Ein Berufungsgericht verletzt durch ihre falsche Anwendung die Art. 870 und 871 CC, indem es ausspricht, dass die Verbindlichkeiten und Lasten einer Erbschaft einer Verstorbenen von den Universalvermächtnis- und den Teilvermächtnisnehmern jeder für seinen Teil und Anteil der Erbschaft getragen werden müssen, ohne dem Einfluss des „Legs de residuo“ Rechnung zu tragen, obwohl im Todesfall des Universalvermächtnisnehmers der Teilvermächtnisnehmer die Gesamtheit der Güter, die aus dem Nachlass der Verstorbenen verblieben waren, und die Nichte des Universalvermächtnisnehmers nur die Güter, die den Nachlass ihres Onkels ausmachten, erhalten (Übersetzung des Leitsatzes aus dem Französischen).
Cour de Cassation, 08.02.2005, D. 2005, 1674
Der vorstehende Leitsatz ist aus sich heraus kaum verständlich und bedarf daher der Erläuterung. Die Erblasserin (E) hatte zugunsten ihres Ehemannes testamentarisch ein Universalvermächtnis ausgesetzt und zugleich zugunsten eines Dritten (ihres Bruders) ein sog. legs de residuo (Nachvermächtnis) verfügt. Nun verstarb der Universalvermächtnisnehmer (also der Ehemann), bevor er die Verbindlichkeiten des Nachlasses nach der E berichtigt hatte. Es war nun fraglich, wer für die Verbindlichkeiten haftete. In Frage kamen der Begünstigte des Nachvermächtnisses (also der Bruder der Erblasserin) und die Nichte des verstorbenen Universalvermächtnisnehmers (des Ehemannes der E), die von ihrem Onkel bedacht worden war. Das Berufungsgericht befand, dass die Verbindlichkeiten aus dem ersten Nachlass von den Erbberechtigten (also dem Bruder und der Nichte) anteilig zu tragen seien. Der Kassationshof hob die Entscheidung wegen Verletzung der Art. 870, 871 Code Civil auf. Es haftet allein der Nachvermächtnisnehmer, also der Bruder.
Das legs de residuo ist eine Konstruktion, die von der französischen Rechtsprechung seit dem 19. Jahrhundert anerkannt ist. In der Sache handelt es sich um eine testamentarische Verfügung mit zweifachem Gehalt. Zunächst wird eine Person bedacht, allerdings mit dem Zusatz, dass die Zuwendung unter zwei Bedingungen an einen Dritten fallen soll. Die erste Bedingung ist der Tod des Erstberechtigten. Die zweite Bedingung geht dahin, dass im Augenblick des Todes des Erstberechtigten von der Zuwendung noch etwas vorhanden sein muss. Dieser verbleibende Teil geht dann an den Nachvermächtnisnehmer über. Der erste Begünstigte ist in seiner Verfügungsmacht nicht beschränkt, wenngleich die Umschichtung des Vermögens, d.h. der Erwerb von Vermögen vermittels des Verkaufserlöses aus dem gebundenen Vermögen Substitutionscharakter hat (Cass.civ., 02.06.1993, D. 1993, 613).
Grundsätzlich haften die verschiedenen Vermächtnisnehmer im Verhältnis ihrer effektiven Beteiligung am Nachlass. Für den Fall des legs de residuo soll dies nach Auffassung des Kassationshofes anders sein.
Die Entscheidung der Cour de Cassation ist insoweit bedenklich als sie zu Missbrauch einlädt, denn verfügt der Erstberechtigte zu großen Teilen über das Vermächtnis und verbleibt nur ein kleiner Rest, ohne dass der Erstberechtigte die Verbindlichkeiten berichtigt, dann würde gleichwohl der Nachvermächtnisnehmer allein für die Verbindlichkeiten einzutreten haben (vgl. Brenner D. 2005, 1674 ff.).
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