Cour de Cassation, civ 1er, 28.03.2000, Rep. Défrénois 2000, 1389
In notarieller Verhandlung vom 24. Juni 1987 hatten Eheleute einen Bankrekdit aufgenommen, der durch eine Hypothek besichert werden sollte, die die Ehefrau an einen ihr allein gehörden Grundstück zu bestellen hatte. Der Kredit war vereinbarungsgemäß bis zum 25. Juni 1989 zurückzuzahlen. Die Hypothek wurde am 24. Juli 1987 im Hypothekenregister eingetragen. Im einem Nachtrag vom 7. August 1989 vereinbarten die Parteien, daß die Eintragung bis zum 25. Juni 1991 fortbestehen solle. Die Eigentümerin leitete Anfang 1991 den Verkauf ihres Grundstücks ein. Mit eingeschriebenen Brief vom 21. Januar 1991 fragte der Notar deshalb bei der Bank den Stand der Verbindlichkeiten ab, den die Bank mitteilte. Am 21. Juni 1991 veräusserte die Eigentümerin das Grundstück. Das Grundpfandrecht wurde gelöscht. Die Bank nahm den Notar auf Regreß in Anspruch. Die Cour de Cassation wies ihr Rechtsmittel zurück.
1. Der Fall eignet sich, zunächst kurz die Abwicklungsmodalitäten bei Grundstücksveräusserungen in Frankreich zu schildern. Reicht der Kaufpreis nicht aus, um die Gläubiger zu befriedigen, leitet der Notar das Verfahren zur Löschung der Belastungen ein (purge). Das Verfahren dient eigentlich den Hypothekengläubigern zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen den Dritterwerber und hat im deutschen Recht keine Entsprechung. Es kann aber auch präventiv (Art. 2183 CC: ”avant les poursuites”) durch den neuen Eigentümer eingeleitet werden, um das Grundstück lastenfrei zu machen und soll einerseits den Erwerber schützen und andererseits belastete Grundstücke verkehrsfähig machen (Théry, Sûretés et publicité foncière, 2. Auflage, 1998, Rn. 189). Das Verfahren erlaubt es den Gläubigern, die förmlich benachrichtigt werden, die Zwangsverwertung des Grundstücks zu beantragen (Art. 2185 CC). Der bereits im Grundbuch eingetragene Erwerber bietet den Gläubigern an, sie bis zur Höhe des Kaufpreises oder eines zu benennendes Preises (letzteres im Falle z.B. der Schenkung) zu befriedigen. Das Angebot schafft eine neue juristische Beziehung zwischen Erwerber und Gläubigern, die unabhängig von der Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber besteht (Théry, Sûretés et publicité foncière, 2. Auflage, 1998, Rn. 193). Die Gläubiger können innerhalb einer Frist von 40 Tagen entscheiden, ob das Angebot dem Wert der Immobilie entspricht. Beantragen die Gläubiger die Einleitung der Zwangsversteigerung (adjudication sur surenchère du dixième) nicht fristgerecht, so bestimmt Art. 2186 CC, daß der Kaufpreis den Wert des Grundstücks endgültig bestimmt. Der neue Eigentümer erwirbt dann lastenfreies Eigentum (Art. 2186 CC). Widerspricht aber auch nur ein Gläubiger dem Angebot, kommt es zur Zwangsversteigerung. Dieser (der betreibende Gläubiger) läuft allerdings Gefahr, den Zuschlag zu erhalten, und zwar zu einem Preis, der 10 % höher liegt als das Angebot (Art. 838 CPC). Eigentümer wird dann der Ersteigerer. Der Erwerber wird so behandelt als sei er niemals Erwerber gewesen. Der Ersteigerer muß ihm die Kosten erstatten, die ihm entstanden sind (Art. 2188 CC).
2. Im konkreten Fall hätte aber die Hypothek vor Fristablauf erneuert werden müssen (vgl. Art. 2151-1 Code Civil). Hiermit kann die Bank den Notar beauftragen. Zulässig ist auch ein sog. ”mandat de suivi”, d.h. ein Dauerauftrag an den Notar, die Erhaltung der Hypothek sicherzustellen. Doch im konkreten Fall hatte die Bank kein derartiges Mandat erteilt. Es bestand deshalb keinerlei vertragliche Verpflichtung zwischen Notar und Bank, die Hypothek vor dem Verfall zu sichern. Es kam allein ein außervertraglicher Anspruch der Bank in Betracht. Doch auch diesen verneinte die Cour de Cassation mit dem Hinweis, der Notar sei nicht verpflichtet, die von ihm zur Eintragung gebrachte Hypothek zu überwachen oder zu erneuern.
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