Dieses Glossar beruht ursprünglich auf der FIDIC Rainbow Edition 1999. Die 2. Auflage der FIDIC Vertragsbedingungen umfasst
- das FIDIC Red Book, 2. Auflage 2017: Conditions of Contract for Construction (Second Ed. 2017) for Building and Engineering Works designed by the Employer
- das FIDIC Yellow Book, 2. Auflage 2017: Conditions of Contract for Plant & Design-Build (Second Ed, 2017) for Electrical & Mech. Plant & For Building & Engineering Works Designed by the Contractor
- das FIDIC Silver Book, 2. Auflage 2017: Conditions of Contract for EPC Turnkey Projects (Second Ed, 2017).
Die neuen Vertragsbedingungen wurden im Dezember 2017 von FIDIC in London vorgestellt. Sie können über den VBI bezogen werden. Das Glossar wird sukzessive auch die FIDIC Verträge 2017 und weitere FIDIC Neuerscheinungen einbeziehen. Bereits einbezgen wurden:
- Emerald Book, 2019
- Green Book, 2. Auflage, 2021
Die Übersetzung von FIDIC-Vertragstexten ist ein schwieriges Unterfangen, weil der Übersetzer nicht selten zum Interpreten wird. Gelegentlich fehlt in der Übersetzungssprache das notwendige Pendant zum Begriff aus der Originalsprache. Gelegentlich führt die Übersetzung dazu, dass einem Begriff ein Sinn beigelegt wird, den er im Ursprung nicht hat. Ein falsches Verständnis der FIDIC Verträge führt unter Umständen in erhebliche Probleme. Wer z.B. die “Defects Notification Period” mit der gesetzlichen Mängelgewährleistung verwechselt, wird spätestens bei dem Auftreten von Mängeln nach Erteilung des Performance Certificate eines besseren belehrt. Ähnlich verhält es sich mit der vorschnellen Verwendung englischer Fachbegriffe bei der Übersetzung ins Englische. Z.B. bringt der englische Begriff “warranty” nicht korrekt zum Ausdruck, dass die deutsche Mängelgewährleistung gemeint ist. “Korrekt übersetzt meint “warranty” eigentlich nur “Vertragliches Versprechen” oder “Zusicherung”, denn eine Gewährleistung für die Mängelfreiheit des Werkes kennt das englische Recht nicht. Es gibt nur eine allgemeine Haftung für Vertragsbruch. Sie erschöpft sich in der Regel in einem Anspruch auf Schadensersatz.
In den über den VBI erhältlichen deutschsprachigen Übersetzungen der FIDIC Books 1999 wird eingehend auf die wesentlichen Unterschiede zu deutschen Vertragsmustern hingewiesen. Übersetzungen existieren vom FIDIC Red Book 1999, dem FIDIC Yellow Book 1999, dem FIDIC Silver Book 1999 (Rainbow Edition 1999) und dem FIDIC White Book, 4. Auflage 2006. Seit Anfang 2008 existiert eine Übersetzung des FIDIC Green Book (auch Short Form of Contract genannt). Im Jahr 2013 kam die Übersetzung des FIDIC Gold Book (Design, Build & Operate) hinzu. Alle VBI Übersetzungen enthalten eine Einführung in das Vertragswerk. Ergänzend sind weitere Informationen zu FIDIC Verträgen bei dem VBI erhältlich, so z.B. ein Band 17 der VBI Schriftenreihe zum “FIDIC Contract Management” und ein Band 15 zur Dispute Adjudication. Der VBI organisiert zusammen mit FIDIC auch FIDIC Seminare. Veranstalter ist die Nestor Bildungsinstitut GmbH.
Hier wird der Versuch unternommen, einige Begriffe zu erläutern und zu umschreiben, die bei der Verwendung von FIDIC Dokumenten wichtig sind. Dabei mag ein Bonmot von Oliver Wendell Holmes ausdrücken, wie schwierig dies ist:
Ein Wort ist nicht durchsichtig und unveränderlich wie ein Kristall. Es ist die Hülle eines lebendigen Gedankens und kann je nach den Umständen und der Zeit, in der es gebraucht wird, stark Farbe und Bedeutung wechseln.
Oliver Wendell Holmes, The Theory of Legal Interpretation, 12 HARV. L. REV. 417 at 417 (1899).
Asset Replacement Fund: Dieser begriff wird im FIDIC Gold Book eingeführt. Der Fonds enthält die vom Unternehmer zu kalkulierenden Finanzmittel für den Austausch langlebiger Wirtschaftsgüter während der 20järhigen Betriebsphase im Gold Book.
Accepted Contract Amount: Hierbei handelt es sich qua Definition im FIDIC Vertragswerk um den vom Auftraggeber akzeptierten Vertragspreis. Beim FIDIC Einheitspreisvertrag (Red Book) handelt es sich nur um einen Schätzpreis, denn die Abrechnung erfolgt gegen die “Bill of Quantity”. Die in diesem Dokument angegebenen (zum Zwecke der Angebotskalkulation vorgegebenen) Massen müssen nicht stimmen, sondern werden durch Aufmaß nachträglich bestimmt. Ferner kann der Unternehmer Mehrkosten geltend machen, soweit sich Risiko verwirklicht, das vertraglich beim Auftraggeber liegt.
Claim: ist die Umschreibung des Umstandes, dass sich der Anspruchsprätendent auf einen Anspruch beruft. Im angelsächsischen Raum wird üblicherweise der Begriff Claim als “Assertion of a Right”, also das Behaupten eines oder das Berufen auf ein Recht als Claim verstanden.
Contractor All Risk (CAR): Eine im internationalen Geschäft gebräuchliche Bezeichnung für den Typ Versicherung, der die Risiken deckt, die in Klausel 18 FIDIC 1999 beschrieben sind, und die teilweise in Klausel 17 und 19 geregelt sind. Im wesentlichen deckt die Versicherung Schäden am Bauwerk bis zum Taking-Over (und teilweise auch bis zur Erteilung des Performance Certificate), das Risiko der Verursachung von Schäden am Eigentum von Nachbarn und deren Gesundheit sowie des Personals des Unternehmers. Zunehmend sind “Claims´ based” Versicherungen gebräuchlich, die es erfordern, die Versicherung über die gesamten Haftungszeiträume hinweg vorzuhalten. Das bedingt, sich über die gesetzlichen Verjährungsfristen für Ansprüche aus dem Vertrag oder in Verbindung mit dem Vertrag klar zu werden.
Contracts Committee: Das FIDIC Contracts Committee ist eine ständige Enrichtung, das für die Arbeit in den vorhabenspezifischen Task Groups verantwortlich ist, die die verschiedenen Vertragswerke von FIDIC entwickeln und weiterentwickeln.
Defects Notification Period (Mängelanzeigefrist, vgl. Klausel 1.1.3.7 FIDIC Red Book): Hierbei handelt es sich um eine besondere Frist, innerhalb derer der Unternehmer auftretende Mängel beseitigen muss. Diese Frist wird teilweise auch “maintenance period” genannt. Im Kern handelt es sich um einen besonderen Rechtsbehelf, der im common law nicht vorgesehen ist und letztlich nichts mit der ohnehin bestehenden Mängelgewährleistung zu tun hat. Letztere richtet sich nach common law ausschließlich auf Schadensersatz. Diese Vertragsphase gehört zur Vertragserfüllung. Die gesetzliche Mängelgewährleistung setzt erst nach der Erteilung des sog. Performance Certificate ein.
Delay Damages: Pauschalisierter Verzögerungsschadensersatz (keine Vertragsstrafe, vgl. Klausel 8.7 FIDIC Red Book 1999): Nach common law sind penalties (Vertragsstrafevereinbarungen) unwirksam. Ersatzweise werden liquidated damages vereinbart, die als im voraus geschätzte Schadensersatzbeträge für Verzögeurg bzw. Bauzeitüberschreitung vereinbart werden. Es ergibt sich aus dem Kontext von Sub-Clause 8.7 FIDIC 1999 das die FIDIC Dokumente keine Vertragsstrafen regeln wollen. Das wiederum hat Auswirkung auf das Verständnis von Sub-Clause 17.6 (Haftungsbeschränkung), denn die “Delay Damages” stellen bereits eine Haftungsbeschränkung für Schäden aus Bauzeitüberschreitung dar.
Dispute Adjudication: Hierbei handelt es sich um ein alternatives (d.h. außergerichtliches) Verfahren zur Streitbeilegung, das in Klausel 20 der FIDIC Bedingungen und ergänzenden Vertragsdokumenten geregelt ist. Es herrscht weitgehend Vertragsfreiheit, weil es für dieses Art der Streitbeilegung auf dem europäischen Kontinent keine gesetzlichen Vorbilder gibt. In Europa existieren allein in England rudimentäre gesetzliche Regelung im Housing Grants, Construction and Regeneration Act 1996. Diese sind allerdings zwingend und dienen vor allem dem Zweck der schnellen Liquididtätsbeschaffung. Ziel der alternativen Streitbeilegung im Sinne der FIDIC Verträge ist eine schnelle, fachkompetente und baubegleitende Streitbeilegung. Von FIDIC geprüfte Adjudicatoren werden in Listen geführt. Der VBI bildet seit 2007 Adjudicatoren für den internationalen Einsatz aus. Auf internationaler Ebene führt FIDIC eine Liste, auf der von FIDIC geprüfte Adjudicatoren eingetragen sind.
Das Dispute Adjudication Board (DAB) erlässt auf vertraglicher Grundlage Sprüche über Streitigkeiten, die die Parteien dem DAB zur Entscheidung vorlegen. Auf vertraglicher Grundlage muss der Spruch binnen 84 ab Klageerhebung erlassen sein. Die Parteien verpflichten sich im Bauvertrag, diese Entscheidungen zu beachten und zu erfüllen, und zwar unbeschadet der Möglichkeit, ergangene Sprüche im Schiedsgerichtsverfahren überprüfen zu lassen. Verweigert eine Partei die Erfüllung eines solchen Spruches, verstößt sie gegen vertragliche Verpflichtungen, die zur Kündigung des Vertrages führen können.
Das Spruchverfahren lässt den Adjudicatoren größtmögliche Freiheit, das Verfahren zu gestalten. Es kann den Sachverhalt auch von Amts wegen aufklären. Im Kern ist das DAB nur gehalten, die elementaren Grundsätze eines rechtsstatlichen Verfahrens zu beachten, also die Parteien unvoreingenommen zu hören und diesen Gelegenheit zu geben, ihren Fall vorzutragen.
Das Dispute Adjudication Board (DAB) kann auch aber streitvermeidend eingesetzt werden, wenn es über die gesamte Dauer der Bauvertragsabwicklung hinweg bestellt wird, was z.B. im FIDIC Red Book automatisch vorgesehen ist. Das DAB besucht dann regelmäßig die Baustelle, informiert sich über den Stand der Bauabwicklung und steht als unabhängiges Gremium auf gemeinsamen Antrag der Parteien auch für die Erteilung von Ratschlägen und Hinweisen zur Vertragsauslegung zur Verfügung.
Mit der Veröffentlichung der 2. Auflage der FIDIC Verträge aus dem Jahr 1999 im Dezember 2017 hat FIDIC einen neuen Begriff eingeführt: Dispute Avoidance and Adjudication Board (DAAB). Es erfüllt dieselben Aufgabe wie das DAB; doch liegen die Erwartungen stärker auf der Vermeidung von Streitigkeiten.
Engineer: Der sog. Ingenieur, dessen Position und Aufgabenstellung in Klausel 3 des Red Book und des Yellow Book 1999/2017 näher geregelt ist, bezeichnet nicht nur eine Berufsgruppe, sondern beinhaltet eine besondere im Bauvertrag angesiedelte Aufgabe, die von beiden Parteien des Bauvertrages zu respektieren ist. Der Ingenieur übernimmt zahlreiche Aufgaben und ist insbesondere Anlaufstelle für alle wechselseitig entstehenden Rechte und Ansprüche während der Bauabwicklung. Beide Parteien müssen den Ingenieur als vertragliche Institution in die Verfolgung eigener Ansprüche einbeziehen, die der Ingenieur entweder feststellt oder über die er eine Einigung zwischen den Parteien herbeiführt. Der Ingenieur nach FIDIC Conditions bezieht seine besondere Stellung aus dem Bauvertrag zwischen Auftargnehmer und Besteller. Der Besteller und der Unternehmer verpflichten sich vertraglich, die Rolle udn Aufgabenwahrnehmung des Ingenieurs zu akzpetieren. Beide Vertragsparteien sind an die Handlungen des Ingenieurs gebunden. Die besondere Rolle des Ingenieurs wird im englischen Recht eingehend erläutert.
Im FIDIC Gold Book wurde der Engineer durch den Employer´s Representative ersetzt. Jedoch bedeutet dies inhaltlich keine Änderung der Position des Dritten. Anders ist das im Silver Book. Dort gibt es auch einen Employer´s Representative, doch dieser ist kein unabhängiger Dritter.
Die 2. Auflage 2017 der FIDIC Vertragswerke hat die Rolle nicht wirklich verändert. Mit der Einfügung einer neuen Sprachregelung “to act neutrally” soll die Rolle des unabhängigen Entscheiders gestärkt werden.
Extension of Time for Completion: bedeutet übersetzt Bauzeitverlängerung, gerne auch abgekürzt EOT. Ansprüche auf Bauzeitverlängerung sind über das ganze Vertragswerk verteilt und müssen geltend gemacht werden, um im Falle von Behinderungen durch den Auftraggeber oder im Falle des Auftretens von Risiken, die der Besteller übernommen hat, die Bauzeit zu verlängern. Geschieht das nicht, haftet der Unternehmer auf Schadensersatz für Bauzeitüberschreitung, auch wenn er die Überschreitung weder zu vertreten noch zu verantworten hat. Letztlich bedeutet der Verzicht auf die Geltendmachung eines Anspruches auf Bauzeitverlängerung gleichzeitig auch den Verzicht auf Einwendungen gegen Ansprüche auf Schadensersatz aus Bauzeitüberschreitung, auch Delay Damages genannt.
EOT bedeutet also Zeitverlängerung (mit einem sehr umfangreichen rechtlichen Hintergrund, vgl. Klausel 8.4 FIDIC Red Book): Time Extension dient juristisch nur einem Ziel, nämlich der Erhaltung von sog. “liquidated damages” (Verzögerungsschadensersatz) zugunsten des Auftraggebers. In der Regel ist die Einhaltung der Bauzeit an “liquidated or delay damages” gebunden, die der Unternehmer bei Überschreitung der Bauzeit schuldet. Treten Umstände ein, die der Unternehmer nach dem Vertrag nicht zu vertreten hat, muss ihm “time extension” gewährt werden, um “time at large” zu verhindern. Tritt time at large ein, verliert der Besteller seine Ansprüche auf Einhaltung der Bauzeit und auf “liquidated damages”.
FIDIC: Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils. Heutzutage wird FIDIC meist als International Federation of Consulting Engineers geführt. FIDIC existiert seit 1913. FIDIC ist ein internationaler Berufsverband, der die Interessen der Beratenden Ingenieure in mehr als 80 Ländern vertritt.
FIDIC Claim Management: Alle FIDIC Books 1999 enthalten eine Vielzahl von sog. Claims. Das Vertragswerk definiert diesen Begriff nicht, es setzt ihn voraus. Gemeint ist im Zweifel die Behauptung eines Rechts oder Anspruchs (an assertion of a right or entitlement).
Ansprüche können sich auf Zeitverlängerung, Kostenerstattung und/oder zusätzlichen Gewinn richten. Diese Claims müssen nach den FIDIC Conditions in einem vertraglich geregelten Verfahren geltend gemacht werden. Dazu gehört es, die Anzeigefrist von 28 Tagen sowie die Dokumentationsanforderungen (contemporary records) zu erfüllen. Unternehmer müssen sich eingehend auf diese Bedingungen einstellen und ein sorgfältiges und umfassendes Managament dieser Claims sicherstellen. Der sorglose Umgang mit Claims bringt erhebliche Nachteile mit sich, weil FIDIC die Einhaltung der Verfahrensanforderungen unter Sanktionen gestellt hat. Werden die Verfahrensvorschriften missachtet, führt dies zum Verlust der jeweiligen Claims.
Vorsorglich sei angemerkt, dass angelsächsische Unternehmen und Ingenieure mit dem FIDIC Vertragsmanagement durchaus vertraut sind und dort ein funktionierendes Claim Management zum täglichen Brot gehört. Überwiegend werden dort sog. Quantity Surveyor für das Claim-Management eingesetzt.
Die 2. Auflage 2017 führt neue Definitionen zu Thema Claim Management ein:
- Claim
- Dispute
Force majeure: Höhere Gewalt (mit nicht vergleichbarem gesetzlichem Hintergrund): Das englische Recht kennt den Begriff der höheren Gewalt nicht. Vis major ist leztlich nicht viel mehr als ein Akt Gottes. Leistungserschwerungen (hardship) sind weder ein Grund für eine Vertragsanpassung noch gar ein Grund für die Auflösung des Vertrages. Höhere Gewalt muss also vertraglich geregelt werden (vgl. Klausel 19 FIDIC Red Book 1999).
Die 2. Auflage FIDIC 2017 verwendet den Begriff Force Majeure nicht mehr und führt den Begriff Außergewöhnliches Ereignis [Exceptional Event] ein. Inhaltlich sind damit keine Änderungen verbunden.
Geotechnical Baseline Report (GBR): DER GBR ist eine Besonderheit im FIDIC Emerald Book für Untergrund bzw. Tunnel-Arbeiten [2019 erschienen]. Der „GBR“ legt die erwarteten Baugrundverhältnisse im Rahmen der vertraglich vereinbarten Tunnelplanung sowie die Baumethodik fest. Der „GBR“ schafft ein gemeinsam vereinbartes Nivellement der erwarteten Bodenbedingungen durch die Einbeziehung einer geotechnischen Ausgangslage in den entsprechenden Vertrag. Das Instrument ermöglicht eine produktionsabhängige Vertragspreisanpassung.
Gold Book: Hierbei handelt es sich um das Design, Build & Operate Vertragsmuster von FIDIC [erschienen 2008]. Auf der Grundlage des Gold Book verpflichtet sich der Unternehmer, das Vorhaben zu planen, zu errichten und zu betreiben. Kernstück des Vertragswerkes ist die Operation Service Period. Planung, Ausführung und Betreiben sind funktional in den Employer´s Requirements beschrieben.
Measured Mile: kennzeichnet eine Methode zur Ermittlung von Kosten im gesörten Bauablauf. Man vergleicht eine ungestörte und eine gestörte Aktivität hinsichtlich der Produktivität und Ressourcen. Das Problem dieses Ansatz liegt in der Ermittlung eines vergleichbaren ungestörten Bauablaufs (Aktivität/Meile), denn aufgrund der Störung gibt es tatsächlich keine messbare ungestörte Meile/Aktivität.
Memorandum 2013: Im März/April 2013 hat FIDIC ein sogenanntes Memorandum zu den Klauseln 20.6 ff. veröffentlicht, das vor allem die Neuregelung der Durchsetzung von lediglich bindenden DAB Sprüchen zum Gegenstand hat. Ferner wird die Anordnung von Sicherheitsleistung bei vorläufig bindenden DAB Sprüchen geregelt (siehe dazu Hök, FIDIC Memorandum 2013 zur Vollziehung von vorläufig bindenden DAB Sprüchen, ZfBR 2013, 419 ff.).
Netzwerktechnik: Unterklauseln 8.4 und 13.3 legen es nahe, dass der Unternehmer das Bauablaufprogramm, das er gemäß Unterklausel 8.3 vorlegen muss, auf der Grundlage der Netzwerktechnik aufstellt. Unterklausel 8.4 gewährt einen Anspruch auf EOT nur dann, wenn das betroffene Ereignis auf dem jeweiligen kritischen Weg oder Pfad liegt. Nur das Organe Book aus dem Jahre 1995 enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf Netzwerktechnik. Doch die Rainbow Edition 1999 setzt ihre Anwendung voraus.
Neutral: FIDIC 2017 regelt in Unterklausel 3.7 die Verpflichtung des Engineer neutral zu handeln. Gemeint ist eine unbeeinflusste Meinungsbildung, die aufgrund der einseitigen wirtschaftlichen Bindung an den Auftraggeber nicht unparteiisch ein kann.
Prolongation Cost (PGC): direkten und indirekten Kosten der Bauzeit, die mit einer Bauzeitverlängerung einhergehen. Sie werden in der 2. Auflage des Green Book pauschal vereinbart.
Prompt: Sofort unverzüglich (vgl. Klausel 8.3 FIDIC Red Book): Ob der Begriff wirklich gut mit unverzüglich übersetzt werden kann, ist fraglich, denn es fehlt im englischen Recht an einer Legaldefinition im Sinne des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB (ohne schuldhaftes Zögern).
Reasonable: vernünftig, angemessen (Sorgfaltsmaßstab): Der Begriff taucht in den FIDIC Conditions sehr häufig auf und wird in der Regel als Sorgfalts- und Abwägungsmaßstab verwendet. Bsp: “A reasonable man” ist ein vernünftiger Mann, der jedenfalls die für ihn typische Sorgfalt an den Tag legen muss. A “reasonable engineer” muss entsprechend seiner Fachkenntnisse handeln.
Skill and care: Sorgfalt (Haftungsmaßstab): Skill and care schuldet der Architekt oder Ingenieur, während der Bauunternehmer “strict”, d.h. verschuldensunabhängig auf “fit for purpose” haftet. Soll die Planung “fit for purpose” erstellt werden, übernimmt der Ingenieur mehr als die Haftung für “reasonable skill and care” (vgl. Silver Book).
Subcontract Form: Bislang existiert nur das FIDIC Red Book Subcontract Format aus dem Jahr 2011. Eine neue Task Group beschäftigt sich mit dem Subcontract Format für Deisgn & Build Verträge. Das Subcontract Vertragsmuster ist als Back-to-Back Vertragswerk angelegt. Der Subunternehmer soll seine Verpflichtungen so erbringen, dass sich hieraus für den General- oder Hauptunternehmer keine Haftung aus dem Hauptvertrag ergeben kann. Das Back-to-Back Prinzip bringt eine Mehrbelastung von Subunternehmern mit Pflichten mit sich. Üblich ist eine Verweisungstechnik. Der Subunternehmer übernimmt sämtliche Pflichten des Hauptunternehmers in Bezug auf die Arbeiten, die mit dem Subunternehmervertrag vergeben werden. Hinzu kommen Pflichten, den Hauptunternehmer von Schaden und Nachteilen freizuhalten.
Taking-Over: Abnahme (aber ohne den gesetzlichen Hintergrund des BGB, vgl. Klausel 10 FIDIC Red Book 1999/2017), daher besser Übernahme: In den FIDIC Books wird nach Bestehen der “Tests on Completion” das Taking-Over Certificate erteilt. Zuständig ist der Engineer. Die Folgen des Taking Over sind vertraglich abschließend geregelt. Ein Rückgriff auf ähnliche nationale Begriffe verfälscht die Situation. Im Sinne des deutschen Rechts erfolgt die Abnahme erst nach Ablauf der sog. “Defects Notification Period”, also mit Erteilung des Performance Certificate (vgl. Klausel 11.9 FIDIC Red Book 1999), jedenfalls etwa soweit die Verjährungsfrist für die Mängelgewährleistung zu ermitteln ist.
Time for Completion: ist die Bauzeit, die im Appendix to Tender (Red & Yellow Book) oder in den Particular Conditions (Silver Book) oder in den Contract Data (Gold Book) in Tagen (Kalendertagen) angegeben wird, innerhalb derer das Werk fertig gestellt werden muss. Wichtig ist, dass Time for Completion erst mit dem Commencement Date beginnt, das einseitig vom Engineer mitgeteilt wird. Die Mitteilung muss binnen 42 Tagen nach Vertragsschluss erfolgen.
Time Extension: siehe Extension vor Time for Completion
Unforeseeable physical conditions: Unter diesem Begriff (vgl. Unterklausel 4.12 FIDIC 1999) werden vor allem die von den Vertragsunterlagen abweichenden Baugrundbedingungen geregelt. Unvorhersehbare Baugrundbedingungen muss der Unternehmer nicht kalkulieren. Er erhält ggf. einen Kostenausgleich und Bauzeitverlängerung. Der Begriff physical condition wird durchaus weit ausgelegt. Darunter können z.B. auch verstopfte Entwässerungsgräben fallen.
Variation: ist eine leistungsändernde Anordnung, die im FIDIC Vertragswerk eine Definition erfahren hat (siehe Klausel 1.1.6.9 FIDIC Red Book 1999; Klausel 13.1 FIDIC Red Book 1999). Als Variation wird jede Anordnung des Engineer bezeichnet, die eine Änderung des vertraglich vereinbarten Werkes (the Works) zur Folge hat oder sich auf die Wahlfreiheit des Unternehmers in Bezug auf die Arbeitsmethoden auswirkt.
Die Auslegung englischsprachiger Texte muss grundsätzlich im Kontext mit dem jeweils anwendbaren Recht erfolgen.
Überblick: Die Auslegung juristischer Texte ist eine der Bruchlinien zwischen Civil Law und angelsächsischen Rechtssystemen. In der Entwicklung des römischen Rechts stellt man eine Entwicklung von der eher objektiven zur eher subjektiven Auslegung fest. Im frühen römischen Recht lag die Betonung auf der äußeren Form. Im byzantinischen Zeitalter lag die Betonung auf eine eher objektiven Herangehensweise. In der beginnenden klassischen Periode existierte so etwas wie ein fröhliches Gleichgewicht zwischen beiden Ansätzen. Die Autoren, die den Inhalt der großen europäischen Kodifikationen beeinflussten, legten den Schwerpunkt auf die Ermittlung des tatsächlichen Willens. Sie herrscht heute noch in den meisten Civil Law Ländern vor. Im Gegensatz dazu hat das englische Recht, jedenfalls seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts die Betonung auf den gewöhnlichen, objektiv bestimmten Gehalt der Worte gelegt und Versuche unterbunden, den tatsächlichen Willen zu erforschen (vgl. Scottish Law Commission (Reports), Interpretation in Private Law [1997] SLC 160 (Report) (August 1997) URL: http://www.bailii.org/scot/other/SLC/Report/1997/160.html.
Das moderne deutsche Recht zum Beispiel
“versucht, einem mehr objektiven oder normativen Ansatz zu folgen; die Betonung liegt nicht so sehr darauf, was eine Partei gemeint haben könnte, sondern darauf, was ein vernünftiger Dritter darunter verstehen konnte. Es ist kein Raum für die Forschung nach dem wahren Willen der Parteien, wenn das gerechtfertigte Vertrauen des Adressaten Schutz verdient.
Bei der Übersetzung englischsprachiger Texte sind aber unter Umständen auch angelsächsische Auslegungsregeln zu beachten, allein um ihren ursprünglichen Sinngehalt nicht zu entstellen. Einige davon sind anchstehend aufgelistet:
Grundregel: Bei der Auslegung einer Urkunde ist die Berücksichtigung vom Umständen die außerhalb der Urkunden, liegen, unzulässig (extrinsic evdence is inadmissible).
Enthält ein Vertrag Worte, die in ihrem Kontext ohne weiteres mehr als eine Bedeutung haben können, und es wird behauptetk dass die Parteien das Wort nur in einem Sinne gebraucht haben, dann ist außerhalb der Urkunde liegender Beweis ausnahmsweise zulässig, um den Beweis für diesen Umstand zu führen (The “Karen Oltmann” [1976] 2 Ll L R 708 at 713).
Allgemeine Regel: Der subjektive Wille der Partei, die einen Begriff benutzt, ist irrelevant, wenn die andere Partei diesen Willen nicht kennt oder von ihr nicht erwartet werden kann, dass sie ihn kennt (Muirhead & Turnbull v Dickson (1905) 7F 686 at 694). Der Ansatz ist der, danach zu fragen, was ein vernünftiger Mensch dem Begriff in seinem Kontext, und, wenn eine Unklarheit besteht, unter Berücksichtigung der begleitenden Umstände, für einen Bedeutung geben würde (vgl. Glen’s Trs v. Lancashire and Yorkshire Accident Insurance Co Ltd (1906) 8F 915).
Lord Hoffman hat folgende Auslegungsregeln zusammengefasst (Investors Compensation Scheme v. West Bromwich Building Society [1997] UKHL 28; [1998] 1 All ER 98; [1998] 1 WLR 896 (19.06.1997)):
(1) Auslegung ist die Feststellung der Bedeutung, die ein Dokument einem vernünftigen Menschen vermitteln würde, der all das Hintergrundwissen hat, das den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vernünftigerweise zugänglich war.
(2) Der Hintergrund wurde in der berühmten Aussage von Lord Wilberforce als die Matrix der Fakten bezeichnet, aber dieser Satz ist eher eine untertriebene Beschreibung dessen, was der Hintergrund einschließen kann. Gemäß dem Erfordernis, dass er den Parteien vernünftigerweise zugänglich gewesen sein sollte, schließt es, mit Ausnahme dessen, was nachfolgt, absolut alles ein, was die Art, in der die Sprache des Dokuments von einem vernünftigen Meschen verstanden werden konnte, beeinflussen hätte können.
(3) Das Recht schließt von dem zulässigen Hintergrund vorangegangenen Verhanldungen der Parteien und ihre Erklärungen mit subjektivem Gehalt aus. …. .
(4) Die Bedeutung, die ein Dokument … einem vernünftigen Menschen vermitteln würde ist nicht dasselbe wie die Bedeutung seiner Worte. Die Bedeutung der Worte ist eine Angelegenheit der Wörterbücher und der Grammatik; die Bedeutung eines Dokuments ist, was die Parteien, die die Worte benutzt haben, mit Blick auf den relevanten Hintergrund vernünftiger darunter verstanden haben würden. Der Hintergrund darf es dem vernünftigen Menschen nicht lediglich ermöglichen, zwischen den möglichen Bedeutungen zu wählen, die mehrdeutig sind, sondern sogar den Schluss zulassen dass die Parteien, aus welchem Grund auch immer, die falschen Worte oder Syntay benutzt haben. (see Mannai Investments Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd. [1997] 2 WLR 945).
(5) Die Regel, dass “Worten” ihre natürliche und gewöhnliche Beduetung gegeben werden sollte, reflektiert die dem gesunden Menschenverstand entsprechenden Vorschlag, dass wir nicht leichtfertig akzeptieren, dass Menschen insbsondere in Dokumenten sprachliche Fehler gemacht haben. Würde man auf der anderen Seite gleichwohl aus dem Hintergrund schlussfolgern, dass sprachlich etwas falsch gelaufen sein muss, verlangt das Gesetz von den Richtern nicht, den Parteien einen Willen aufzuerlegen, den sie schlechthin nicht gehabt haben können. Lord Diplock hat diesen Punkt energischer hervorgehoben als er in The Antaios Compania Neviera S.A. v. Salen Rederierna A.B. 19851 A.C. 191, 201 ausgeführt hat:
- “. . . wenn detaillierte Semantik und syntaktische Analysen von Worten in einem kaufmännishcne Vertrag zu der Schlussfolgerung führt, die den gesunden Menschenverstand verspottet, muss sie so vorgenommen werden, dass sie den wirtschaftlichen gesunden Menschenverstand hervorbringt.”
Falsa demonstration non nocet: Eine pure Faschbezeichnung ist irrelevant (Stair Memorial Encyclopaedia Vol 25, para 824).
Ejsudem generis Rule: Sofern ein Verfasser oder eine Partei eines Vertrages zunächst Begriffe benutzt, die offensichtlich auf eine bestimmte Art oder Spezies von Sachen begrenzt und beschränkt sind, und dann nach einer solchen spezifischen Auflistung einen Begriff mit einer sehr weitläufigen Bedeutung hinzufügt, wird nach der Ejusdem Generis – Regel dieser, trotzdem er allgemein und weit in seiner möglichen Bedeutung ist, lediglich Dinge ejusdem generis einschließen, z.B. Dinge der selben Art oder Spezies, die die vorangestellten begrenzten und beschränkten Begriffe abdecken (vgl. Vogel v. Cobb, 193 Okl. 64, 141 P.2d 276, 277, 148 A.L.R. 77).
Die Auslegung “Contra proferentem” (gegen den Verwender oder Hervorbringenden) ist geboten, wenn vertragliche Klauseln unklar und unzweideutig sind und nicht ausverhandelt wurden.
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Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen
Ansprechpartner: Dr.Götz-Sebastian Hök
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