Im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) wird geregelt, wie viel Urlaub jeder Arbeitnehmer im Jahr hat. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt (§ 3 BUrlG) danach 24 Werktage. Das entspricht im Wesentlichen den europäischen Richtlinien. Gemäß Bundesurlaubsgesetz ist der Urlaub im Regelfall im laufenden Jahr zu nehmen. Nur ausnahmsweise kann der Urlaub auf das darauf folgende Jahr übertragen werden. In diesem Fall müssen dringende betriebliche Gründe oder Gründe vorliegen, die in der Person des Arbeitnehmers zu suchen sind. In den meisten Betrieben ist es üblich, dass die Arbeitnehmer nicht den gesamten Urlaub eines Jahres im laufenden Jahr nehmen, sondern einen Teil erst im nächsten Jahr, ohne das es auf die Gründe der Übertragung ankommt. Nach dem Bundesurlaubsgesetz kann die Übertragung des Urlaubs nur bis zum 31. März eines jeden Jahres (Übertragungszeitraum) erfolgen, danach sind jegliche Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr erloschen. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer den verfallenen Urlaubsanspruch weder nehmen kann, noch eine Entschädigung, also Urlaubsabgeltung, für den nicht genommenen Urlaub verlangen kann. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich entschieden hat, gilt das aber nicht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub deshalb nicht nehmen konnte, weil er arbeitsunfähig erkrankt war. Bei Arbeitsunfähigkeit gilt: „Ansprüche auf Abgeltung gesetzlichen Teil- oder Vollurlaubs erlöschen nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG ist im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern nach den Vorgaben des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gemeinschaftsrechtskonform fortzubilden. Jedenfalls seit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. August 2006 in der Sache Schultz-Hoff (- 12 Sa 486/06 -) besteht kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Senatsrechtsprechung. Gesetzlichen Ansprüchen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfallen waren, steht trotz krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kein Erfüllungshindernis entgegen. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG steht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 -) einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen Arbeitnehmern, die wegen Krankheit den Jahresurlaub nicht in Anspruch nehmen können, am Ende des Arbeitsverhältnisses keine „finanzielle Vergütung“ gezahlt wird. Nationale Rechtsvorschriften dürfen diese Ansprüche nicht untergehen lassen.“
Anlass zu der Änderung der Rechtsprechung des BAG waren zu entscheidende Fälle, die Urlaubsansprüche bzw. Ansprüche auf Urlaubsabgeltung bezogen auf den Mindesturlaub von Arbeitnehmern betrafen, die auf Grund längerer Erkrankung über den Übertragungszeitraum hinaus gemäß den Vorschriften des BUrlG eigentlich erloschen waren. Die Arbeitnehmer konnten den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen.
Das Bundesarbeitsgericht vertritt nun die Auffassung, dass § 7 Abs.3 und 4 BUrlG so zu verstehen ist, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und wegen der Erkrankung arbeitsunfähig sind. Es entspreche Wortlaut, Systematik und Zweck der innerstaatlichen Regelungen, wenn die Ziele des Art. 7 Abs.1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG und der regelmäßig anzunehmende Wille des nationalen Gesetzgebers zur ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien berücksichtigt werden. Art. 7 Abs.1 der Richtlinie 2003/88/EG ist deshalb „dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestand, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte“ Art 7 Abs.1 der Arbeitszeitrichtlinie steht einer nationalen Regelung, die für die Ausübung des mit der Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, nicht entgegen. Diese Modalitäten können sogar den Verlust des Anspruchs am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten. Das gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm von der Richtlinie verliehenen Urlaubsanspruch auszuüben.
Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) hatte entschieden, dass nationale Vorschriften oder Gepflogenheiten, wonach der gesamte Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers erlischt, wenn er während des gesamten Bezugszeitraums bzw. während eines Teils davon bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist, gegen das europäische Gemeinschaftsrecht verstößt. Dieses garantiere Arbeitnehmern das Recht auf Mindesturlaub in jedem Jahr. Im Falle seiner Arbeitsunfähigkeit habe der Arbeitnehmer keine Möglichkeit seinen garantierten bezahlten Jahresurlaub / Mindesturalub zu nehmen. Erlischt dieser Anspruch auf Grund nationaler Rechtsvorschriften, also des BUrlG, verstieße dies gegen Gemeinschaftsrecht, das einen Mindesturlaub garantiert. Das soll nach Auffassung des EuGH auch gelten, wenn der Arbeitnehmer nur während eines Teils des Urlaubsjahrs erkrankt war. Ein Arbeitnehmer, der z.B. erst im Oktober oder später arbeitsunfähig erkrankt und fortlaufend über den Übertragungszeitraum arbeitsunfähig ist, hat ebenfalls Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs. Auch in diesem Fall hat der EuGH angenommen, dass der Urlaubsanspruch nicht erloschen ist, da der Arbeitnehmer am Anfang des Jahres nicht wissen könne, ob er erkrankt. Auch die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses lässt den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht erlöschen. Das Urteil des EuGH betrifft zunächst den gemeinschaftlichen Mindesturlaub von vier Wochen. Darüber hinaus gehender Urlaub könnte weiterhin verfallen. Es ist von einer Verjährungfrist von drei Jahren auszugehen.
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