächliche Baufortschritt im Vergleich zu demjenigen ist, auf dessen Grundlage der Zahlungsplan zunächst erstellt wurde.
Enthält der Vertrag keinen Zahlungsplan, hat der Unternehmer unverbindliche Schätzungen darüber abzugeben, welche Beträge im Laufe eines jeden Vierteljahreszeitraumes fällig werden. Die erste Schätzung ist innerhalb von 42 Tagen nach dem Datum des Baubeginns abzugeben. Bis zur Ausstellung der Abnahmebescheinigung ist vierteljährlich eine überarbeitete Schätzung abzugeben.
Lord Denning in hat im Fall Dawnays Ltd. v. F G Minter and Troloppe and Colls [1971] 1 WLR 1205 ausgeführt: Cash Flow is the Life Blood of the construction industry. Inwieweit ausländische Rechtsordnungen diesem Befund Rechnung tragen, sie hier anhand einiger Beispiele zusammengestellt:
Recht | Grundsatz | Anspruch auf Abschlagszahlung |
Unidroit Principles | Grundsatz ist die Zug um Zug Leistung (Art. 6.1.4. Abs. 1). Kann die Leistung einer Partei nur innerhalb einer bestimmten Zeit erfolgen, ist diese Partei vorleistungspflichtig(Art. 6.1.4 Abs. 2). | Die Unidroit weist zwar darauf hin, dass es in Bauverträgen üblich sei, Abschlagszahlungen zu vereinbaren, belässt es jedoch auch für Bauverträge bei dem Vorleistungsgrundsatz. |
Europäische Grundsätze | Grundsatz ist die Zug um Zug Leistung (Art. 7:104). Eine Regel wie in Art. 6.1.4 Abs. 2 Unidroit Principles fehlt in den Europäischen Grundsätzen. | Eine Partei, die gleichzeitig mit oder nach der anderen Partei zu leisten hat, kann die ihr obliegende Leistung zurückbehalten, bis die andere Partei ihre Leistung angeboten oder erbracht hat. Die erste Partei kann die Leistung insgesamt oder nur teilweise zurückbehalten, soweit dies nach den Umständen angemessen erscheint (Art. 9:201 Abs. 1). Eine Partei kann entsprechend ihre Leistung solange zurückbehalten, wie klar ist, dass die andere Partei bei Fälligkeit ihrer Leistung diese nicht erfüllen wird (Art. :201 Abs. 2). Auch für Bauverträge ist keine Ausnahme vorgesehen. |
Deutschland | Grundsatz ist die Zug um Zug Leistung. Beim Bauvertrag ist allerdings grundsätzlich der Unternehmer vorleistungspflichtig. Ob es einen allgemein gütigen Satz des Inhalts dahin gibt, dass beim Bauvertrag Abschlagszahlungen allgemein üblich sind, ist umstritten (bejahend OLG München NJW-RR 1989, 276; a.A. Ingenstau/Korbion/Locher, VOB/B, § 16 Rn. 5). | Seit dem 1.5.2000 dürfen Abschlagszahlungen für die in sich abgeschlossenen Teile gefordert werden (§ 632 a BGB). Die Regel ist von geringer Bedeutung, denn die Anforderungen an die funktionelle Abgrenzung von Bauteilen sind sehr hoch (vgl. Ingenstau/Korbion/Locher, VOB/B, § 16 Nr. 1 Rn. 2). § 16 Nr. 1 VOB/B regelt einen Anspruch auf Abschlagszahlungen für nachgewiesene Leistungen. |
England | Ein Zahlungsanspruch besteht nur für mängelfreie Arbeiten. Das Cash-flow-Prinzip (vgl. Dawnays Ltd. v. F G Minter and Troloppe and Colls [1971] 1 WLR 1205), kurzzeitig aufgestellt um Einwendungen gegen zertifizierte Abschlagszahlungsansprüche abzuwehren, hat keine eigenständige Bedeutung (Gilbert-Ash (Northern) Ltd. v. Modern Engineering (Bristol) Ltd. [1973] 3 WLR 421). | Mit Einführung des HGRCA 1996 hat sich die Rechtslage allerdings geändert. Für Bauverträge im Sinne des HGRCA 1996 gilt, dass Abschlagszahlungen verlangt werden können, vorausgesetzt die Arbeiten dauern länger als 45 Tage (Sec. 109, 110 HGCRA 1996). Die Nichtzahlung von Abschlagszahlungen berechtigt den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen Lubenham Fidelities v. South Pembrokeshire District Council and Wigley Fox Parts (1986) 33 BLR 39; Adriaanse, Construction Contract Law,110). Doch regelt der HGRCA 1996 ein Recht auf Einstellung der Arbeiten für den Fall der Nichtzahlung von Abschlägen (vgl. Adriaanse, Construction Contract Law,110). |
Frankreich | Grundsatz ist die Zug um Zug Leistung. Bei Bauleistungen kann Zahlung erst verlangt werden, wenn die Arbeiten abgeliefert sind (vgl. Malaurie/Aynès, Les contrats spéciaux, Rn. 771). | Es existiert kein gesetzlich geregelter Anspruch auf Abschlagszahlung. In der Praxis werden Abschlagszahlungen allerdings häufig vereinbart (vgl. Huet, Les principaux contrats spéciaux, Rn. 32336; Le Tourneau, L´ingénierie, les transferts de technologie et de maîtrise industrielle, Rn. 275). Für Abschlagszahlungen im Rahmen eines auf den Bau eines individuellen Hauses gerichteten Vertrages existieren strenge Regeln zur Höhe der Abschlagszahlungen (Art. R-231-7 Abs. 1 CCH). Zurückbehaltungsrechte bzw. das Rechts auf Einstellung der Arbeiten scheinen die französischen Gerichte nur zurückhaltend anzuwenden, jedenfalls muss der Unternehmer die größte Vorsicht walten lassen (vgl. Huet, Les principaux contrats spéciaux, Rn. 32374). |
Belgien | Grundsatz ist die Zug um Zug Leistung. | Es existiert kein gesetzlich geregelter Anspruch auf Abschlagszahlung. Aber: Sind Abschlagszahlungen vereinbart und bleiben sie aus, kann der Unternehmer die Arbeiten ohne Mahnung einstellen (Delvaux/Dessard, Le contrat d´entreprise de construction, Rn. 178) |
FIDIC Verträge enthalten ausgewogene Zahlungsbedingungen. Im FIDIC Red Book und FIDIC Yellow Book sowie dem FIDIC Gold Book werden die Zahlungen über den Engineer oder Employer´s Representative zertifiziert. Für das Zertifizierungsverfahren bestehen klare Regelungen. Standardmäßig besteht ein Zahlungsziel von 56 Tagen für Zwischenzahlungen. Systematisch wird zwischen einer Vorauszahlung (Advance payment), Zwischenzahlungen (interim payments) und einem Schlusszahlung unterschieden.
Für Subunternehmer hat das FIDIC Subcontract for Construction Vertragsmuster (erschienen in der 1. Auflage, 2011)besondere Zahlungsbedingungen geschaffen, die auf dem sogenannten pay-when-paid- Prinzipien beruhen. Pay-if-paid Klauseln sind weithin völlig verpönt. Pay-when-paid-Klauseln unterscheiden sich von den pay-if-paid Klauseln dadurch, dass erstere Zahlungen des Bauherrn an den Auftragnehmer zwar voraussetzen, aber nur in zeitlicher Hinsicht. Zahlt der Bauherr nicht, kann der Unternehmer die Zahlungen an den Subunternehmer so lange aussetzen, bis er sein Geld erhalten hat. Letztlich muss er aber bezahlen, so dass das Insolvenzrisiko beim Unternehmer liegt. Hingegen würden pay-if-paid Klauseln das Insolvenzrisiko auf den Subunternehmer verlagern. Nach dem FIDIC Subcontract trägt der Unternehmer das Insolvenzrisiko, kann aber im Bauverlauf Zahlungsverzögerungen dazu nutzen, Zahlungen an den Subunternehmer zu verzögern.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Die Kanzlei beschäftigt sich seit Jahren mit Fragen des internationalen und ausländischen Baurechts. Herr Rechtsanwalt Dr. Hök ist Autor zahlreicher einschlägiger Fachveröffentlichungen und Lehrbeauftragter bei verschiedenen Bildungseinrichtungen. Er ist ferner ehrenamtlich für FIDIC als Advisor tätig und FIDIC akkreditierter Trainer. Herr DR. Hök ist zugleich als FIDIC Adjudicator auf der Liste des FIDIC Präsidenten eingetragen und als FIDIC Adjudicator im In- und Ausland aktiv.
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