Die FIDIC Books 1999 implementieren in Klausel 20 ein besonderes „Dispute Adjudication-Verfahren“ in den Bauvertrag, das dem eigentlichen Schiedsgerichtsverfahren vorgelagert ist[1]. Die 2. Auflage der FIDIC Vertragsbedingungen, 2017, ändert daran nichts; nur wurden die Regelungen zur Adjudication in Klausel 21 verschoben. Ferner enthalten die Vertragsstandards aus dem Jahr 2017 nun einheitlich Regelungen zu einem ständigen -baubegleitenden- DAB oder besser DAAB (Dispute Avoidance and Adjudication Board).
Die DABs oder DAABs dienen der kostengünstigen und beschleunigten Vermeidung und Beilegung von Streitigkeiten. Gleichzeitig sperrt die Adjudication-Klausel den Weg zu den Gerichten und den Schiedsgerichten. Zur dogmatischen juristischen Begründung für diese Sperre kann man unterschiedliche Meinungen vertreten (patcum de non petendo, fehlende Anspruchsfälligkeit, verfahrensrechtliche Parteiautonomie). Jedenfalls belegt die internationale Erfahrung, dass Unterklausel 20.4 FIDIC 1999 [Unterklausel 21.4] als zwingend erachtet wird[2]. Ausnahmen bestätigen die Regel[3].
Unterklausel 20.4 FIDC 1999 [Unterklausel 21.4 FIDIC 2017] regelt das Einverständnis und die Verpflichtung der Vertragsparteien, alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit oder aus dem Vertrag oder der Ausführung der Arbeiten, einschließlich Streitigkeiten über Bescheinigungen, Feststellungen, Anweisungen, Ansichten oder Bewertungen des Ingenieurs einem sog. Dispute Adjudication Board (DAB/DAAB) zur Entscheidung vorzulegen[4].
Nach FIDIC 1999 betreffen in der Regel die Streitfragen also einen Gegenstand, der zuvor bereits von dem Ingenieur (FIDIC Yellow Book, FIDIC Red Book), dem Besteller (Silver Book) oder Unternehmer (FIDIC Subcontract) entschieden bzw. festgestellt wurde. Im Zentrum der Dispute Adjudication Aktivitäten stehen sog. Claims (die genau genommen nichts anders sind als die Umschreibung des Umstandes, dass jemand sich eines Rechts oder Anspruchs berühmt). Claims richten sich nicht nur auf Zahlungsansprüche, sondern vor allem auf die projektspezifischen Ansprüche aus und wegen Behinderung sowie aufgrund der Veränderung der vertraglich vorausgesetzten Umstände[5]. Sie können insbesondere zur Preisanpassung oder zur Bauzeitverlängerung führen.
Die neuen Vertragsbedingungen in FIDIC 2017 sind etwas komplexer. Die Begriffe Claim und Dispute wurden definiert. Die Aufgaben des DAAB sind damit einerseits klarer beschrieben, andererseits mit einem Wortlaut, der den Zugang zu den DAAB stärker einschränkt als eventuell notwendig ist oder sinnvoll wäre.
Unter beiden Vertragswerken begründen zahlreiche Klauseln mit unterschiedlichem Wortlaut Ansprüche des Unternehmers:
- “The contractor shall give notice” – worin eine Verpflichtung liegt, deren Verletzung zum Anspruchsverlust führen kann
- “The contractor shall be entitled” – womit ausgedrückt wird, dass der Unternehmer einen Anspruch hat, der von keinem Ermessen abhängig ist
- “Subject to Clause 20.1” – womit ausgedrückt wird, dass der Anspruch davon abhängig ist, dass er in dem verfahren nach Klausel 20.1 geltend gemacht wird
- “An extension if completion is delayed” – begrenzt den Anspruch auf die tatsächliche Bauverzögerung
- “Payment of any such costs” – begrenzt den Anspruch, die dem Umstand oder Ereignis zugerechnet werden können
Klausel 20.1 FIDIC 1999 regelt das Verfahren für Claims, das der Unternehmer bei der Verfolgung seiner Ansprüche beachten muss, sowie die Folgen, die ihn treffen, wenn er die verfahrensrechtlichen Regeln für die Verfolgung von Claims missachtet. Die Verfahrensregeln nach FIDIC 2017 sind in Unterklausel 20.2 verpackt.
In beiden Fällen befindet über Claims zunächst der vertraglich vorausgesetzte und für die Zwecke des FIDIC Bauvertrages bestellte Engineer. Ist eine der Parteien mit seiner Vorprüfung und Beurteilung unzufrieden, entsteht ein Dispute. Dann kann das Dispute Adjudication Board angerufen werden (siehe auch Hök, IBR 2010, 378). Ähnliches gilt, wenn der Engineer völlig untätig bleibt. Dann kann das Dispute Adjudication Board die fehlende Beurteilung und Feststellung ersetzen. Dieser 2. Fall ist in FIDIC 2017 eindeutig geregelt; erfordert habe ein großes Maß an Einfühlungsvermögen und Verständnis für das Regelwerk, weil der kleineste Fahler mit Nachteilen sanktioniert wird.
Beispiel nach FIDIC 2017: Das Klauselwerk 2017 verlangt vom Engineer eine firstgebundene “Determination”. Überschreitet der Engineer die Frist, gilt der Anspruch als zurückgewiesen und die benachteiligte Partei muss binnen 28 Tagen eine “Notice of Dissatisfaction” abgeben. Bleibt sie aus, wird die Zurückweisung [im Zweifel] endgültig und unangreifbar.
Dispute Adjudication Boards können und sollten aber auch zur Streitvermeidung genutzt werden (siehe unten Streitvermeidung). Voraussetzung ist, dass das DAB projektbegleitend (also permanent) eingesetzt wird. Ein solches DAB war z.B. im FIDIC Red Book 1999 und im FIDIC Gold Book 2008 bereits die Regel (siehe hierzu unten IV. und VI.). Solche baubegleitende Dispute Adjudication Boards sind sehr effektive Einrichtungen zur Vermeidung von förmlichen Streitigkeiten. Sie können z.B. frühzeitig Probleme in der Bauabwicklung erkennen und eine Diskussion initiieren. Sie können aber auch Hinweise, Meinungen und Vorschläge geben bzw. unterbreiten, sofern dies beide Parteien gemeinschaftlich beantragen. Das ist oftmals erheblich kostengünstiger als ein förmliches Streitbeilegungsverfahren.
Aufgrund der positiven Erfahrungen mit solchen projektbegleitenden (also permanenten) DABs hat FIDIC sie in allen Vertragswerken aus dem Jahr 2017 als Standard eingeführt. Sie heißen jetzt DAAB (Dispute Avoidance and Adjudication Board).
- Einleitung
Dispute Adjudication[5*] ist ein besonderes Streitbeilegungsverfahren, das in Deutschland keinen besonderen gesetzlichen Hintergrund hat. Vielleicht wird Dispute Adjudication deshalb bei uns als Teil der Mediation behandelt, jedenfalls aber in der deutschen Fachliteratur nur selten als besondere Form der Streitbeilegung besprochen[6]. Ihr Vorbild hat sie jedenfalls im angelsächsischen Recht bzw. in der angelsächsischen Kautelarpraxis[7].
Mangels eines spezifischen gesetzlichen Hintergrundes besteht Vertragsfreiheit und damit Typenfreiheit. Folglich darf das FIDIC-Streitbeilegungsverfahren nicht vorschnell kategorisiert werden. Die Dispute Adjudication ist nicht bloß Mediation[8], denn die Streitbeilegungsstelle fällt Entscheidungen[9], die nicht nur Empfehlungscharakter sondern Bindungswirkung haben[10]. Das bringen z.B. die ADR-Regeln der ICC nicht zum Ausdruck, so dass sie eher ungeeignet sind, Lücken der FIDIC-Dispute-Adjudication aufzufüllen. Hingegen enthält z.B. die Schlichtungsordnung der Deutsche Gesellschaft für Baurecht eine Regelung, der zufolge der Schlichter ausdrücklich eine Entscheidung zu fällen hat, wobei hinsichtlich der Durchsetzung der Entscheidung auf die staatlichen Gerichte verwiesen wird. Adjudication ist auch kein Schiedsgutachtenverfahren, wenngliech es Ähnlichkeiten gibt. Jedenfalls kann aber Adjudication nur im Rahmen der durch Gesetz und Rechtsprechung vorgebenen Bedingungen ausgeübt werden.
In Deutschland besteht anders als in verschiedenen australischen Rechtsordnungen, England und Wales, Irland, Malaysia, Singapore, und Neuseeland keine generelle Pflicht der Bauvertragsparteien zur Vereinbarung außergerichtlicher Streitbeilegungsmodelle. Allerdings kann nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (EGZPO) durch Landesgesetz bestimmt werden, dass in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht bis zu einem Streitwert von 750 € sowie in bestimmten Nachbarrechts- und Ehrverletzungsstreitigkeiten die Erhebung einer Klage erst zulässig ist, nachdem vor einer anerkannten Gütestelle ein Einigungsversuch stattgefunden hat. In solchen Fällen ist eine vor den ordentlichen Gerichten erhobene Klage als unzulässig abzuweisen. Doch haben nicht alle Bundesländer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen außergerichtlichen Einigungsversuch zwingend vorzuschreiben. Dispute Boards fehlt im Übrigen im Zweifel die Anerkennung als Gütestelle.
Für das gerichtliche Verfahren erster Instanz sieht § 278 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor, dass der (streitigen) mündlichen Verhandlung zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits grundsätzlich eine Güteverhandlung vorausgeht. Das gilt nur dann nicht, wenn die Güteverhandlung keinen Erfolg verspricht, weil bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden hat – z. B. aufgrund eines Landesgesetzes gemäß § 15a EGZPO – oder eine Güteverhandlung aus sonstigen Gründen erkennbar aussichtslos erscheint. In geeigneten Fällen kann das Gericht den Parteien nach § 278 Absatz 2 ZPO anstelle der Güteverhandlung eine außergerichtliche Streitbeilegung vorschlagen (§ 278 Absatz 5 Satz 2 ZPO). Soweit die Parteien nach Auffassung des Gerichts eine Schiedsgutachtenvereinbarung getroffen haben, kann das Gericht ggf. nach §§ 431, 356 ZPO analog verfahren oder auch die Klage als nicht fällig abweisen.
In England und Wales sowie erheblich später in Irland hat dagegen „Dispute Adjudication“ eine gesetzliche Regelung erfahren[11]. Danach müssen alle Bau- und Architektenverträge in Bezug auf Bauvorhaben im territorialen Anwendungsbereich des Gesetzes zwingend eine Adjudication-Clause enthalten[12], anderenfalls tritt die gesetzliche Regelung an die Stelle der fehlenden Klausel. Allerdings bleibt auch diese gesetzliche Regelung rudimentär[13]. Der englische HGCRA 1996 regelt die Kompetenzen der Schlichter und setzt ihnen kurze Fristen für die Entscheidungsfindung[14]. Tritt zwischen den Parteien eines Bauvertrages ein Streit oder eine Meinungsverschiedenheit auf, so kann eine Partei das Schlichtungsverfahren eröffnen, indem sie bei dem im Bauvertrag benannten Adjudicator (Schlichter) einen Antrag stellt[15]. Sollte im Bauvertrag kein Schlichter benannt sein, muss eine benennende Instanz den Schlichter bestimmen[16]. Hierbei handelt es sich in der Regel um ein unabhängiges Institut, also um eine Art Kammer, in der die jeweiligen Berufsfachgruppen vertreten sind[17]. Zu verschienden Problemfragen der englischen Dispute Adjudication sind u.a. folgende Kurzbeiträge in der IBR erschienen:
- Hök, Klagbarer Anspruch auf Erfüllung des Adjudicator-Spruch als Lösungsansatz!, IBR Werkstattbeitrag
- Hök, Keine „rough justice“ bei privater Dispute Adjudication!, IBR 2007 1064
- Hök, Adjudication: Keine ungezügelte Vollstreckung aus summary proceedings!, IBR 2007, 1063
- Hök, FIDIC Dispute Adjudication in Deutschland, IBR 2010, 378
Auch bei der FIDIC-ADR handelt es sich um einen alternativen Modus zur Streitbeilegung außerhalb der staatlichen Gerichte und Schiedsgerichte. Die Parteien müssen das Dispute Adjudication Board (DAB) bzw. die Streitbeilegungsstelle allerdings ausdrücklich vereinbaren (vgl. Streitbeilegungsvereinbarung in den FIDIC Books) und selbständig festlegen, wie ein solches Verfahren ablaufen soll. Haben sie dies getan, kann das Streitbeilegungsverfahren nicht umgangen werden. Erst wenn das DAB befasst war und eine Entscheidung erlassen hat, kann das Schiedsgericht angerufen werden. Insoweit regelt das Vertragswerk eine temporäre Beschränkung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter. Klausel 20 enthält einige wenige Regelungen für das Verfahren vor dem DAB; im Übrigen wird in den FIDIC Books auf den Anhang „Verfahrensrechtliche Regelungen“ verwiesen, der über die Streitbeilegungsvereinbarung die Bauvertargspartienen und das DAB bindet. Das Streitbeilegungsgremium wird darin ermächtigt, sich seine Verfahrensregeln selbst zu geben, soweit diese nicht in Klausel 20.2 bis 20.4 FIDIC 1999 [Unterklausel 21.1 bis 21.4 FIDIC 2017] und dem genannten Anhang enthalten sind. Die Streitbeilegungsstelle wird entweder für die gesamte Bauzeit bestellt (Red Book) und ist mithin jederzeit einsatzbereit oder sie arbeitet als ad hoc-Einrichtung (Yellow Book, Silver Book 1999), die nur im Bedarfsfall bestellt wird[18].
Sinn und Zweck der Dispute Adjudication besteht auch darin, das Zahlungsverhalten der Auftraggeber zu beschleunigen. Der Unternehmer soll bereits aus dem vorläufig bindenden DAAB-Spruch Zahlung verlangen können, und zwar ohne jede Sicherheitsleistung. In den Common Law Staaten wird dies dadurch gewährleistet, dass derjenige, der einen Anspruch aus dem DAAB-Spruch herleitet, die staatlichen Gerichte anrufen kann. Durch die Vorlage des DAB-Spruches hat die Verteidigung des Schuldners gegenwärtig keine Aussicht auf Erfolg, so dass z.B. ein englisches Gericht gemäß Part 24 CPR (Civil procedure Rules) ein sog. summary judgment erhalten kann, aus dem er unverzüglich Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten kann. Dieses Vorgehen ist auch aus einem vorläufig bindenden DAB-Spruch statthaft. Im Rahmen der FIDIC Dispute Adjudication wird die Existenz einer solchen Möglichkeit nicht zwingend vorausgesetzt. Im Falle der Nichtbeachtung des DAB-Spruches kann aber das Schiedsgericht angerufen werden (vgl. Klausel 20.7 FIDIC 1999). Der ICC Spruch Nr. 10619 beschreibt einen Weg, wie DAB Sprüche vor Schiedsgerichten durchgesetzt werden können. Die Probleme mit der Vollziehung von DAAB Sprüchen nach Maßgabe von FIDIC 2017 sind nunmehr vollständig ausgeräumt.
- Streitbeilegungsstelle
- Besetzung
Ein DAB oder DAAB ist entweder ein Gremium von drei erfahrenen, angesehenen, unparteilichen und unabhängigen Entscheidungsträgern oder es kann auch mit nur einer Person besetzt werden. Das einvernehmliche Bestellungsverfahren ist in Klausel 20.2 FIDIC 1999 eingehend geregelt. Entsprechende Regelungen finden sich in Unterklausel 21.1 FIDIC 2017. Es variert, je nach dem, ob das FIDIC Red Book 1999 oder das FIDIC Yellow Book 1999 eingesetzt wird. Die neue FIDIC Generation unterscheidet nicht mehr. Nach FIDIC 1999 sah nur das FIDIC Red Book ein permanentes DAB vor, während das FIDIC Yellow Book ein sog. ad hoc DAB regelte, das nur im Streitfall ernannt wird. Die Regelungen in FIDIC 2017 sehen einheitlich für alle Vertragswerke ständige DAABs vor.
Wurde ein dreiköpfiges DAB / DAAB vereinbart, hat jede Partei das Vorschlagsrecht für eine DAB Mitglied. Nachdem zwei Mitglieder bestellt wurden, sollen diese sich auf einen gemeinsamen Vorschlag für das dritte Mitglied einigen, das von den Parteien bestätigt werden muss.
- Ernennungsstelle
Der Anhang zum Angebot (Appendix to Tender nach FIDIC 1999) oder die Vertragsdaten (Contract Data nach FIDIC 2017) benennt den Präsidenten von FIDIC als Autorität für die Benennung der Mitglieder der Streitbeilegungsstelle, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren und sich nicht auf die Mitglieder der Streitbeilegungsstelle einigen können (vgl. auch Klausel 20.3 FIDIC 1999 oder Klausel 21.2 FIDIC 2017). Seit Mitte 2008 existiert auch eine Liste deutschsprachiger Adjudicatoren, die bei dem Verband der Beratenden Ingenieure (VBI) geführt wird. Der VBI kann auch als Ernennungsstelle fungieren (siehe unten).
Klausel 20.3 FIDIC 1999 (oder Klausel 21.2 FIDIC 2017) sieht also ein echtes Ernennungsrecht vor. Die Parteien müssen akzeptieren, wen die Benennungsstelle (üblicherweise FIDIC) benennt[19].
- Permanente DABs
Die Mitglieder des permanenten Red Book DAB (1999) sollen vor Aufnahme der Bauarbeiten bestellt werden und treffen sich regelmäßig auf der Baustelle. Die DAB-Mitglieder erhalten die Vertragsunterlagen, Plänen und Spezifikationen, machen sich mit den Baubeteiligten und den Projektabläufen vertraut und werden bezüglich des Baufortschritts auf dem Laufenden gehalten. Das ständige DAB trifft sich regelmäßig mit den Baubeteiligten und fördert die frühzeitige Streitbeilegung auf Arbeitsebene. Tritt ein Streit auf, wird er dem DAB zur Entscheidung vorgelegt.
Das (permanente) DAB hat konzeptionell vor allem vier wesentliche Aufgaben:
- Regelmäßige Besuche der Baustelle, um sich mit den Details des Vorhabens vertraut zu machen
- Fortwährende Informationen über die Aktivitäten, den Fortschritt, die Entwicklung und die Probleme auf der Baustelle
- Förderung der einvernehmlichen Streitbeilegung
- Bei Auftreten einer Streitigkeit das Abhalten einer Verhandlungstermins, Vervollständigung der Überlegungen und Vorbereitung einer Entscheidung in sachgerechter und zeitlich vertretbarer Weise
Die Regelungen in FIDIC 2017 verändern die Grundprinzipien nicht. FIDIC hebt allerdings die Streitvermeidungsfunktion von DAABs erheblich hervor. Davonzeugt die eigens geschaffene Unterklausel 21.3 [Avoidance of Disputes].
- Ad Hoc DABs
Die Vertragsbedingungen 1999 für Design & Build Verträge von FIDIC (Yellow Book und Silver Book) sahen nur ein ad hoc DAB vor. Aufgrund der Erfahrungen in den letzten 10 Jahren neigte FIDIC bald dazu, für alle Arten von Verträgen ständige DABs zu bevorzugen. Das zeigt sich bereist in dem in 2008 veröffentlichten FIDIC Gold Book.
Wird allerdings ein ad hoc DAB vereinbart, muss es für jeden individuellen Streit neu bestellt werden, es sei denn es besteht bereits ein DAB, vor dem ein Streit verhandelt wird. Hat das DAB bereits eine Entscheidung gefällt, kann kein neuer Dispute nachgeschoben werden. Es muss das DAB erneut bestellt werden.
- Auswahl der Adjudicatoren
Die geeigneten Mitglieder eines DAB zu finden mag insbesondere dann schwierig sein, wenn keine dementsprechende internationale Erfahrung vorhanden ist. In der Praxis achten die Parteien darauf, welche fachlichen Qualifikationen gefordert sind (Civil Engineer, Mechanical Engineer, Lawyer, etc.), welche persönlichen Erfahrungen die Kandidaten mitbringen, welche vertragsrechtlichen Kenntnisse vorhanden sind und im speziellen, ob sich durch Veröffentlichungen erkennen lässt, welche Haltung der Kandidat zu einzelnen Fragen zu erkennen gegeben hat. Selbstverständlich spielen ferner Fragen der Unparteilichkeit, Sprachkenntnisse und Verfügbarkeit eine Rolle. Psychologische und kulturelle Kenntnisse sind ebenfalls durchaus von Vorteil. Die Benennungslisten verschiedener Organisationen helfen bei der Vorauswahl, z.B. wenn im Rahmen von Bieterverfahren Vorschläge für die Besetzung des DAB unterbreitet werden sollen.
Selbstverständlich können solche Listen keine Einzelfallprüfung ersetzen. Zu achten dürfte sein u.a. auf Verfahrenskenntnisse, Ingenieurkenntnisse, Sprachkenntnisse, FIDIC Kenntnisse, Integrität, kulturellen Hintergrund, etc.
- Aufgabenstellung
Aus englischer Sicht hat der sog. Adjudicator in etwa die Aufgaben, die zuvor in den älteren Standardbedingungen dem Ingenieur (Engineer z.B. gemäß Red Book 1987) vorbehalten waren[20]. Der Adjudicator soll entscheiden, ob nach den Umständen des Streitfalles ein bestimmtes Recht besteht und durchgesetzt werden sollte. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, ist der Adjudicator nicht befugt, den Vertrag anzupassen, zu verändern oder zu ergänzen. Die Rechtsmacht des Adjudicators beruht auf dem Vertrag und ist durch ihn beschränkt und entspricht mithin der eines Vertragsadministrators, Ingenieurs oder Architekten, der mit der Streitbeilegung beauftragt ist[21]. In der FIDIC-Rainbow Edition 1999 hat der Ingenieur diese Funktion erstmals an das DAB abgegeben, wenngleich er nach FIDIC 1999 weiterhin „Entscheidungsaufgaben“ wahrnimmt. Das DAB übernimmt im Grunde genommen eine Art Kontrollfunktion, die ohne die Tätigkeit des Ingenieurs nicht denkbar ist[22].
Das Dispute Adjudication Board ist kein Forum, vor dem mit allem Nachdruck auf höchstem juristischen Niveau gestritten wird. Es soll sich auf die sach- und fachkundige Beurteilung des baurechtlichen Streitgegenstandes beschränken und konzentrieren. Das DAB wird in der Regel keinen Wert auf große Förmlichkeiten legen. Die Verfahrensführung und die mündliche Anhörung wird sich an praktischen Gesichtspunkten orientieren. Eine Ortsbesichtigung ist häufig ein selbstverständlicher Bestandteil des Verfahrens. Das DAB hat investigative Befugnisse und wird von ihnen in der Regel Gebrauch machen.
Die in FIDIC 2017 eingeführten DAABs (Dispute Avoidance and Adjudication Board) üben eine vergleichbare Funktion aus, allerdings mit stärkerer Hinwendung zur Streitvermeidung.
- Sperrwirkung
FIDIC Adjudication ist dem Schiedsgerichtsverfahren vorgeschaltet. Das folgt aus Klauseln 20.2 bis 20.6 FIDIC 1999 oder Klauseln 21.1 bis 21.6 FIDIC 2017. Die Frage ist, ob sie Schiedsgerichtsverfahren verhindern kann, die vor Durchführung eines DAB Verfahrens eingeleitet werden. Der Wortlaut der Klauseln 20.6 FIDIC 1999 und FIDIC 2017 schlägt dies vor. Das hat das schweizerische Bundesgericht im Jahr 2014 bestätigt (BGE, Urteil v. 7.7.2014, 4A_124/2014); a.A. Doosan Babcock Limited v. Comercializadora de Equipos y Materiales Mabe Limitada, High Court (England), Urteil v. 11.10.2013, HT-13-370 (TCC), [2013] EWHC 3010 = IBR 2014, 1203 – Hök, die das BGE nicht geteilt hat).
Die Frage war allerdings, welches Recht zur Beurteilung dieser Frage heranzuziehen war. Im konkreten Fall hat das Schiedsgericht nach seinem Ermessen entschieden, schweizerisches Recht auf die gesamte Schiedsgerichtsklausel anzuwenden. Damit hat es die lex causae, namentlich das vereinbarte Vertragsstatut verdrängt. Sodann erschien dem Bundesgericht die Anwendung zweier Rechtordnungen künstlich. Es nahm deshalb davon Abstand, mit Blick auf Art. 178 II IPRG das anhängige Schiedsverfahren einerseits und das ihm voraus(zu)gehende Mediationsverfahren lato sensu auf der anderen Seite unterschiedlich zu behandeln, insbesondere da zu entscheiden war, ob das letztere eine zwingende Vorbedingung des ersteren ist. Insoweit beruft sich das Bundesgericht darauf, dass hinsichtlich des anwendbaren Rechts Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung diese beiden Verfahren nicht voneinander unterscheiden. Aus Sicht des Bundesgerichts müsse eine einheitliche Rechtsordnung Klausel 20 FIDIC 1999 Anwendung finden, denn dort sei das Adjudication Verfahren und das Schiedsgerichtsverfahren gesamtheitlich geregelt.
Die vor-schiedsgerichtliche Phase und das nachfolgende Schiedsverfahren unterschiedlichen Rechtsordnungen zu unterwerfen, erachtet das Bundesgericht „zweifelsohne als unzweckmäßig und könnte die Entscheidung über die zwischen den Parteien bestehende Streitigkeit unnötig komplizieren insoweit als das Schiedsgericht den Vorteil der Wahl nach Artikel 178 (2) IPRG verlieren würde, wenn es gezwungen wäre die zwingenden Vorschriften der lex causae in Bezug auf die vorausgehende Mediationsphase zu berücksichtigen, wenn es über seine Gerichtsbarkeit entscheiden muss“. Das Bundesgericht fügt hinzu, dass dies gerade dann fragwürdig sein würde, wenn das Schiedsgericht gezwungen wird, eine Regelung der Zivilprozeßordnung des Landes anzuwenden, dessen Recht den Gegenstand der Streitigkeit beherrscht, zumal das Recht des Landes, in dem eine Partei seinen Sitz hat, um zu entscheiden, ob eine alterative allumfassende Streitentscheidungsklausel, die von einer internationalen Einrichtung entworfen wurde, zwingend oder fakultativ ist. Das Bundesgericht nahm daher davon Abstand.
III. Gerichtsbarkeit
Ein sich stetig entwickelnder Problempunkt der Adjudication ist in dem Umstand begründet, dass sie ihre Grundlage lediglich in dem Bauvertrag hat. Wie bereits erwähnt, hat Dispute Adjudication in Deutschland keine gesetzliche Grundlage. FIDIC orientiert sich an anglo-amerikanischen und englischen Vorbildern (vgl. HGCRA 1996). Dort wird eine Adjudication Clause als „jurisdiction clause“ verstanden. Das hat zwei Folgen. Zum einen muss das DAB seine Gerichtsbarkeit prüfen, wenn es angerufen wird, und zum anderen dient die Klausel als Einwand gegen die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte und der Schiedsgerichte.
Der Umstand, dass sich eine Vertragspartei auf einen Anspruch beruft und ihn anzeigt, genügt nicht, um die Gerichtsbarkeit zu öffnen[23]. Es muss ein Streit (dispute) vorliegen, damit das DAB tätig werden kann (vgl. Klausel 20.2 FIDIC Books 1999 und Klausel 21.1 FIDIC 2017).
Die Anzeige eines Claims wahrt folglich lediglich die Anspruchsfrist (vgl. Klausel 20.1 FIDIC 1999 oder Klausel 20.2 FIDIC 2017). Die daraufhin erfolgende Festlegung (determination) des Ingenieurs (Klausel 3.5 FIDIC 1999 oder Klausel 3.7 FIDIC 2017) ist bindend und bleibt dies, wenn sie nicht aufgehoben wird. Damit nun ein Streit (dispute) vorliegt, muss der angemeldete Anspruch nicht nur zurückgewiesen worden sein. Er muss auch ausdrücklich weiterverfolgt werden[24]. Deutlich wird dies im Silver Book, wonach der Contractor innerhalb von 14 Tagen seine Unzufriedenheit erklären muss, bevor ein dispute vorliegt (Klausel 3.5 Silver Book 1999). In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass die fehlende Gerichtsbarkeit des DAB gerügt wird[25].
Folglich stellt sich die Frage, wie generell mit dem Problem der Gerichtsbarkeit des DAB / DAAB umzugehen ist. Besteht z.B. kein Vertrag, fehlt es an der Gerichtsbarkeit oder Zuständigkeit des Adjudicators[26]. Weitere praktische Streitpunkte mit Auswirkung auf die Gerichtsbarkeit sind die vertragswidrige Besetzung des DAB / DAAB, die Reichweite der Adjudication-Klausel (der Streitgegenstand betrifft mithin nach Auffassung einer oder beider Parteien einen Aspekt, der keine ausreichende Grundlage im Vertrag hat), das Fehlen einer Streitigkeit[27] oder die Identität mit einer bereits entschiedenen Streitgegenstand (z.B. wird aus einem Vorgang, der ursprünglich als Anspruch auf Zeitverlängerung anhängig war später ein Anspruch auf Mehrvergütung hergeleitet)[28]. Englische Gerichte haben für solche Fälle folgenden Weg aufgezeichnet[29]:
- Das DAB kann die Herausforderung ignorieren und sich so verhalten als bestehe Gerichtsbarkeit; damit überlässt er den Gerichten die Entscheidung über die Gerichtsbarkeit
- Befasst er sich mit der Frage der Gerichtsbarkeit, muss er sich dazu eine eigene Meinung bilden und seine Entscheidung begründen.
- Bejaht er seine Zuständigkeit und entscheidet er über den Streitgegenstand, können die Parteien die Entscheidung mit der Begründung angreifen, es bestand keine Gerichtsbarkeit.
- Verneint er seine Gerichtsbarkeit, wird er keine Entscheidung über den Streitgegenstand fällen. Allerdings kann dann die beschwerte Partei die Gerichte anrufen, um ihr Recht auf ein DAB-Verfahren klären zu lassen.
In der Regel wird es begrüßt, wenn sich das DAB mit der Frage der Gerichtsbarkeit befasst. Ein solches Verhalten wird als umsichtig betrachtet. Fehler können im Instanzenzug korrigiert werden. In der Praxis werden Ingenieure aber nur selten über vertiefte Rechtskenntnisse verfügen. Nur wenn ein Jurist im DAB mitwirkt, besteht folglich die Gewähr, dass auch solche Fragen sachgerecht entschieden werden.
- Streitvermeidung
Zunehmend setzt sich die Idee durch, das Dispute Boards nicht nur Streitentscheidungsaufgaben sollten sondern vielmehr auch streitvermeidend wirken sollten (siehe unten). FIDIC Verträge sehen Streitvermeidungsaktivitäten für sog. Permanent Boards ausdrücklich vor. Die Parteien können dem DAB zu jeder Zeit gemeinsam Fragen zur Beurteilung vorlegen. Empfehlungen und Gutachten des DAB sind nicht bindend. Sie können allerdings die Austragung von Streitigkeiten nachhaltig vermeiden. Dispute Boards können aber auch gelegentlich initiativ werden, wenn sich Streitigkeiten abzeichnen.
In der Praxis haben sich solche ständige DABs durchaus und nachhaltig bewährt. Durch ihre regelmäßige Präsenz auf der Baustelle entsteht ein Informations- und Wissensaustausch, den die Parteien nutzen können, um Streitigkeiten zu vermeiden. Hinzu kommt, dass das DAB kontinuierlich über den Baufortschritt und begleitende Probleme unterrichtet ist, Ortskenntnis besitzt und schnell auf Fragen antworten kann. Die zusätzlichen Kosten eines ständigen DABs fallen gegenüber denen eines förmlichen Dispute Verfahrens kaum ins Gewicht. Zudem entfallen häufig zeitintensive Zeugenbefragungen, weil das DAB ohnehin eigene Ortskenntnisse besitzt.
Über die Wahrnehmungen des ständigen DAB sind die Parteien stets unterrichtet, weil das DAB vor dem Verlassen der Baustelle einen Baustellenbericht erstatten muss, der über sämtliche Wahrnehmungen des DAB Auskunft geben soll. Dieser Wahrnehmungsbericht muss nicht mit den Parteien abgestimmt werde; sie bleiben völlig frei, den Sachverhalt darzulegen oder Hinweise darauf zu geben, ob und weshalb DAB Wahrnehmungen korrigiert werden sollten.
Die Regelungen in den FIDIC Vertragswerken 2017 greifen die Streitvermeidung gleich zwei Mal auf. Wenn sich die Parteien darauf einigen, können sie gemeinschaftlich bei dem DAAB um Mithilfe nachsuchen. Das kann sich auf Diskussionen beschränken oder gar in konkrete Anstrengungen zur Streitbeilegung münden. Derartige informelle Unterstützung kann anlässlich von Baustellenbesuchen oder anderen Treffen geleistet werden. Unterklausel 21.5 FIDIC 2017 regelt die bereits bekannte Möglichkeit zur Streitbeilegung vor Anrufung des Schiedsgerichts.
- Verfahren
Das DAB/DAAB-Verfahren wurde als vorgezogenes Streitbeilegungsverfahren konzipiert. Folglich sollte das Verfahren so ausgestaltet sein, dass für alle Streitfragen ein schneller und einfacher Zugang zum DAB besteht, die nicht auf der Arbeitsebene beigelegt werden können. Vorhergehende andere Überprüfungen und interne Vorprüfungen sind mit dem DAB/DAAB-Verfahren unvereinbar und kontraproduktiv.
Auffälligste Kennzeichen des DAB/DAAB-Verfahrens sind die große Parteiautonomie und das den Mitgliedern der Streitbeilegungsstelle eingeräumte breite Ermessen zu Verfahrensfragen. Letzteres äußert sich vor allem darin, dass die Streitbeilegungsstelle den verfahrensrechtlichen Rahmen selbst festlegt und zum Beispiel über Fristen, die Sachverhaltsaufklärung und die Verwendung von Beweismittel frei entscheidet. Das Ermessen wird lediglich durch allgemeine Grundsätze gebunden. Zu nennen sind vor allem Treu und Glauben, die Unparteilichkeit der Mitglieder der Streitbeilegungsstelle sowie der Vertrag, der ihnen die Autorität verleiht, als DAB/DAAB tätig zu werden.
- Einleitung des Verfahrens
Gemäß Klausel 20.4 FIDIC 1999 / FIDIC 2017 können die Parteien bei Auftreten einer Streitigkeiten im Zusammenhang mit oder aus dem Vertrag oder der Ausführung der Arbeiten, einschließlich Streitigkeiten über Bescheinigungen, Feststellungen, Anweisungen, Ansichten oder Bewertungen des Ingenieurs, diese der Streitbeilegungsstelle zur Entscheidung vorlegen. Die Vorlage hat schriftlich zu erfolgen und sowohl die andere Partei als auch der Ingenieur müssen Kopien davon mit dem Hinweis erhalten, dass diese gemäß Unterklausel 20.4 FIDIC 1999/2017 übergeben werden. Damit beginnt das Verfahren.
Zunächst muss aber ein Dispute Adjudication Board bestellt werden. Gelegentlich stellt sich schon das als schwierig heraus, wenn z.B. eine Partei es ablehnt, mit den von FIDIC als Benennungsstelle bestellten Mitgliedern des DAB ein Dispute Adjduciation Agreement abzuschließen. In der Praxis fühlt sich dann das bestellte DAB allerdings nicht daran gehindert, seine Aufgaben wahrzunehmen.
- Fairness, Unparteilichkeit und Vertragsmäßigkeit
Die Mitglieder des DAB sollen fair und unparteiisch arbeiten und allen Parteien angemessen Gelegenheit geben, ihre Argumente vorzutragen. Beide Parteien wiederum verpflichten sich in den Allgemeinen Streitbeilegungsbedingungen dazu, die Mitglieder des DAB/DAAB nicht außerhalb des DAB/DAAB-Verfahrens zu konsultieren und um Rat zu fragen. Ergänzend kann man hinzufügen, dass das DAB die allgemeinen Regeln eines justizförmigen Verfahrens beachten muss. Das bedeutet, dass das DAB sein Verfahren, sein Vorgehen und sein Verhalten jederzeit darauf überprüfen muss, ob es die Gebote der Fairness, der Unparteilichkeit und der Gesetzmäßigkeit beachtet. Im englischen Recht werden diese Gebote unter den Begriff von „natural justice“ gefasst. Das DAB darf deshalb zwar Fehler machen, doch niemals darf es die Schranken der „natural justice“ überschreiten. Entscheidungen, die unter Verstoß gegen „natural justice“ zustande kommen, sind gerichtlich aufzuheben. Solche Fälle liegen z.B. vor, wenn das DAB/DAAB informative Gespräche mit einer Partei und dritten Personen führt, ohne die Ergebnisse der Erörterung der anderen Partei mitzuteilen[30]. In einem anderen Fall verfügte das DAB über keine ausreichenden Informationen, um über Time Extension zu entscheiden[31]. Daraufhin nutzte das DAB seine eigene Erfahrung, um eine Zeitanalyse anzustellen. Das DAB gab den Parteien keine Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Durchsetzung dieser DAB-Entscheidung scheiterte am Grundsatz von „natural justice“[32].
- Durchführung des Verfahrens
Während des Verfahrens müssen gemäß Klausel 20.4 FIDIC 1999/2017 beide Parteien der Streitbeilegungsstelle unverzüglich weitere Informationen zur Verfügung stellen sowie Zugang zur Baustelle und weiteren Einrichtungen gewähren, wenn das zur Entscheidungsfindung durch die Streitbeilegungsstelle erforderlich ist. Das DAB macht die Informationen den Parteien zugänglich, beraumt den Verhandlungstermin an, ordnet Beweiserhebungen an und setzt Fristen zur Stellungnahme. Die Fragen der Beweiserhebung sind weitgehend ungeregelt. Vor allem die Frage nach möglichen Kreuzverhören, eidlichen Aussagen und das Thema der sog. discovery proceedings, die im anglo-amerikanischen Recht die wechselseitige vorprozessuale vollständige Information über die Faktenlage sicherstellen sollen, sollten innerhalb des DAB geklärt werden. Das DAB/DAAB kann auf strenge Förmlichkeiten verzichten.
Innerhalb von 84 Tagen nach Zugang des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes oder innerhalb der von der Streitbeilegungsstelle vorgeschlagenen und von beiden Parteien genehmigten Frist muss die Streitbeilegungsstelle eine Entscheidung erlassen und mitteilen, die begründet ist und anzugeben hat, dass es sich um eine Entscheidung nach Unterklausel 20.4 FIDIC 1999/2017 handelt. Letzteres ist wesentlich, um den Parteien die Notwendigkeit aufzuzeigen, ggf. eine Notice of Dissatisfaction abzugeben.
- Einzelheiten des Verfahrens
Wie bereits erwähnt, gibt FIDIC nur wenige konkrete Regeln für den Verfahrensablauf und die Organisation des Streitbeilegungsverfahrens vor. Falls –wie in England, Schottland und Wales[33]– ergänzend gesetzliche Vorschriften existieren, müssen diese mit beachtet werden.
Wird das DAB/DAAB angerufen, soll es einen Verhandlungstermin anberaumen. Der FIDIC Vertragswortlaut ordnet allerdings nicht zwingend ein Verfahren an. Das DAB/DAAB bestimmt Ort und Zeit der Verhandlung unter Berücksichtigung der vertraglich vorgesehenen Entscheidungsfrist von 84 Tagen. Ferner ordnet das DAB an, welche Dokumente und Darlegungen bis zum Termin oder im Termin vorgebracht werden sollen. Es ist eine mehr oder weniger ungeschriebene zwingende Voraussetzung des DAB-Verfahrens, dass das DAB die Initiative zur Sachverhalts- und Rechtsaufklärung übernehmen kann[34]. Dies kommt auch in entsprechenden Muster-Verfahrensordnungen zum Ausdruck (vgl. Rule 7 CEDR Adjudication Rules). Weitere zentrale Fragen des FIDIC-DAB-Verfahrens sind im Anhang Verfahrensrechtliche Fragen (Annex Procedural Rules) geregelt. Das FIDIC-DAB kann danach –es sei denn die Parteien haben etwas anderes vereinbart[35]–
- ein inquisitorisches Verfahren durchführen,
- es ablehnen bestimmte Personen in Anhörungen und Verhandlungsterminen zuzulassen,
- in Abwesenheit der Parteien verhandeln, wenn es davon überzeugt ist, dass diese geladen wurden
Es steht in seinem Ermessen, ob das DAB/DAAB von einzelnen Ermächtigungen Gebrauch machen will. Spätestens sobald die Streitbeilegungsstelle angerufen wird, ist zu klären, welche ergänzenden Verfahrensregeln beachtet werden müssen. Die FIDIC-Bedingungen ermächtigen das DAB/DAAB, das Verfahren eigenverantwortlich näher auszugestalten. Das DAB ist u.a. berechtigt[36]:
(a) das zur Entscheidung der Streitigkeit anzuwendende Verfahren zu etablieren,
(b) über die eigene Zuständigkeit und den Umfang einer ihr angetragenen Streitigkeit zu entscheiden,
(c) nach eigenem Ermessen Anhörungen anzuordnen, ohne an andere Regelungen oder Verfahrensweisen – außer an den im Vertrag enthaltenen und den hier beschriebenen – gebunden zu sein,
(d) die zur Entscheidung notwendigen Fakten selbständig zu ermitteln,
(e) gegebenenfalls von eigenem Expertenwissen Gebrauch zu machen,
(f) über die Bezahlung von Finanzierungskosten in Übereinstimmung mit dem Vertrag zu entscheiden,
(g) über eine vorläufige Entlastung wie Zwischen- oder Erhaltungsmaßnahmen zu entscheiden und
(h) jedes Zertifikat, jede Entscheidung, Bestimmung, Anweisung, Ansicht oder Bewertung des Ingenieurs, wenn für die Streitigkeit relevant, erneut aufzunehmen, erneut zu überprüfen und zu überarbeiten.
Das DAB/DAAB entscheidet mithin, ohne an die zuvor nach Klausel 3.5 FIDIC 1999 oder Klausel 3.7 FIDIC 2017 getroffenen Festlegungen des Ingenieurs gebunden zu sein. Ungeregelt ist, ob der Ingenieur als Zeuge angehört werden kann. Im Schiedsgerichtsverfahren gilt Klausel 20.6 FIDIC 1999/2017, wonach der Ingenieur jederzeit als Zeuge benannt und gehört werden kann. Folglich sollte dies auch für das DAB-Verfahren gelten.
Ein Blick auf ähnliche Regelwerke, wie das der ICC, belegt, dass auch diese auch keine konkreteren Spielregeln als die FIDIC-Bücher aufstellen[37]. Zwar können die ICC-ADR-Regeln nicht nur für die Mediation sondern auch für Verfahren, in den Empfehlungen (über technische Fragen, Rechtsfragen und Tatsachen) ohne Bindungswirkung ausgesprochen werden, sowie für Dispute adjudication und ähnliche oder kombinierte verfahren genutzt werden, doch gedacht sind sie vor allem für alle Formen der Mediation[38]. Die ICC erlegt es den Parteien und dem „Neutralen“ auf, unverzüglich über die anwendbare Streitbeilegungsmethode zu verhandeln, sich auf eine solche zu einigen und eine bestimmte ADR-Prozedur festzulegen. Falls sich die Parteien nicht einigen können, ordnen die ICC ADR-Regeln die Durchführung der Mediation an. Das Verfahren wird in der von dem „Neutralen“ für geeignet angesehenen Art und Weise geführt.
In der Praxis empfiehlt es sich analog zum englischen Recht, dass das DAB im FIDIC-Kontext jedenfalls folgende ergänzende Verfahrensregeln etabliert:
- Regeln zu Bestellung von Sachverständigen (z.B. vorherige Anhörung der Parteien zur Person des Sachverständigen und zum Anlass der Bestellung)
- Regeln zur Fristsetzung für Schriftsätze der Parteien (namentlich von Ausschlussfristen)
- Regeln zur Augenscheinnahme (z.B. rechtzeitige Bekanntgabe eines Ortstermins, damit die Parteien daran teilnehmen können)
- Zulassung von Sprachen (bezüglich der Dokumente die vorgelegt werden, Zeugen, die vernommen werden etc.)
- Regeln zur Durchführung von Tests und Untersuchungen (insbesondere bezüglich der Parteibeteiligung)
- Regeln zur Verwendung von Dokumenten und Zeugenaussagen, ohne dass die Parteien angehört werden (z.B. Verwendungsverbot in Bezug auf Dokumente und Zeugenaussagen, die den Parteien nicht zuvor zugänglich gemacht wurden[39])
- Zulassung oder Verbot des Kreuzverhörs
- Bei komplexeren Sachverhalten kann es auch ratsam sein, den Streitgegenstand durch eine Zwischenvereinbarung festzulegen und damit zu konzentrieren
- Zulassung oder Verbot von Sachverhaltsaufklärungsinstrumenten (interrogaties)[40]
- Schranken der Adjudication
Der Bauvertrag ist zugleich Grundlage und auch Schranke des Streitbeilegungsverfahrens[41]. FIDIC-Verträge regeln nicht nur die Rechte und Pflichten der Parteien, sondern sie schaffen zugleich Regeln für die Verfolgung und Durchsetzung der Parteiinteressen. Von den Schlichtern wird folglich eine profunde Kenntnis der vertraglichen Regelungen verlangt. Der Ingenieur und das DAB/DAAB sind letztlich für die Einhaltung der Verfahrensregeln verantwortlich. Alle Rechte und Ansprüche aus dem Vertrag und in Zusammenhang mit dem Vertrag sind sozusagen in Verfahrensregeln eingebettet und nur in Zusammenhang mit diesen zu lesen, zu verstehen und anzuwenden[42]. Es mag sein, dass ein Anspruch auf Zeitverlängerung und/oder auf Mehrkosten besteht. Wird dieser jedoch zu spät, nicht in gehöriger Form oder mit unzureichenden Beweismitteln verfolgt, muss das Recht oder der Anspruch verneint werden. In solchen Fällen darf das DAB sein Ermessen nicht an die Stelle des Vertrages setzen. Der Adjudicator ist nicht befugt, den Vertrag anzupassen, zu verändern oder zu ergänzen.
- Entscheidung
Ziel eines Verfahrens der alternativen Streitbeilegung ist grundsätzlich die Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung. Deshalb soll zunächst eine gütliche Beilegung versucht werden, auch wenn dies in Klausel 20 der FIDIC Books 1999 nicht ausdrücklich ausgesprochen wird. Allerdings enthält Klausel 20.2 FIDIC Red Book 1999 die Option, dass beide Parteien einvernehmlich eine Meinung des DAB einholen können.
Die FIDIC Vertragswerke 2017 regeln ebenfalls eine proaktive Streitvermeidung.
Allerdings sollen FIDIC Verträge vor allem den Cash Flow des Unternehmers sicherstellen und damit eine gewisses Ungleichgewicht im Verhältnis zwischen Unternehmer und Besteller abbauen. Wie vom High Court Singapur anerkannt (High Court Singapore PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation (Indonesia) and another matter [2014] SGHC 146; PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v CRW Joint Operation [2015] SGCA 30), gehören die Adjudication Regelungen in den FIDIC Verträgen zu einem System, das sicherstellen soll, dass der Unternehmer baubegleitend mit jeweils hinreichend Cash Flow versorgt wird. Überzahlungen sollen durch eine fachmännische Prüfung des Baufortschritts und von Claims vermieden werden.
Die Eingangsprüfung übernimmt grundsätzlich der Engineer. Falls sich anschließend eine Streitigkeit entwickelt, wird ggf. das DAB/DAAB involviert. Kommt keine gütliche Einigung zustande, muss das DAB/DAAB eine Entscheidung fällen. Dies hat innerhalb von 84 Tagen zu geschehen, jeweils gerechnet ab Vorlage des Streitfalles bei dem DAB (bzw. dessen Chairperson). Das DAB kann eine andere (längere) Frist vorschlagen und sich von den Parteien genehmigen lassen.
Eine typische englische DAB-Entscheidung ist wie folgt aufgebaut (Vgl. auch Carillion Construction Ltd v. Devonport Royal Dockyard Ltd [2005] EWCA Civ 1358 (16.11.2005), wo es heißt: „Der Entscheidung (des Adjudicators) selbst waren drei Abschnitte vorangestellt –Einleitung, Probleme und Rechtsbehelfe“):
- Rubrum, in dem die beteiligten Parteien und ihre Vertreter aufgeführt sind
- Zusammenfassung der Streitigkeit, in der Fakten kurz referiert werden, und die die Fragen zusammenfasst, über die zu entscheiden ist
- Offenlegung der DAB-Konstitution und der Bestellung der DAB-Mitglieder
- Hinweise auf Streitigkeiten, Rügen und Einwände gegen die Zuständigkeit des Adjudicators, ggf. Diskussion der Streitfragen und Entscheidung
- Schilderung des Verfahrensgangs
- Verfahrensablauf
- DAB-Sitzungen
- Baustellenbesuche oder –besichtigungen
- Parteianhörung, z.B. mit der Formulierung „in the initial directions both parties were offered an opportunity for a conference call and or a meeting“. Ggf. wird angegeben, warum kein Hearing stattgefunden hat, etwa weil der zu späte Antrag zu einer Verzögerung der Entscheidung geführt hätte
- Hinweis darauf, dass die Parteien Gelegenheit hatten, Stellung zu nehmen
- Tenor der Sachentscheidung
- Sachentscheidung mit Einzelbegründung (Vgl. Bunni, FIDIC Forms of Contract, 632f.)
- Gliederung der Sachverhalte und Schilderung der Fakten
- Herleitung der Entscheidung aus dem Vertragswortlaut
- Herleitung der Entscheidung aus dem Gesetzeswortlaut
- Kostenentscheidung, welche im Rahmen der FIDIC-Verträge entfällt, weil vorgesehen ist, dass sich die Parteien hälftig an den Kosten beteiligen; hinsichtlich der eigenen Rechtsanwaltskosten wird hingegen ohnehin in der Regel keine Kostenerstattung vorgesehen (Vgl. dazu Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-081).
Nach allen FIDIC-Bedingungen ist der DAB-Spruch zu begründen. Das FIDIC-Vertragswerk gibt allerdings keine Anleitung dazu, wie eine solche Begründung auszusehen hat. Sie sollte überzeugend sein und den Parteien das Gefühl geben, das ihre Argumente vollständig gewürdigt wurden.
Hat das DAB/DAAB eine Entscheidung gefällt, ist sie gemäß Klausel 20. 4 FIDIC 1999 bzw. Klausel 21.4 FIDIC 2017 für beide Parteien bindend und muss von diesen umgehend befolgt werden, wenn und soweit sie nicht durch eine gütliche Einigung oder eine Schiedsgerichtsentscheidung abgeändert wird.
Ist eine der Parteien mit der DAB/DAAB Entscheidung unzufrieden, kann sie ihre Unzufriedenheit mitteilen und damit den Weg in das Schiedsgerichtsverfahren öffnen. Die Mitteilung ist an die andere Vertragspartei zu richten. In der Mitteilung ist anzugeben, dass es sich um eine solche nach Unterklausel 20.4 FIDIC 1999 (Klausel 21.4.4 FIDIC 2017) handelt, welche Aspekte im Streit befindlich sind und welche Gründe für die Unzufriedenheit bestehen. Keine der Parteien ist berechtigt, das Schiedsgericht anzurufen, ohne dass eine solche Mitteilung erfolgte. Fehlt es an einer Mitteilung im Sinne der Unterklausel 20.4 FIDIC 1999 oder Klausel 21.4.4 FIDIC 2017, wird die Entscheidung des DAB(DAAB bindend und endgültig, mithin grundsätzlich unanfechtbar. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Missachtung oder Verletzung der vertraglichen Anzeigepflichten dazu führt, dass die DAB-Entscheidung endgültig und bindend wird und der weitere Weg vor das Schiedsgericht versperrt ist. Unterklausel 20.7 FIDIC 1999 regelt die Durchsetzung des DAB endgültigen Spruches vor dem Schiedsgericht. Entsprechende Regelungen sind in Unterklausel 21.7 FIDIC 2017 vorgesehen.
„Verurteilt“ also das DAB/DAAB den Besteller zur Zahlung, hat diese umgehend zu erfolgen[43]. Unterklausel 14.3 FIDIC 1999 sieht allerdings vor, dass der ausurteilte Betrag zuvor in einen Zahlungsantrag aufzunehmen ist. Unterklausel 21.4.3 regelt dies nach FIDIC 2017 anders: Die Ausstellung eines Payment Certificate ist nicht mehr erforderlich. Das ist eine etwas unglückliche Entscheidung, weil sie dem Engineer die Möglichkeit nimmt, gegen Ansprüche des Auftraggebers aufzurechnen, die zuvor nach Unterklausel 3.7 FIDIC 2017 festgestellt wurden.
Im Fall Martel v. Bulotti[44] hatte ein Architekt nach dem AIA-Bauvertrag als Schlichter über Parteistreitigkeiten zu befinden. Gegen die Entscheidung des Architekten konnte nach dem Vertrag jede Partei das Schiedsgericht anrufen. Die unzufriedene Partei hatte das Schiedsgerichtsverfahren firstgebunden vermittels schriftlicher Mitteilung an die andere Vertragspartei, die American Arbitration Association (AAA) und den Architekten einzuleiten. Für den Fall der Fristüberschreitung sollte die Entscheidung des Architekten endgültig und bindend sein. Der Unternehmer, der mit einer Entscheidung des Architekten unzufrieden war, faxte dem Architekten kurz vor Fristablauf ein Schreiben, mit dem er die Eröffnung des Schiedsgerichtsverfahrens beantragte. Er informierte weder die AAA noch den Bauherrn. Später rief der Bauherr die staatlichen Gerichte an, um die Entscheidung des Architekten wie einen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Dagegen verteidigte sich der Unternehmer mit dem Argument, die Entscheidung des Architekten sei nicht wie ein Schiedsspruch zu behandeln. Insoweit obsiegte der Unternehmer. Im Ergebnis verlor er jedoch den Rechtsstreit, weil die Entscheidung des Architekten gleichwohl endgültig und bindend geworden war. Unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit hielt das Gericht den Unternehmer an die Entscheidung des Architekten gebunden, deren Erfüllung er versprochen hatte. Entsprechend wurde der Unternehmer zur Erfüllung der Entscheidung verurteilt[45]. Der Fall belegt, wie streng die verfahrensrechtlichen Regelungen über die alternative Streitbeilegung zu beachten sind.
- Bindung und Vollziehung
Ein kritischer Punkt der DAB/DAAB-Entscheidung ist ihre fehlende Durchsetzbarkeit bzw. Vollstreckbarkeit. Englische Gerichte neigen dazu, Entscheidungen des DAB/DAAB entweder durch Zahlungsurteile in summary proceedings oder durch sog. „injunctions“ für justizförmig durchsetzbar zu erklären[46]. Vereinzelt haben sie allerdings die Vollziehung von DAB/DAAB-Entscheidungen wegen eines Verstoßes gegen „natural justice“ verweigert[47]. Jede Verletzung und Missachtung des im Vertrag verankerten DAB-Verfahrens wird als Vertragsverletzung angesehen[48]. Letztlich beruht also der Respekt vor einer DAB/DAAB-Entscheidung auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, deren Missachtung ggf. durch eine gerichtliche Anordnung auf ein spezielles Handeln (specific performance) sanktioniert wird.
In Deutschland bestehen keine praktischen Erfahrungen mit Entscheidungen von Streitbeilegungs- oder Schlichtungsstellen im Sinne der Klausel 20.2 FIDIC Books 1999. Es kann allenfalls auf die Rechtsprechung zu Schiedsgutachten verwiesen werden, wonach das Schiedsgutachten eine rechtsgestaltende Änderung des Vertrages bewirkt. Die Diskussion in Deutschland befindet sich noch in den Anfängen (vgl. Hök ZfBR 2007, 416 ff.).
Eine gütliche Einigung wird regelmäßig schriftlich festgehalten. Ihr vertraglicher Charakter bindet die Parteien. Im Falle der Nichtbeachtung durch eine Streitpartei kann im Klagewege vorgegangen werden. Da eine derartige Vereinbarung meist ein (zumindest geringfügiges) gegenseitiges Nachgeben beider Streitparteien im Hinblick auf eine Ungewissheit ihres Rechtsverhältnisses oder die Verwirklichung ihrer jeweils geltend gemachten Ansprüche beinhaltet, stellt eine solche Vereinbarung regelmäßig einen Vergleich im Sinne des § 779 BGB dar. Um allerdings aus einem solchen Vergleich ohne Inanspruchnahme der Gerichte vollstrecken zu können, muss er als so genannter Anwaltsvergleich geschlossen worden sein. Unterwirft sich der Schuldner in dem Vergleich der sofortigen Zwangsvollstreckung, der bei einem Amtsgericht niedergelegt, so kann er auf Antrag einer Partei durch das zuständige Gericht für vollstreckbar erklärt werden (§§ 796a, 796b in Verbindung mit § 794 Absatz 1 Nr. 4b ZPO). Möglich ist auch, den Vergleich in Form einer notariellen Urkunde zu schließen, aus welcher unmittelbar die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, sofern sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat (§ 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO).
Kommt es hingegen zu einem Spruch der Streitbeilegungsstelle, ist zu fragen, wie mit solchen Entscheidungen umzugehen ist, wenn sie nicht beachtet oder erfüllt werden.
FIDIC löst dieses Problem in Klausel 20.7 FIDIC 1999 und vergleichbar in Klausel 21.7 FIDIC 2017. Nach FIDIC 1999 gilt, dass im Falle dass:
(a) keine der Parteien innerhalb der in Unterklausel 20.4 [Erwirkung einer Entscheidung der Streitbeilegungsstelle] festgelegten Frist ihre Unzufriedenheit angezeigt hat,
(b) die von der Streitbeilegungsstelle erlassenen Entscheidung (falls gegeben) endgültig und verbindlich geworden ist und
(c) eine Partei diese Entscheidung nicht einhält,
kann die andere Partei, ohne dass dadurch andere ihr zustehende Recht beeinträchtigt werden, in Bezug auf dieses Versäumnis ein Schiedsverfahren gemäß Unterklausel 20.6 [Schiedsgerichtsverfahren] einleiten. In diesem Fall finden die Unterklauseln 20.4 [Erwirkung einer Entscheidung der Streitbeilegungsstelle] und 20.5 [Gütliche Einigung] keine Anwendung. Folglich ist das Schiedsgericht anzurufen, um die Missachtung der Entscheidung der Streitbeilegungsstelle zu beheben[49]. Nicht ausdrücklich geregelt ist hingegen der Fall, dass eine nicht endgültige und verbindliche DAB-Entscheidung missachtet wird[50]. Klausel 20.4 FIDIC 1999 regelt drei Folgen einer ordentlich zustande gekommenen DAB-Entscheidung:
- Sie ist bindend, bis sie entweder durch eine gütliche Einigung oder eine Schiedsgerichtsentscheidung aufgehoben wird
- Sie wird endgültig und bindend, wenn die Parteien nicht innerhalb von 28 Tagen nach Bekanntgabe angefochten wird
- Beide Parteien müssen im Falle der Anfechtung zunächst versuchen, sich gütlich zu einigen, bevor sie das Schiedsgericht anrufen dürfen, damit das Schiedsgericht die Angelegenheit gemäß Klausel 20.6 endgültig und bindend entscheidet.
Klausel 21.4 FIDIC 2017 sieht vor:
- Die DAAB Entscheidung ist bindend (Unterklausel 21.4.3 FIDIC 2017)
- Die DAAB Entscheidung wird endgültig bindend, wenn keine Notice of Dissatisfaction eingelegt wird (Unterklausel 21.4.4 FIDIC 2017)
- Beide Parteien müssen im Falle der Anfechtung zunächst versuchen, sich gütlich zu einigen, bevor sie das Schiedsgericht anrufen dürfen, damit das Schiedsgericht die Angelegenheit gemäß Klausel 20.6 endgültig und bindend entscheidet
Folglich könnte man davon ausgehen, dass es keine Möglichkeit gibt, die Missachtung einer nur vorläufig bindenden DAB-Entscheidung abzustellen[51].
Inwieweit Gerichte außerhalb des Common Law Rechtskreises DAB-Entscheidungen unmittelbar für vollstreckbar erklären oder ihre Erfüllung anordnen würden, ist bislang nicht untersucht[52]. Im Rahmen solcher Überlegungen sind die Fälle der endgültigen und bindenden und die der nicht endgültigen und nicht bindenden Entscheidung voneinander getrennt zu behandeln.
Eine endgültige und bindende DAB/DAAB-Entscheidung kann ohne weiteres vor das vereinbarte Schiedsgericht gebracht werden, um sie für vollziehbar erklären zu lassen. Klausel 20.7 FIDIC 1999 eröffnet insoweit den Einwand der Unzuständigkeit der staatlichen Gerichte, denn gerade für diesen Fall besteht ausdrücklich eine Schiedsgerichtsklausel. Unterklausel 20.7 FIDIC 1999 verleiht dem Schiedsgericht die Gerichtsgewalt und die Befugnis, den DAB Spruch für durchsetzbar zu erklären.
Unterklausel 21.7 FIDIC 2017 regelt das ähnlich.
Wird hingegen eine nicht endgültige aber bindende Entscheidung nicht befolgt, fehlt in FIDIC 1999 eine ausdrückliche Schiedsgerichtsklausel. Unterklausel 20.9 FIDIC Gold Book gestattete erstmals ausdrücklich die Vollziehung von vorläufig bindenden und endgültig bindenden DAB Sprüchen. Unterklausel 21.7 FIDIC 2017 stellt ebenfalls die bindende und die endgültig bindende Entscheidung gleich. Wegen des im Streit befindlichen Gegenstandes muss in jedem Fall zunächst eine gütliche Einigung versucht werden (Klausel 20.5 FIDIC 1999 und Klausel 21.5 FIDIC 2017). Solange bleibt die DAB/DAAB-Entscheidung vorläufig bindend. Wie die vorläufige Bindung der DAB-Entscheidung erzwungen werden kann, lässt das FIDIC-Regime offen. Eine auf die DAB-Entscheidung gestützte Hauptsacheklage wäre mit dem Sinn der ADR nicht in Einklang zu bringen, zumal die nur vorläufig bindende DAB-Entscheidung keine geeignete Grundlage für eine Hauptsacheentscheidung bildet. In Deutschland käme daher aus praktischen Erwägungen allein eine einstweilige Verfügung in Betracht. Doch dürfte es dafür an den notwendigen Voraussetzungen fehlen, insbesondere dann, wenn die Hauptsache (etwa bei Zahlungsansprüchen) vorweggenommen würde. Letztlich fehlt es in Deutschland wohl an geeigneten Instrumenten zur Vollziehung von DAB-Entscheidungen, denn sie können nicht als Schiedsgerichtssprüche qualifiziert werden[53]. DAB´s werden auch keine Anerkennung als Gütestelle im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erlangen[54], so dass auch eventuelle Einigungen nicht unmittelbar vollzogen werden können.
Inzwischen sind zur Vollziehung nur vorläufig bindender DAB Sprüche mehrere Entscheidungen ergangen. Der High Court Singapore und der Court of Appeal Singapore haben entschieden, dass eine DAB Entscheidung im Wege eines sog. Interim Award vollzogen werden kann, falls das Hauptsacheverfahren nach Unterklausel 20.6 vor dem Schiedsgericht anhängig gemacht wurde (High Court Singapore, PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation [2010] 4 SLR 672; Court of Appeal Singapore, CRW Joint Operation v. PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK [2011] SGCA 33; PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation (Indonesia) and another matter [2014] SGHC 146; PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v CRW Joint Operation [2015] SGCA 30). Alle vier Entscheidungen berufen sich auf die ICC Schiedsgerichtsentscheidung Nr. 10619. Siehe dazu auch
- Court of Appeal Singapore, Urteil v. 13.7.2011, IBR 2011, 1319 – Hök
- High Court Singapore, Urteil v. 16.7.2014, IBR 2014, 1205 – Hök
Der Vollständigkeit halber ist allerdings hinzuzufügen, dass der Fall Persero aus Singapore auch die Lücke in den FIDIC Verträgen aufzeigt, die entsteht, wenn eine Partei versucht, das Versäumnis eine lediglich bindende DAB Entscheidung zu honorieren unabhängig vom Hauptsachverfahren oder getrennt vom Hauptsacheverfahren vor dem Schiedsgericht anhängig macht. Für diese Fall haben die Gerichte in Singapore entschieden, dass Klausel 20.6 FIDIC 1999 nicht greift, es also dem Schiedsgericht an der Zuständigkeit bzw. Gerichtsbarkeit fehlt (High Court Singapore, PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation [2010] 4 SLR 672; Court of Appeal Singapore, CRW Joint Operation v. PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK [2011] SGCA 33; PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation (Indonesia) and another matter [2014] SGHC 146). Über Klausel 20.6 FIDIC 1999 kann nach Auffassung der Gerichte in Singapore nur dann vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden, wenn die diesen nachsuchende Partei zugleich das obsiegende DAB Urteil bzw. den darin ausgeurteilten Anspruch zum Zwecke der Bestätigung durch das Schiedsgericht anhängig macht (High Court Singapore PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation (Indonesia) and another matter [2014] SGHC 146).
FIDIC hatte im Anschluss an die ersten beiden Entscheidugen aus Singapore (siehe High Court Singapore, PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation [2010] 4 SLR 672; Court of Appeal Singapore, CRW Joint Operation v. PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK [2011] SGCA 33) am 1. April 2013 ein Stellungnahme zur Vollziehung von DAB Entscheidungen (Im Original: FIDIC Guidance Memorandum to Users of the 1999 Conditons of Contract) herausgegeben, die auch Formulierungsvorschläge enthält. Sie lehnen sich an die Vorgaben im Gold Book an (siehe dazu eingehend Hök, FIDIC Memorandum 2013 zur Vollziehung von vorläufig bindenden DAB Sprüchen mit einem Blick auf die DIS Schiedsgerichtsordnung, ZfBR 2013, 419 ff.). Die letzte Entscheidung aus Singapore (PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v CRW Joint Operation [2015] SGCA 30) hat der Diskussion inzwischen ein Ende gesetzt (siehe dazu eingehend Hök, Der Persero Fall: Zur Vollziehung lediglich bindender DAB Sprüche nach FIDIC (1999), ZfBR 2016, 211 ff.). Die neu gefasste Vollziehungsregel in Unterklausel 21.7 FIDIC 2017 macht diese Diskussionen endgültig unnötig.
FIDIC hat die Vorschläge im Memorandum mit der Anregung verbunden, dem DAB die Befugnis zu erteilen, im Falle der Ausurteilung von Geldbeträgen die Vollziehbarkeit des Spruches von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen. Dies widerspricht deutlich der bisherigen FIDIC Haltung, die der High Court Singapore zutreffend so beschrieben hat, dass die FIDIC Regelungen offenkundig den Zweck verfolgen, ein gewisses Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Besteller dadurch abzumildern, dass die Adjudication Regelungen ein Zahlungsbesicherungssystem einführen, das dem Prinzip “zahle erst und argumentiere später” folgt (High Court Singapore PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation (Indonesia) and another matter [2014] SGHC 146; siehe auch PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v CRW Joint Operation [2015] SGCA 30).
VII. Streitvermeidung
In der Praxis vielfach unterschätzt wird die Nützlichkeit der streitvermeidenden Aktivitäten eines permanenten DAB, wie es im FIDIC Red Book 1999 und in allen FIDIC Büchern 2017 automatisch vorgesehen ist. Ein streitfreies Projekt kommt nicht von Ungefähr. Grundsätzlich wohnt jedem Vorhaben das Risiko von Streitigkeiten über die Auslegung des Vertrages und seine Handhabung inne. Der Schlüssel zu einem streitfreien Vorhaben liegt deshalb darin, sich anbahnende Streitigkeiten frühzeitig zu erkennen, die Probleme zu handhaben und zu lösen.
Zu diesem Zweck sieht das FIDIC Red Book 1999 z.B. vor, dass das DAB ungeachtet irgendwelcher Streitigkeiten und auch ohne dass Streitigkeiten vorliegen, Baustellenbesichtigungen vornimmt. Das DAB soll sich frühzeitig mit den Örtlichkeiten und ihrer Umgebung vertraut machen und sich einen Eindruck von der Zusammenarbeit auf der Baustelle verschaffen. Die Baustelenbesuche sollen eine kooperative Zusammenarbeit begründen und ermöglichen. FIDIC versteht das DAB insoweit als Bestandteil des Baustellenteams. In diesem Team hat das DAB besondere Aufgaben. Ohne die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist das in dem FIDIC Vertragswerk vorausgesetzte effektive Baustellenmanagement nicht möglich.
Ein permanentes DAB kann frühzeitig Mißstände erkennen und aufdecken sowie in Bezug auf erkennbare Streitpotentiale lösungsorientiert wirken. Die Grenzen solcher Aktivitäten sind bislang nur wenig beschrieben und erörtert. In der Praxis bewegen sich erfahrene DAB´s häufig ziemlich frei und entwickeln Aktivitäten, sobald sie Streitpotentiale entdecken. Voraussetzung für solche Aktivitäten ist, dass das DAB zeitnah vollständig unterrichtet wird. Als Informationsquelle ersten Ranges dient der monatliche Bericht (vgl. Sub-Clause 4.21 FIDIC 1999). Darin sind z.B. anhängige Claims zu dokumentieren. Auch liegt dem DAB das “Programme” (Sub-Clause 8.3 FIDIC 1999) vor, aus dem es den geplanten Bautenstand ablesen kann, dessen Realitätsnähe das DAB anlässlich der regelmäßigen Baustellenbesuche (Site Visits) überprüfen wird. Stellt das DAB Mißstände fest, wird es ihn im Zweifel auf die Tagesordnung setzen und eine Diskussion in Gang bringen.
VIII. Haftung
Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass die Mitglieder des DAB/DAAB eine Art Spruchrichterprivileg genießen[55]. Sie haften folglich nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. In dem englischen ICE-Standardvertrag findet sich daher die Klausel: Der Schlichter ist für nichts haftbar, was er in Erfüllung oder mit der Absicht der Erfüllung seiner Aufgaben tut oder unterlässt zu tun, es sei denn die Handlung oder Unterlassung geschieht im bösen Glauben[56]. In den FIDIC-Conditions fehlt eine entsprechende Klausel. Sie ist in den “General Conditions for Dispute Adjudication Agreement” enthalten, die in den FIDIC Books mit abgedruckt sind.
- Gold Book
Im September 2007 hatte FIDIC die Trainingversion des Gold Book, besser des neuen Design, Build & Operate Musters herausgegeben. Seit September 2008 liegt die endgültige Fassung des neuen Gold Book vor(siehe dazu Hök/Jaeger, FIDIC Gold Book, ICLR 2010, 36 ff.). Dieses FIDIC Vertragsmuster enthält Regelungen, die die Tätigkeit des DAB weiter aufwerten und intensivieren. Das Gold Book sieht für die Design & Build Phase ein permanentes DAB vor, das etwa auch über Fristüberschreitungen im Claim-Management zu befinden hat. Zur Klarstellung: Nach den FIDIC Books der sog. Rainbow Edition aus dem Jahre 1999 können Claims nicht verfolgt werden, die später als 28 Tage nach Kenntnisnahme oder Kennenmüssen von dem relevanten Ereignis angezeigt werden. Das Gold Book erlaubt es zukünftig, dass der Contractor dem DAB den Antrag vorlegt, die Fristüberschreitung zu entschuldigen.
Während der Betriebsphase soll ein einzelner Adjudicator jeweils für die Dauer von 5 Jahren bestellt werden. Die Bestellung kann erneuert werden. Auch ist es denkbar, das DAB aus der Design & Build Phase weiter zu beschäftigen.
Das Gold Book entwickelt das Thema Dispute Adjudication auch inhaltlich weiter. Zu den Neuheiten gehört, dass zukünftig vermutet wird, es liege ein Dispute vor, wenn der Employer´s Representative schweigt. Es ist zudem nicht mehr möglich, den Gang zum DAB hinaus zu zögern. Es ist vorgesehen, dass zukünftig fristgebunden Klage zum DAB zu erheben ist. Anderenfalls wird die Notice of Dissatisfaction (Erklärung der Unzufriedenheit) hinfällig, die zukünftig vorab abzugeben ist, um zu verhindern, dass die angegriffene Entscheidung des Engineer bzw. des Employer´s Representative bestandskräftig wird. Zudem wird die Streitvermeidung aufgewertet.
- Praktische Bedeutung
Dispute Adjudication Boards werden weltweit genutzt, vor allem aber dort, wo die multilateralen Entwicklungsbanken oder ähnliche Einrichtungen Vorhaben finanzieren. Common Law Destinationen tun sich erfahrungsgemäß leichter, DAB Verfahren zu akzeptieren und zu praktizieren. Dazu gehören auch Rechtsordnungen mit gemischten Traditionen, wie z.B. Botswana und Südafrika (dort gilt holländisch-römisches Recht zusammen mit dem englischem Recht nachgebildeten Verfahrensrecht). Manche Geldgeber wie die amerikanische MCC setzen die Idee von Dispute Boards rigoros um.
In Europa haben sich vor allem in den neuen EU Beitrittsländern in Osteuropa DAB Verfahren eingebürgert, wenn auch nicht immer problemfrei. In Deutschland haben solche DABs erst in den letzten Jahren Interesse gefunden, z.B. in Offshore Windmühlenprojekten.
- Anhang: Adjudicatorlisten und Verfahrensmodelle
- Liste der Organisationen, die Adjudicator benennen:
International Federation of Consulting Engineers (FIDIC)
http://www1.fidic.org/resources/adjudicators/adjudicators.html
Deutschland
Verband der Beratenden Ingenieure (VBI), Berlin
Auf dieser Liste befinden sich deutschsprachige Adjudicatoren, die das VBI/FIDIC Assessment durchlaufen haben und über eine zehnjährige Berufserfahrung verfügen. Das dreitägige Assessment beinhaltet u.a. die Prüfung von FIDIC Vertragskenntnissen, Sprachkenntnissen und das Projektverständnis. Der VBI führt das Assessment seit 2007 regelmäßig jedes Jahr einmal durch.
England:
Association of Independent Construction Adjudicators (AICA)
http://www.aica-adjudication.co.uk/
Centre for Effective Dispute Resolution (CEDR)
https://www.cedr.com/
Chartered Institute of Arbitrators (CIArb)
http://www.arbitrators.org/
Chartered Institute of Arbitrators (Scotland) (CIArb-Scotland)
https://www.scottish-arbitrators.org
Chartered Institute of Building (CIOB)
http://www.ciob.org.uk/
Construction Conciliation Group (CCG)
http://www.ccgroup.org.uk/
Construction Confederation (CC)
http://www.constructionconfederation.co.uk/
Construction Industry Council (CIC)
https://www.cic.org.uk/
Construction Plant-hire Association (CPA)
http://www.cpa.uk.net/
Institution of Chemical Engineers (IChemE)
http://www.icheme.org/
Institution of Civil Engineers (ICE)
http://www.ice.org.uk/
Institution of Electical Engineers (IEE)
https://www.iee.org/
Institution of Mechanical Engineers (IMechE)
http://www.imeche.org.uk/
Law Society of Scotland (LawSoc(Scot))
http://www.lawscot.org.uk/
Nationwide Academy of Dispute Resolution (NADR)
http://www.nadr.co.uk/
RICS – Dispute Resolution Service (RICS-DRS)
https://www.rics.org/resources/services/drs/
RICS Dispute Resolution Service Australia (RICS DRS (Oceania))
http://www.ricsdrs.com.au
Royal Incorporation of Architects in Scotland (RIAS)
http://www.rias.org.uk/
Royal Institute of British Architects (RIBA)
http://www.riba.org/
Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS)
https://www.rics.org/
Technology and Construction Court Bar Association (TECBAR)
http://www.courtservice.gov.uk/cms/7503.htm
Technology and Construction Solicitors Association (TeCSA)
https://www.tecsa.org.uk/
Japan
Association of Japanese Consulting Engineers (AJCE)
Die AJCE übernimmt nicht die Auswahl oder die Ernennung von Adjudicatoren. Auf der japanischen Liste sind allerdings FIDIC geprüfte Adjudicatoren zu finden.
- Auswahl an ADR-Verfahrensmodellen:
Construction Industry Council (CIC)
Model Adjudication Procedure:
Third edition published October 2003
Second edition published November 1998
First edition published February 1998
Centre for Effective Dispute Resolution (CEDR)
CEDR Rules of Adjudication
International Chamber of Commerce (ICC)
ICC ADR Rules, 2001
Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen
Ansprechpartner: Dr.Götz-Sebastian Hök
Otto-Suhr-Allee 115,
10585 Berlin
Tel.: 00 49 (0) 30 3000 760-0
Fax: 00 49 (0) 30 513 03 819
e-mail: ed.ke1734801308oh-rd1734801308@ielz1734801308nak1734801308
Herr Dr. Götz-Sebastian Hök ist seit 2009 FIDIC geprüfter und gelisteter Adjudicator und damit auf der (internationalen) FIDIC President´s List gelistet. Er ist zugleich auf der Adjudicator Liste des VBI eingetragen. Er ist Mitglied der deutschen Prüfungskommnission für das VBI Adjudicator Assessment, war Mitglied des ersten Adjudicator Assessment Panels in Japan für die Liste der Association of Japanese Consuting Engineers und war ferner Vorsitzender der französischen Prüfungskommission 2012 für die französische Adjudicator Liste, die in Vorbereitung ist. Herr Dr. Hök war schließlich auch Mitglied einer JICA Studiengruppe, die für die Herausgabe des JICA DB Manual verantwortlich zeichnet und die für die Abnahme der von JICA unterstützten Adjudicator Prüfung für die Philippinen, Indonesien, Vietnam und Sri Lanka zuständig war.
Herr Dr. Hök war u.a. als Dispute Adjudicator in Dispute Adjudication Verfahren in Armenien, Bosnien, Deutschland, Mali, Palästina und Tansania tätig.
Hinweis: Deutschsprachige Übersetzungen der FIDIC-Conditions sind bei dem VBI erhältlich. Dort kann auch die Broschüre FIDIC Dispute Adjudication bezogen werden, die im Juli 2007 erschienen ist.
[1] Zur Entwicklung der Dispute Boards vgl. Smith ICLR 2005, 248, 258 ff.; siehe dazu auch Hök, ZfBR 2007,416 ff.
[2] High Court Singapore, PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK v. CRW Joint Operation [2010] 4 SLR 672; Court of Appeal Singapore, CRW Joint Operation v. PT Perusahaan Gas Negara (Persero) TBK [2011] SGCA 33
[3] Siehe unten zu II.7. Das schweizerische BGE, Urteil v. 7.7.2014, 4A_124/2014) hat das grundsätzlich bestätigt, lässt aber Ausnahmen zu. Vgl. auch die philippinische Entscheidung Hutama RSEA Operations, Inc. v. CITRA METRO MANILA TOLLWAYS CORPORATION, G.R. No. 180640 (24.4.2009)
[5] Vgl. Schuhmann ZfBR 2002, 739, 740
[5*] Nicht zu verwechseln mit Dispute Reviewing oder den Dispute Review Boards (DRB): Das Dispute Review Board spricht lediglich Empfehlungen aus.
[6] Vgl. Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 62 ff. (zum ADR-Begriff); siehe aber Baur IBR 2003, 113; Wiegand RIW 2000, 197 ff.
[7] Vgl. Brück/Sherman in: Roquette/Otto, Vertragsbuch privates Baurecht, E II 218; vgl. zum englischen Recht Wiegand RIW 2000, 197 ff.; Baur IBR 2003, 113; Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Dreifus, 11 Pub.Cont.L.J. (1979)
[8] Goedel IBR 2000, 298
[9] Vgl. Eberl/Friedrich BauR 2002, 250, 258; Nammour, Droit & Pratique de l´arbitrage interne et international, 2. Auflage, 2005, Rn. 74 ; Sweet/Schneier, Legal Aspects of Architecture, Engineering and the Construction Process, 678; Baur IBR 2003, 113
[10] Day ICLR 2005, 142, 144
[11] Siehe Sect. 108 HGRCA 1996
[12] Vgl. JCT Design & Build 2005, Clause 9.2; JCT Standard Building Contract 2005, Clause 9.2; ICE 7th (2003), Clause 66; NEC, Clause 90
[13] Vgl. Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-001 ff.
[14] Vgl. Wiegand RIW 2000, 197, 198
[15] Baur IBR 2003, 113
[16] Baur IBR 2003, 113
[17] Baur IBR 2003, 113
[18] Vgl. dazu auch Day ICLR 2005, 142, 145
[19] Totterdill, FIDIC User´s Guide, 2. Auflage, 2006, 299
[20] Smith ICLR 2005, 248, 251; vgl. dazu auch Nisja ICLR 2004, 230, 239
[21] KNS Industrial Services (Birmingham) Ltd. v. Sindall Ltd. (2000) C.I.L.L. 1652
[22] Nisja ICLR 2004, 230, 243
[23] vgl. Fastrack Contractors Ltd v. Morrison Construction Ltd [2000] B.L.R. 168. 178; ICC Spruch Nr. 6535 (1992), Journal du droit international 1993, 1024
[24] vgl. Seppälä ICLR 2005, 4, 5
[25] Fastrack Contractors Ltd. v. Morrison Construction Ltd (2000) BLR 168; Cygnet Healthcare Plc v. Higgins City Ltd. (2000) 16 Const. L.J. 394; vgl. Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-099
[26] Cygnet Healthcare Plc v. Higgins City Ltd. (2000) 16 Const. L.J. 394
[27] Dazu Hök IBR 2006, 1319; Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-099
[28] Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-062
[29] Christiani & Nielsen Ltd. v. The Lowry Development Co. Ltd., 29.06.2000-unveröffentlicht, zitiert bei Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-5-063
[30] Woods Hardwick Ltd. v. Chiltern Air-Conditioning Ltd. [2001] BLR 23
[31] Balfour Beatty Construction Ltd v London Borough of Lambeth [2002] EWHC 597 (TCC)
[32] Balfour Beatty Construction Ltd v London Borough of Lambeth [2002] EWHC 597 (TCC)
[33] HGRCA 1996
[34] Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-049; vgl. auch Hibberd/Newman, ADR and Adjudication, 255
[35] Vgl. Ziffer 2 Annex Procedural Rules Yellow Book
[36] Vgl. Ziffer 5 Annex Procedural Rules Yellow Book
[37] Näher dazu Day ICLR 2005, 142 ff.
[38] Guide to ICC ADR, 12
[39] Vgl. CEDR ADR Rules
[40] Im englischen und amerikanischen Recht ist es üblich, sog. pre-trial discovery proceedings durchzuführen, mit denen die Vertragsparteien jeweils aufklären, was entscheidungsrelevant ist. Zu den möglichen Maßnahmen gehören z.B. Fragebögen, die der Gegenseite zur Beantwortung zugesandt werden. Diese Fragen sind vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten. Tatsachen sind vollständig offen zu legen. Common-law-Juristen verstehen derartige Maßnahme als Teil eines fairen Prozesses. In Europa bestehen gegen solche fishing expeditions erhebliche Bedenken, weil sie teilweise Ausforschungscharakter annehmen können.
[41] Vgl. Smith ICLR 2005, 248, 259
[42] Vgl. Attorney General v. Gordon Forbes [2003] BLR 280; Hök ZfBR 2006, 419 ff.; Hök IBR 2006, 1107
[43] Totterdill, FIDIC User´s Guide, 302
[44] Martel v. Bulotti, 65 P.3d 192 (2003)
[45] Vgl,. dazu auch Sweet/Schneier, Legal Aspects of Architecture, Engineering and the Construction Process, 678
[46] Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-096; vgl. Carillion Construction Ltd v Devonport Royal Dockyard (TCC Nr. TCC 30/05 HT-05-82); Macob Civil Engineering Ltd v Morrison Construction Ltd, (1999) BLR 99; Bouyges (UK) Ltd v Dahl-Jensen (UK) Ltd, (2001) All ER 1041; C&B Scene Concept Design Ltd v Isobar Ltd (2002) BLR 93; Levolux AT Ltd v Ferson Contractors Ltd (2003) EWCA Civ 11; Orange EBS Ltd v. ABB Ltd [2003] EWHC 1187 (TCC)
[47] Discain Project Services Ltd v Opecprime Development Ltd (2000) BLR 402; Balfour Beatty Construction Ltd v Lambeth LBC (2002) BLR 288; RSL (South West) Ltd v. Stansell Ltd [2003] EWCA 1390 (TCC)
[48] Bunni ICLR 2005, 272, 275 f.
[49] Vgl. dazu auch Seppälä ICLR 2005, 4, 12; Bunni ICLR 2005, 272ff.
[50] Bunni ICLR 2005, 272, 276
[51] So Bunni ICLR 2005, 272, 279
[52] Zur Ausgestaltung von ADR in Australien und Hongkong vgl. Hibberd/Newman, ADR and Adjudication, 41 ff. Singapore gehört zum Common Law Rechtskreis.
[53] Schramke/Yazdani BauR 2004, 1073, 1079
[54] Vgl. Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 526
[55] Bernstein´s Handbook of Arbitration and Dispute Resolution Practise, Rn. 5-092; a.A. Hibberd/Newman, ADR and Adjudication, 95
[56] Übersetzung der Clause 66 (8) ICE 7th
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