I. Einführung

1. Ausschreibungsunterlagen und in ihne inkludierte Leistungsverzeichnisse, die bei der Vergabe von Bauleistungen verwendet werden, müssen gewissen Mindestanforderungen genügen (in rechtlicher Hinsicht und/oder aus bautechnischer Sicht). Von ihrer Gestaltung kann die Durchsetzbarkeit von Mängelansprüchen und Werklohnnachforderungen abhängen (vgl.  VOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 19.04.2007 – IBR 2007, 546 -Brechen von Fels war nicht vereinbart).

2. Gemäß § 9 Nr. 1 VOB/A a.F. = § 7 Ans. 1 Nr. 1 VOB/A 2019 ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Bedarfspositionen (Eventualpositionen) dürfen nur ausnahmsweise in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden. Angehängte Stundenlohnarbeiten dürfen nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden. Gemäß § 9 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A a.F. = § 7 Nr. 6 VOB/A 2019 sind die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z. B. Boden- und Wasserverhältnisse, sind so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann.

Nach der VOB/A werden zwei Formen der Leistungsbeschreibung unterschieden:

  • Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (§ 7b VOB/A 2019)
  • Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm (§ 7c VOB/A 2019)

Gemäß § 9 Nr. 11 VOB/A a.F. = § 7b Abs. 1 VOB/A 2019 soll die Leistung in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe (Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis beschrieben werden. Die VOB/C gibt, gegliedert nach verschiedenen Bereichen, Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung (z. B. DIN 18 299 “Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art”, DIN 18 300 “Erdarbeiten”, DIN 18 303 “Verbauarbeiten”). Die Hinweise in Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen DIN 18 299 ff. sind grundsätzlich zu beachten (§ 9 Nr. 3 IV VOB/A a.F. = § 7 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A 2019). Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Leistungsbeschreibung eines Bauvertrages (§ 1 Abs. 2 VOB/ B) als sinnvolles Ganzes auszulegen (BGH, 11.03.1999 – VII ZR 179/98, ZfBR 1999, 256; BGH BauR 2003, 288). Dabei gibt es keinen grundsätzlichen Vorrang des Leistungsverzeichnisses vor den Vorbemerkungen (BGH ZfBR 1999, 256).

3. Der Auftraggeber hat dem Auftragnehmer die für die Ausführung nötigen Unterlagen unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben (§ 3 Abs. 1 VOB/B). Der Auftragnehmer muss die Unterlagen prüfen (§ 3 Abs. 3 S. 2 VOB/B). Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber jedoch nur für die vertraglich vereinbarte Leistung einzustehen. Darüberhinausgehende Leistungen kann der Auftraggeber zwar anordnen (vgl. § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B), er muß sie jedoch ggf. auch vergüten, wenn sie die Mehrvergütung rechtzeitig angekündigt wird. Unvollständige oder lückenhafte Leistungsverzeichnisse legen mithin die Grundlage für Streit. Auf der einen Seite können Mehrvergütungsansprüche aufgemacht werden, auf der anderen Seite hat der Auftragnehmer für nicht vereinbarte Leistungen nicht einzustehen. Allenfalls muß er auf Lücken hinweisen.

a. Ist das vom Auftraggeber verfaßte Leistungsverzeichnis für den Bieter, der das vorauszusetzende Fachwissen hat, nicht erkennbar unvollständig, unrichtig oder unklar bzw. mißverständlich, trägt der Auftraggeber das Risiko von Mehrkosten (vgl. § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B) tragen. Von dieser Verantwortung kann sich der Auftraggeber nicht freizeichnen. Die Vorbemerkung (ob sinngemäß oder wörtlich)

“Sollten einzelne Positionen in der nachfolgenden Leistungsbeschreibung nicht genau beschrieben sein oder Teile, die selbstverständlich zur Ausführung gehören, nicht genannt werden, gilt für die Leistung immer die fix und fertige Arbeit einschließlich aller Nebenkosten.”

verstößt gegen § 9 Nr. 1, 2 und 3 VOB/A a.F. sowie § 2 VOB/B. Erhält die Klausel den Charakter einer Allgemeinen Geschäftsbedingung oder ist sie in ihnen enthalten, kann sie nach §§ 5, 9 AGB-Gesetz = §§ 307 ff. BGB unwirksam sein (vgl. BGH SFH Z 2.311 Bl. 17 ff.).

b. Macht der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung unrichtige Angaben oder verschweigt er ihm bekannte erhebliche Umstände, können ggf. auch Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers erwachsen. Voraussetzung ist, daß dem Bieter die Lückenhaftigkeit der Leistungsbeschreibung nicht erkennbar ist.

c. Ist ein Mangel auf die (fehlerhafte) Leistungsbeschreibung zurückzuführen, kommt die Befreiung des Auftragnehmers von der Gewährleistung in Betracht, denn er kann sich grundsätzlich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des vom Auftraggeber bzw. dessen Erfüllungsgehilfen (Architekt, Statiker usw.) stammenden Leistungsbeschreibung verlassen kann. Allerdings obliegt ihm grundsätzlich eine Prüfungspflicht. Er muß nachprüfen, ob die Angaben in ihren Einzelheiten wie auch nach ihrem Gesamtbild technisch einwandfrei und zur Erreichung der Bauabsicht tauglich sind, ob sie insbesondere den anerkannten Regeln der Technik, vor allem dabei auch den Anforderungen in den DIN-Normen, entsprechen. Doch auch diese Prüfungspflicht ihre Grenzen, die durch die Fachkenntnis, die von einem ordnungsgemäßen Auftragnehmer des maßgebenden Berufszweiges verlangt werden kann und muß, vorgegeben ist.

II. Vorgaben

Die allgemeingültige DIN 18 299 schreibt für die Gestaltung der Leistungsbeschreibung die Mitteilung über folgende Bereiche vor:

Angaben zur Baustelle (0.1)
Angaben zur Ausführung (0.2)
Einzelangaben bei Abweichungen von den ATV (0.3)
Einzelangaben zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen (0.4) und den Abrechnungseinheiten für Teilleistungen (0.5).

Die Mitteilungen sind erforderlich, wenn sie im Einzelfall für die Ausführung und die Vergütung eine Rolle spielen. Seit Dezember 1992 ist die DIN 18 299 in Abschnitt 0, und zwar in 0.1 und 0.2, im Hinblick auf einige Gesichtspunkte geändert bzw. ergänzt worden. Diese Änderungen sind für die Bereiche der Entsorgung und Wiederverwendung, ferner für die Pflege und Wartung maschineller und elektrotechnischer Anlagen sowie für besondere Formen der Abrechnung von Bedeutung.

Zur Baustelle sind anzugeben

 Lage der Baustelle und Umgebungsbedingungen Zufahrtsmöglichkeiten und Beschaffenheit der Zufahrt sowie etwaige Einschränkungen bei ihrer Benutzung
 Art und Lage der baulichen Anlagen
 Verkehrsverhältnisse auf der Baustelle, insbesondere Verkehrsbeschränkungen
 für den Verkehr freizuhaltende Flächen Lage, Art, Anschlußwert und Bedingungen für das Überlassen von

Anschlüssen für Wasser, Energie und Abwasser
Lage und Ausmaß der dem Auftragnehmer für die Ausführung seiner
Leistungen zur Benutzung oder Mitbenutzung überlassenen Flächen, Räume;Bodenverhältnisse, Baugrund und seine Tragfähigkeit

 Ergebnisse von Bodenuntersuchungen
 hydrologische Werte von Grundwasser und Gewässern; Art, Lage, Abfluß, Abflußvermögen und Hochwasserverhältnisse von Vorflutern; Ergebnisse von Wasseranalysen
 besondere umweltrechtliche Vorschriften
 besondere Vorgaben für die Entsorgung, z. B. besondere Beschränkungen für die Beseitigung von Abwasser und Abfall Schutzgebiete oder Schutzzeiten im Bereich der Baustelle, z. B. wegen

Forderungen des Gewässer-, Boden-, Natur-, Landschafts- oder Immissionsschutzes

 ggf. vorliegende Fachgutachten
 Art und Umfang des Schutzes von Bäumen, Pflanzenbeständen, Vegetationsflächen, Verkehrsflächen, Bauteilen, Bauwerken, Grenzsteinen u. ä. im Bereich der Baustelle
 im Baugelände vorhandene Anlagen, insbesondere Abwasser- und

Versorgungsleitungen; bekannte oder vermutete Hindernisse im Bereich der Baustelle, z. B. Leitungen, Kabel, Dräne, Kanäle, Bauwerksreste und, soweit bekannt, deren Eigentümer

 vermutete Kampfmittel im Bereich der Baustelle, Ergebnisse von Erkundungs-oder Beräumungsmaßnahmen; besondere Anordnungen, Vorschriften und Maßnahmen der Eigentümer (oder der anderen Weisungsberechtigten) von Leitungen, Kabeln, Dränen, Kanälen, Wegen, Gewässern, Gleisen, Zäunen und dergleichen im Bereich der Baustelle
 Art und Umfang von Schadstoffbelastungen, z. B. des Bodens, der Gewässer, der Luft, der Stoffe und Bauteile
 ggf. vorliegende Fachgutachten Art und Zeit der vom Auftraggeber veranlaßten Vorarbeiten Arbeiten anderer Unternehmer auf der Baustelle

Zur baulichen Ausführung sind im allgemeinen folgende Angaben erforderlich:

 vorgesehene Arbeitsabschnitte, Arbeitsunterbrechungen und -beschränkungen nach Art, Ort und Zeit sowie Abhängigkeit von Leistungen anderer
 besondere Erschwernisse während der Ausführung, z. B. Arbeiten inRäumen, in denen der Betrieb weiterläuft, oder bei außergewöhnlichen äußeren Einflüssen
 besondere Anforderungen für Arbeiten in kontaminierten Bereichen,gegebenenfalls besondere Anordnungen für Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen
 besondere Anforderungen an die Baustelleneinrichtung und an die Entsorgungseinrichtungen, z. B. Behälter für die getrennte Erfassung; Besonderheiten der Regelung und Sicherung des Verkehrs, gegebenenfallsauch, wieweit der Auftraggeber die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen übernimmt
 Auf- und Abbauen sowie Vorhalten der Gerüste, die nicht Nebenleistung sind; Mitbenutzung fremder Gerüste, Hebezeuge, Aufzüge, Aufenthalts- und Lagerräume, Einrichtungen und dergleichen durch den Auftragnehmer
 wie lange, für welche Arbeiten und gegebenenfalls für welche Beanspruchung der Auftragnehmer seine Gerüste, Hebezeuge, Aufzüge, Aufenthalts- und Lagerräume, Einrichtungen und dergleichen für andere Unternehmer vorzuhalten hat
 Verwendung oder Mitverwendung von wiederaufbereiteten (Recycling-) Stoffe
 besondere Anforderungen an Art und Güte und Umweltverträglichkeit der Stoffe und Bauteile, auch z. B. an die schnelle biologische Abbaubarkeit von Hilfsstoffen;
 Anforderungen an wiederaufbereitete (Recycling-)Stoffe und an nicht genormte Stoffe und Bauteile
 Art und Umfang der vom Auftraggeber verlangten Eignungs- und Gütenachweise; unter welchen Bedingungen auf der Baustelle gewonnene Stoffe verwendet werden dürfen bzw. müssen oder einer anderen Verwertung zuzuführen sind
 Art, Zusammensetzung und Menge der aus dem Bereich des Auftraggebers zu entsorgenden Böden, Stoffe und Bauteile; Art und Verwertung bzw. bei Abfall die Entsorgungsanlage;
 Anforderungen an die Nachweise über Transporte, Entsorgung und die vom Auftraggeber zu tragenden Entsorgungskosten; Art, Menge, Gewicht der Stoffe und Bauteile, die vom Auftraggeber beigestellt werden, sowie Art, Ort (genaue Bezeichnung) und Zeit ihrer Übergabe
 in welchem Umfang der Auftraggeber Abladen, Lagern und Transport von Stoffen und Bauteilen übernimmt oder dafür dem Auftragnehmer Geräte oder Arbeitskräfte zur Verfügung stellt
 Leistungen für andere Unternehmer; Mitwirken beim Einstellen von Anlageteilen und bei der Inbetriebnahme von Anlagen im Zusammenwirken mit anderen Beteiligten, z. B. mit dem Auftragnehmer für die Gebäudeautomation; Benutzung von Teilen der Leistung vor der Abnahme
 Übertragung der Wartung während der Dauer der Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche für maschinelle und elektrotechnische Anlagen, bei denen eine ordnungsgemäße Pflege und Wartung einen erheblichen Einfluß auf Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Anlage haben, z. B. Aufzugsanlagen, Fahrtreppen, Meß-, Steuer- und Regelungseinrichtungen, Anlagen der Gebäudeleittechnik, Gefahrenmeldeanlagen, Feuerungsanlagen; Abrechnungen nach bestimmten Zeichnungen oder Tabellen.

III. Internationale Leistungsbeschreibungen

Literatur: Hök, Employer´s Requirements in Design-Build Contracts under FIDIC – a comparative study, ICLR 2012, 121

Im internationalen Geschäft wird üblicherweise zwischen Design Specifications und Performance Specifications unterschieden. Performance Specifications beschreiben die zu erreichenden Leistungsparameter und/oder die geforderte Funktion, ein ultimativ zu erreichneden Ergebnis. Sie belassen die Entscheidung, wie diese Anforderungen erfüllt werden sollen, dem Planer. Hingegen beschrieben Deisgn Specifications auch den Weg, wie das Ziel erreicht werden soll. Abweichungen von den Detailbeschreibungen sind eher wahrscheinlich (siehe unten), wenn die Planungsgrundlagen zu Beginn nicht völlig transparent und klar waren, sondern überwiegend auf Annahmen beruhten.

Design Specifications sind in Anlehnung an die angelsächsische Rechtsprechung und Praxis exakt zu befolgen. Abweichungen sind grundsätzlich nicht zulässig. Soweit sie angeordnet werden, liegt eine Variation Order vor. Für eine derartige Anordnung bedarf es einer vertraglichen Rechtsgrundlage. Anderenfalls begründet die Änderungsanordnung eine Vertragsverletzung. Performance Specifications sind funktionale Leistungsbeschreibungen, die dem Unternehmer Gestaltungsspielräume einräumen. Solche Performance Specifications werden üblicherweise in Design & Build Verträgen benutzt.

Typisches Beispiel für Verträge mit Design Specifications ist das FIDIC Red Book (Design, Bid, Build). Solche Vertragswrrke werden eingesetzt, wenn der Unternehmer praktisch keine ode rnur sehr geringfügige Planungsverpflichtungen übernehmen soll. Performance Specifications werden hingegen für das FIDIC Yellow Book (Design & Build) benötigt. Hier übernimmt der Unternehmer Planungsaufgaben und Planungsveratwortung.

Im FIDIC Red Book Vertrag liegt die Planungsverantwortung überwiegend oder ausschließlich beim Auftraggeber. Im Design & Build Yellow Book Vertrag übernimmt der Unternehmer die Planungsverantwortung auf der Grundlage von Employer´s Requirements, und zwar auch hinsichtlich etwaiger Irrtümer darin. Die Employer´s Requirements im FIDIC Yellow Book sollten als Performance Specifications ausgestaltet sein, um die Wahrscheinlichkeit von Variation Orders zu minimieren. Qualtätssicherung erfolgt über geeignete Performance Requirements und nicht über ein detailliertes Design. Typischerweise decken die Employer´s Requirements weniger als 10 % des gesamten Planungsaufwandes ab.

Häufig wird die Bedeutung der sogenanten technischen Unterlagen für das Forderungsmanagement unterschätzt. Gerade hier werden die Grundlagen für Mehrforderungen oder für eine stabile Budgetplanung gelegt. Zu enge oder unpassende Planungsvorgaben, noch dazu solche, die auf alten Daten beruhen und nicht akualisiert wurden, bevor darauf eine Vergabe gestützt wird, führen in kaum zu beherrschende Nachtragsforderungen oder Leistungsänderungen, Diskussionen und häufig auch streitige Auseinandersetzungen.

Auf jeden Fall sollte das, was die Allgemeinen Vertragsbedingungen des Yellow und des Silver Book vorgeben, ernst genommen werden. Die Definition von Employer´s Requirements in Unterklausel 1.1.1.5 FIDIC Yellow Book 1999 zeigt ausdrücklich auf, dass dieses Dokument den Zweck des Vorhabens oder der Werkes beschreiben soll. Entsprechendes gilt für die Definition in Unterklausel 1.1.33 FIDIC Yellow Book 2017.

Unterklausel 4.1 FIDIC Yellow Book 1999 verpflichtet den Unternehmer die Leistungen so zu erbringen, dass sie bei Fertigstellung für den vereinbarten Zweck geeignet sind. Fehlt eine Zweckangabe, ist dieser Test schwierig. Unterkalusel 4.1 FIDIC Yellow Book 2017 ergänzt die Formel daher dahin, dass ggf. der gewöhnliche Zweck (ordinary purpose) entscheidend sein soll. Überdies ergänzt die Zweckangabe die Leistungspflicht des Unternehmers über Unterklausel 4.11 FIDIC Yellow Book. Danach ist im Preis alles enthalten, was für die Herstellung des Werkes im Sinne von Unterklausel 4.1 FIDIC Yellow Book erforderlich ist.

FIDIC Verträge sind dafür gedacht, mit Problemen umzugehen, die entweder unvorhersehbar waren oder vorhersehbar waren, aber deren Eintritt wenig wahrscheinlich erschien. Das Vertragswerk denkt Lösungen für typische Baustellenrisiken vor und erlaubt eine flexible Handhabung von Leistungsänderungen sowie die Vertragsanpassung auf der Vergütungsseite und betreffend die Bauzeit. Soweit allerdings  die vertraglichen Leistungsanforderungen nachträglich angepasst werden müssen, gibt es keine im Voraus bestimmten Lösungen. Solche (angeordnete) Änderungen müssen als Variation behandelt werden, die in Abhängigkeit zum Anordnungsinhalt eine Vertragspreisanpassung und eine Bauzeitanpassung nach sich ziehen (können).

Unternehmer sollten im Bereich der FIDIC Design & Build Verträge sehr genau nachlesen, welche Anforderungen FIDIC an den Unternehmer mit Blick auf die Überprüfung der Leistungsbeschreibung stellt. Die Vertragswerke verlangen, dass der Unternehmer vor Angebotsabgabe prüft, inwieweit die Leistungsbeschreibung fehlerhaft ist. Hätte der Fehler, der später entdeckt wird, von einem erfahrenen Unternehmer bereits früher aufgezeigt werden können, entfällt die Notwendigkeit zu einer leistungsändernden Anordnung (Variation). Der Unternehmer trägt dann eventuelle Mehrkosten und auch das Bauzeitrisiko (vgl. Unterklauseln 5.1, 1.9 FIDIC Yellow Book 1999 sowie Unterklausel 1.9 FIDIC 2017).

Das wesentlichste Vertragsdokument im Rahmen eines FIDIC Vertrages ist ohne Frage die technische Leistungsbeschreibung (gleich ob es sich um eine Design Specification oder eine Performance Specification handelt). Diese Dokumente entscheiden quasi über Mehrkosten und Bauzeitverlängerungen mit. Die Erstellung solcher Dokumente muss auf der Grundlage der jeweiligen FIDIC General Conditions erfolgen und erfordert vertragliche Sachkunde. Zu Beginn sollte eine Checkliste erstellt werden, die wesentliche Inhalte der Spezifikationen auflistet, die den General Conditions volle Wirkung verleihen und zudem Mehrkosten möglichst vermeiden helfen sollte. Die FIDIC General Conditions setzen voraus, dass gewisse Daten in den technischen Leistungsbeschreibungen enthalten sind, die erhebliche Vertragsrelevanz haben oder entfalten können, z.B. die Beschreibung des Leistungszweckes (purpose). Der Autor hat solche Checklisten für FIDIC 2017 und 1999 und das FIDIC Gold Book erstellt.

Die “Bill of Quantity” [das Massenverzeichnis] dient im Grunde nur zur Verpreisung und Abrechnung der Arbeiten im Aufmaß- und Einheitspreisvertrag. Sie werden in den englischsprachigen Ländern oftmals / häufig auf der Grundlage von SMM7 oder CesMM3/4 erstellt. Aus diesen Aufmaßstandstandards wurden im Lauf der Zeit Begriffe entlehnt, wie z.B. den der “Line Items” [Deutsch: Leistungspositionen] und Preliminary and General Items (P&G) [Deutsch: Allgemeine Kosten], die die Gesamtkalkulation und das Ergebnis erheblich beeinflussen können. FIDIC Verträge unterstellen in der Regel, dass Kosten in die Einheitspreise eingerechnet und darin umgelegt werden. Läßt das Vergabeinstrument es zu, Kosten von den Leistungstiteln zu entkoppeln, entstehen Effekte, die es genau im Auge zu halten gilt (z.B. Wasserhaltung soll nach Pumpenstunden abgerechnet werden).

IV. Komplette Vergabeunterlagen im internationalen Geschäft

Komplette Vergabeunterlagen für Vergaben nach FIDIC Verträgen sind über die multilateralen Entwicklungsbanken (ADB, Weltbank, etc.) erhältlich. Sie können als Orientierung dienen, solten aber nicht einfach übernommen werden, weil die Banken durchaus spezielle Absichten verfolgen, gelegentlich sehr spezielle Sektoren bedienen (wie z.B. Wasserver- und entsorgungsprojekte im Falle von DBO Vergabeunterlagen) und zudem nicht immer wirklich FIDIC konform arbeiten. Als Einstieg eignen sie sich aber durchaus gut.

V. Weitere Auskünfte

Die Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen steht Ihnen gerne zur Erarbeitung Ihres individuellen Bauvertrages oder Allgemeiner Geschäftsbedingungen zur Verfügung. Auch beantworten wir gerne Ihre Fragen zum Bauvertrag, dessen Abwicklung und Vergütung. Bitten beachten Sie, dass Regelungen des BGB, des AGB-Rechts im BGB (früher Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen), des Haustürwiderrufsrechts, der Makler- und Bauträgerverordnung und andere Regelungen Einfluss auf die Gestaltung von Bauverträgen in Deutschland haben.

Im internationalen Bauvertragsrecht wird dagegen häufig auf andere Bauvertragsmuster Bezug genommen, vor allem auf die sog.  FIDIC Conditions. Im internationalen Bereich werden Leistungsverzeichnisse häufig (fälschlich) mit “Bill of Quantity” übertitelt. Mangels eindeutiger Vergabekriterien wird mit Ausschreibungs- oder Bieterbedingungen gearbeitet. Anspruch auf eine vollständige Ausschreibung besteht in der Regel nicht, es sei denn nationales Vergaberecht sieht entsprechendes vor.

Sie finden auf diesen Seiten weitere Informationen zum VOB/B-Vertrag, zur Abrechnung von Bauleistungen etc. Darüberhinaus finden Sie auch eingehende Informationen zu FIDIC Vertragsmustern. Herr Dr. Hök ist gelisteter FIDIC Adjudicator (FIDIC President´s List), Schiedsrichter mit Erfahrung nach UNCITRAL und ICC Regeln, Mitglied von FIDIC Task Groups und war Chairman des FIDIC International Trainer Assessment (2011-2016). Er hat als Friendly Reviewer an allen drei FIDIC Büchern 2017 mitgewirkt und hat das FIDIC Design Build Subcontract Form mit entworfen. Er ist ferner maßgeblich an der Entwicklung des FIDIC Bronze Book beteiligt, das voraussichtlich in 2022 erscheinen wird.

Dr. Hök war vormals Schiedsrichter bei dem Schiedsgericht Bau in Berlin EWIV, ist Adjudicator (FIDIC President´s List, VBI Liste, FCL certified), Schiedsrichter, Mitglied des Schiedsgerichthofes der deutsch-türkischen Handelskammer; Country Representative der DRBF in Deutschland.

Bitte sehen Sie sich die vielfältigen weiteren Informationen unter der Rubrik “Fachinformationen” an.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen
Ansprechpartner: Dr.Götz-Sebastian Hök
Otto-Suhr-Allee 115,
10585 Berlin
Tel.: 00 49 (0) 30 3000 760-0
Fax: 00 49 (0) 30 513 03 819
e-mail: ed.ke1734783702oh-rd1734783702@ielz1734783702nak1734783702