Das belgische Erbrecht orientiert sich dogmatisch am französischen Erbrecht. Es sind jedoch sehr erhebliche Unterschiede entstanden, so dass das belgische Erbrecht heute einen eigenständigen Gehalt hat, insbesondere was das Ehegattenerbrecht betrifft.

I. Internationales Belgisches Erbrecht

Das belgische Internationale Erbrecht stützte sich ursprünglich auf Art. 3 Code Civil. Dort hieß es, dass unbewegliche Güter, auch diejenigen, die sich im Besitz von Ausländern befinden, dem [belgischen] Gesetz unterliegen. Hieraus folgte, dass die erbrechtlichen Folgen des Versterbens einer Person unterschiedlich angeknüpft wurden.

Am 1. Oktober 2004 trat das Gesetz vom 16. Juli 2004 zur Einführung des Gesetzbuches zum Internationalen Privatrecht (IPRG) in Kraft. Das Internationale Erbrecht hat sich dadurch nur unwesentlich geändert, jedoch finden sich nun in den Art. 77 ff. des belgischen IPRG eingehende Regelungen zur Internationalen Zuständigkeit und zum erbrechtlichen Kollisionsrecht. Die Grundnorm ist Art. 78 IPRG. Dort heißt es:

Art. 78.
§ 1. Die Erbfolge wird von dem Recht des Staates beherrscht, auf dessen Territorium der Erblasser seinen ständigen Wohnsitz im Augenblick des Todes hatte.
§ 2 Die Erbfolge in Immobilien wird von dem Recht des Staates beherrscht, auf dessen Territorium die Immobilie belegen ist.
Jedenfalls, wenn das ausländische Recht zur Anwendung des Rechts des Staates führt, auf dessen Territorium der Erblasser im Augenblick seines Todes seinen ständigen Wohnsitz hatte, dann ist das Recht dieses Staates anwendbar.

Neu ist der Inhalt des Art. 79 IPRG, wo es heißt:

Wahl des anwendbaren Rechts
Art. 79. Eine Person kann die Gesamtheit seines Nachlasses dem Recht eines bestimmten Staates unterwerfen. Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn diese Person die Staatsangehörigkeit dieses Staates besaß oder sie ihren ständigen Wohnsitz auf dem Gebiet dieses Staates hatte, als sie die Bestimmung vornahm oder starb. Jedenfalls kann diese Bestimmung nicht zur Folge haben, einem Erben seine Noterbenrechte zu nehmen, die diesem nach dem gemäß Art. 78 anwendbaren Recht zugesichert sind.
Die Bestimmung und der Widerruf müssen in der Form einer letztwilligen Verfügung erklärt werden

Das anwendbare Erbrecht in Bezug auf Mobilien und in Bezug auf Immobilien unterliegen also auch in Zukunft unterschiedlichen Rechtsordnungen. Hinsichtlich der Immobilien ist die lex rei sitae (das Lagerecht der Immobilie) und hinsichtlich der Mobilien der letzte Wohnsitz des Erblassers entscheidend (lex ultimi domicilii). Gemäß Art. 4 § 2 Nr. 1 IPRG versteht sich der ständige Wohnsitz als

der Ort, wo sich eine natürliche Person mit Hauptwohnsitz niedergelassen hat, selbst mangels jeglicher Eintragung und unabhängig von einer Aufenthalts- oder Niederlassungsgenehmigung; um diesen Ort festzustellen, sind insbesondere die persönlichen und beruflichen Umstände zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen mit diesem Ort oder den Willen, solche Beziehungen zu knüpfen, offenbaren.

Die Ermittlung des letzten Domizils des Erblassers hat aber nicht nur Bedeutung für die Ermittlung des anwendbaren Erbrechts (soweit bewegliches Nachlassvermögen betroffen ist), sondern auch für die Besteuerung des Nachlasses und die Zuständigkeit der Nachlassgerichte. Hat der Erblasser sein letztes Domizil in Belgien gehabt, ist der Nachlass -vorbehaltlich ebstehender Dopplebesteuerungsabkommen- vollstänig in Belgien zu versteuern, gleich wo sich einzelne Nachlassgegenstände befinden (vgl. de Wilde d´Estmael, Transférer son patrimoine dans le cadre d´une planification successorale, 11). Hat der Erblasser dagegen sein letztes Domizil nicht in Belgien gehabt, sind etwa vorhandene Immobilien in Belgien gleichwohl in Belgien zu versteuern (vgl. de Wilde d´Estmael, Transférer son patrimoine dans le cadre d´une planification successorale, 11). Die belgischen Nachlassgerichte sind zuständig, wenn die Erbschaft in ihrem Bezirk eröffnet wird, was der fall ist, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnistz im Sprnegle eines belgsichen Gerichts besaß (vgl. Delnoy, Les Libéralités et les successions, 2. Auflage, Rn. 58).

Auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers und der Erben kommt es aus belgischer Sicht nicht an. Während der Erblasser jedoch früher das auf den Nachlass anwendbare Recht nicht wählen konnte (Barnich/Geelhand/Jacobs/Mathieu in: Union Internationale du Notariat Latin, Régimes Matrimoniaux, Successions et Libéralités, Länderbericht Belgien, Rn. 70), ist die Rechtswahl nun innerhalb der Schranken des Art. 79 IPRG zulässig. Doch dürfte die Vorschrift nur wenig praktische Bedeutung haben, denn die Noterbenrechte des gesetzlichen Erbstatuts bleiben anwendbar. Ob und inwieweit im Falle der Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts in Belgien Grundbuchumschreibungen durch Vorlage eines deutschen Erbscheines realisiert werden können, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Die neuen Vorschriften über die Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen und sog. “actes authentiques” enthalten hierzu ebensowenig konkrete Hinweise wie zeitgleich erlassene “Circulaire relative aux aspects de la loi du 16 juillet 2004 portant le Code de droit international privé concernant le statut personnel” vom 23. September 2004.

Folglich kann belgisches Erbrecht auch in Zukunft Anwendung finden, wenn der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war, und zwar dann, wenn der Erblasser Immobilienvermögen in Belgien besaß, das zum Nachlass gehört. Deutschland erkennt dies ohne weiteres an (vgl. Art. 3 Abs. 3 EGBGB), es sei denn der Erblasser optiert zum deutschen Recht. Mangels Rechtswahl kommt es dann zur Nachlassspaltung. Auch hinsichtlich des Mobiliars folgen das deutsche und das belgische Internationale Erbrecht unterschiedlichen Lösungen, die sich jedenfalls auf mobilen Nachlass auswirken können, der im Zeitpunkt des Erbfalls in Belgien liegt. Hatte ein deutscher Staatsangehöriger seinen letzten Wohnsitz in Belgien, kommen belgische Gerichte zur Anwendung belgischen Erbrechts, deutsche Gerichte würden dagegen zur Anwendung deutschen Erbrechts kommen (vgl. Art. 25 EGBGB). In solchen Fällen kann es Sinn machen, sich im Falle von Streitigkeiten das zuständige Gericht nach dem Günstigkeitsprinzip auszusuchen. Die deutschen Prozessgerichte erachten sich mit Blick auf § 27 Abs. 2 ZPO stets für zuständig, wenn der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war (vgl. Groll/Kindler, Erbrecht, F Rn. 186). Entweder ist dann das Gericht am letzten inländischen Wohnsitz oder aber, wenn der Erblasser niemals einen Wohnsitz in Deutschland hatte, die Berliner Justiz zuständig (vgl. §§ 27 Abs. 2, 15 ZPO). Sachlich und örtlich zuständig für das Erbscheinsverfahren sind die Nachlassgerichte (§§ 73, 74 FGG). Ihre Internationale Zuständigkeit folgt nach h.M. (vgl. Groll/Kindler, Erbrecht, F Rn. 197) aus der Anwendbarkeit deutschen Erbrechts (Gleichlauftheorie).

Internationalprivatrechtliche Schwierigkeiten können die Rechte des überlebenden Ehegatten aufwerfen. Das belgische Internationale Erbrecht behandelt nur solche mit dem Erbfall zusammenhängenden Fragen familienrechtlich, die sich aus der Vermögensgemeinschaft der Ehegatten ergeben (Barnich/Geelhand/Jacobs/Mathieu in: Union Internationale du Notariat Latin, Régimes Matrimoniaux, Successions et Libéralités, Länderbericht Belgien, Rn. 83).

II. Nationales Erbrecht

Die Erbfolge wird durch den Tod eröffnet (Art. 718 Code Civil).

1. Grundsätze

Das materielle belgische Erbrecht folgt folgenden Grundsätzen:

  •  Einheit der Erbmasse
  • Typenmehrheit in Bezug auf die Erbfolge; sie kann von Gesetzes wegen, aufgrund testamentarischer Anordnung oder aufgrund Vertrages eintreten
  • Freiwilligkeit der Erbfolge, d.h. niemand ist gezwungen die Erbfolge anzutreten
  • Recht auf Nachlassteilung und Anspruch auf einen Teil in Natur
  • Kombination aus gewillkürter und gesetzlicher Erbfolge (dispositiv oder zwingend mit Noterbenrecht)
  • Verbot von Erbverträgen

Im Grundsatz wird die Erbfolge den Kindern und Abkömmlingen des Erblassers, seinem überlebenden Ehegatten (soweit nicht von ihm geschieden und nicht von Tisch und Bett getrennt), seinen Vorfahren und die Nebenlinien bis zu vierten Grad, mit Ausnahme des Falles der Repräsentation zugewiesen.

(1. Prinzip) Das Gesetz unterscheidet tatsächlich vier Erbordnungen (Blutsverwandtschaft):

  •  Abkömmlinge des Erblassers
  • Privilegierte Nebenlinien (Eltern und Geschwister des Erblassers)
  • Vorfahren (Verwandte der aufsteigenden Linie)
  • Einfache Nebenlinien

Zu den privilegierten Nebenlinien gehören Brüder, Schwester und deren Abkömmlinge zusammen ggf. mit den Eltern

Jede der Ordnungen schließt im Prinzip die folgende Ordnung von der Erbfolge aus.

(2. Prinzip) Ferner ist ein als zweites Prinzip der Erbfolge das des Erbgrades (degré) zu nennen. Innerhalb jeder Ordnung kommt der am nächsten Verwandte zum Zuge. Allerdings gilt dieses Prinzip nicht ausnahmslos (z.B. fente).

(3. Prinzip) Schließlich ist als drittes Prinzip das der Erbfolge nach Köpfen zu nennen. Die Erben desselben Verwandtschaftsgrades erben zu gleichen Teilen.

2. Erbfolge

Erbberechtigt sind die Kinder und deren Abkömmlinge, unabhängig von ihrem Geschlecht und der Vorgeburt (Art. 745 Code Civil). Mehrere Kinder erben zu gleichen Teilen. Der überlebende Ehegatte erhält, wenn der Erblasser Erbberechtigte in vorstehendem Sinne hinterlässt, von dem vorverstorbenen Ehegatten den Teil der gemeinsamen Vermögens insgesamt; an dem Alleinvermögen des vorverstorbenen Ehegatten erhält der überlebende Ehegatte das Nießbrauchsrecht am gesamten Vermögen (vgl. Art. 745bis Code Civil). Hinterlässt der Erblasser keinen Erbberechtigten, erhält der überlebende Ehegatte das gesamte Nachlassvermögen des Erblassers (Art. 745bis Code Civil). Hinterlässt der Erblasser keine Nachkommen, keine Brüder, keine Schwestern und auch keine Abkömmlinge dieser, erben die Eltern der mütterlichen und die Eltern der väterlichen Linie jeweils zu ein Halb (vgl. Art. 746 Code Civil).

Der Umfang des Ehegattenerbrechts bestimmt sich nach dem Güterstand, in dem die Ehegatten gelebt haben, sowie nach der Existenz erbberechtigter Verwandter.  Der Verwandtschaftsgrad bestimmt sich nach der Anzahl der die Beteiligten vermittelnden Geburten.

Erben der 1. Klasse erben zu gleichen Teilen. Hinterlässt der Erblasser neben Erben der 1. Klasse auch einen Ehegatten, erbt der überlebende Ehegatte gemäß Art. 745 Code Civil ein Nießbrauchsrecht am gesamten Nachlass, also an dem Eigentum des Verstorbenen sowie am Anteil des Gesamtgutes, sofern die Eheleute im (belgischen) gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gelebt haben. Lebten die Ehegatten im Güterstand der Güterrennung, dann erstreckt sich das Nießbrauchsrecht nur auf Eigentum des Erblassers. Bestand zwischen den Ehegatten eine Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht erbt der überlebende Ehegatte ebenfalls den Nießbrauch am gesamten Eigengut des Erblassers (Hustedt in: Süß/Has, Erbrecht in Europa, Belgien Rn. 39). Nach h.M. in Belgien kommt § 1371 Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung, weil das deutsche Recht insoweit erbrechtlich qualifiziert wird. Demzufolge würde dann § 1371 Abs. 2 BGB einschlägig sein, d.h. es müsste der Zugewinnausgleich mathematisch durchgeführt werden. Dies wiederum würde bedeuten, dass der bis zum Todestag aufgelaufene Wertzuwachs ab dem Erwerbstag zu ermitteln wäre.

3. Testierfreiheit

Es herrscht grundsätzlich Testierfreiheit. Zum Schutz bestimmter Personen arbeitet das belgische Erbrecht mit sog,. Noterbenrechten (droit réservataires). Allerdings hat sich das belgische Recht gegenüber dem überlebenden Ehegatten großzügiger entwickelt als das französische (vgl. Art. 1094 Code Civil).

Die Noterben sind gesetzliche Erben, denen das Gesetz einen Mindestanteil am Nachlass (die „réserve“) vorbehält. Über den Rest kann der Erblasser frei disponieren (die „quotité disponible“).

Noterben sind die Kinder und ihre Abkömmlinge, die Vorfahren und seit 1981 der überlebende Ehegatte (Art. 916 Code Civil). Hinterlässt der Erblasser einen Nachkommen, erbt dieser die Hälfte. Hinterlässt er zwei Nachkommen, besteht der Noterbenanteil in zwei Dritteln am Nachlass. Hinterlässt er drei oder mehr Nachkommen erhöht sich der Noterbenanteil auf drei Viertel des Nachlasses (Art. 913 – 914 Code Civil).

Vorfahren sind im Falle ihrer Erbberechtigung mit einem Noterbenrecht von jeweils einem Viertel pro Linie begünstigt. Allerdings ist dieses Noterbenrecht nicht absolut und kann durch Verfügungen zugunsten des überlebenden Ehegatten teilweise oder auch vollständig ausgehebelt werden.

Das Noterbenrecht des Ehegatten besteht grundsätzlich in einem Nießbrauchsrecht (usufruit). Das Nießbrauchsrecht des Ehegatten besteht im Prinzip aus dem Nießbrauchsrecht an der Hälfte des Nachlassvermögens (Art. 915bis Code Civil). In jedem Fall erwirbt der überlebende Ehegatte Nießbrauchsrechte an den sog. Vorzugsgegenständen (biens préférentiels). Die Immobilie, die im Zeitpunkt des Todes als Familienwohnsitz genutzt wird und das dazugehörige Mobiliar (vgl. Delnoy, Les Libéralités et les successions, 2. Auflage, Rn. 176).

Bei Vorhandensein von Kindern kann der Erblasser wie folgt frei testieren (Art 913 Code Civil):

Kinderanzahl Noterbe Freiteil
1 Kind 1/2 1/2
2 Kinder 2/3 1/3
3 Kinder 3/4 1/4

Hinterlässt der Erblasser Kinder und einen Ehegatten, so kann er dem Ehegatten die unter Berücksichtigung der Anzahl der Kinder vorhandene freie Quote vermachen. Darüber hinaus kann er ein Nießbrauchsrecht an der Quote des Nachlasses, die dem Noterbenrecht der Kinder unterliegt, verfügen (vgl. Art. 1094, 915bis Code Civil). Andererseits kann er den überlebenden Ehegatten auf sein Noterbenrecht aus Art. 915bis Code Civil setzen. Wenn der überlebende Ehegatte mit anderen Erben in Konkurrenz steht, zu deren Gunsten das Gesetz ein Noterbenrecht vorsieht, entfällt das des Ehegatten verhältnismäßig auf das der Miterben und das Freiteil (Art. 915bis § 4 Code Civil).

Hinterlässt der Verstorbene also ein Kind und seinen Ehegatten, so beträgt das Noterbenrecht des Kindes ½ am Eigengut des Erblassers. Das Nießbrauchsrecht des Ehegatten an der anderen Hälfte des Nachlasses lastet mithin zu ½ auf dem Noterbenrecht (nackten Eigentum des Kindes) und zu ½ auf dem Freiteil, anders gesagt die Hälfte des Nießbrauchs des überlebenden Ehegatten lastet auf dem Erbteil des Kindes und die andere Hälfte auf dem Freiteil. Folglich erhält das Kind nicht ½ des Eigentums, sondern nur ¼ des Volleigentums und ¼ des nackten Eigentums.

4. Annahme der Erbschaft

Die Erbschaft kann mit oder ohne den Vorteil (Vorbehalt) des Inventars angenommen werden (Art. 774 Code Civil). Der wesentliche Vorteil der Erbschaftsannahme unter dem Vorbehalt des Inventars liegt darin, dass die Haftungsmassen nicht vermischt werden. Die Erben haften für Nachlassverbindlichkeiten nur mit dem Nachlass.

5. Nachlassabwicklung

Der Nachlass fällt direkt an die Erben (Anwachsungsprinzip). Doch kommen die Erben nicht ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Stellen aus.

a. Sterbeurkunde – Acte de décès

Art. 77 Code Civil – Keine Beerdigung findet ohne eine […] kostenlos erteilte Erlaubnis des Standesbeamten statt, der diese erst erteilen darf, nachdem er sich zur verstorbenen Person begeben hat, um sich des Todes zu vergewissern, und erst vierundzwanzig Stunden nach dem Tod, ausser in den durch Polizeiverordnungen vorgesehenen Fällen.
[Art. 77 implizit abgeändert durch Art. 81 des Erlasses des Regenten vom 26. Juni 1947 (B.S. vom 14. August 1947)]
Art. 78 Code Civil – Die Sterbeurkunde (acte de décès) wird vom Standesbeamten aufgrund der Erklärung zweier Zeugen ausgefertigt. Diese Zeugen sind, soweit möglich, die zwei nächsten Verwandten oder Nachbarn oder, wenn eine Person außerhalb ihres Wohnsitzes gestorben ist, die Person, bei der sie gestorben ist, und ein Verwandter oder eine andere Person.

Der Tod wird durch die Sterbeurkunde (acte de décès) nachgewiesen (vgl. Art. 77 bis 79 Code Civil).

b. Acte de notoriété (Erbnachweis)

In Belgien existiert weder ein erbrechtliches Einweisungsverfahren wie in England und Wales oder in Österreich noch ein Erbscheinsverfahren deutscher Prägung sondern die Erbeneigenschaft wird durch eine öffentliche Urkunde bewiesen. Diese Urkunde nennt man den „acte de notoriété“, für deren Erstellung die Notare verantwortlich sind. Anders als in Frankreich existieren dafür allerdings keine besonderen gesetzlichen Vorschriften. Die Verantwortung des Notars folgt aus den Vorschriften über unerlaubte Handlungen und Quasidelikte. Dritte sind über die Theorie des scheinbaren Erben (théorie de l’héritier apparent) geschützt. Als Alternative zum acte de notoriété hat sich in Belgien die „attestation d’hérédité“ herausgebildet. Hierbei handelt es sich um ein Schreiben, durch das der Notar seine Eigenschaft als liquidierender Notar anzeigt und sich zur Verteilung der Vermögenswerte unter seiner Verantwortung verpflichtet. Für eine Bank ist ein solches Schreiben ausreichend, wenn der betroffene Betrag nicht höher als 50.000 € ist.

III. Steuerrecht

Erbschaftsteuer und Übertragungsteuer (droits de succession et droits de mutation) fallen mit dem Tod des Erblassers an. Mit dem Tod des Erblassers entsteht das Recht des Fiskus, Erbschaftsteuer zu fordern, wenn der Erblasser in Belgien wohnhaft war. Die Erbschaftsteuer fällt auf den Wert des Nachlasses an, der unter Abzug der Nachlassverbindlichkeiten ermittelt wird. Die Übertragungsteuer fällt allein auf die in Belgien belegenen Immobilien an, wenn der Erblasser außerhalb Belgiens wohnhaft war (vgl. de Wilde d´Estmael, Les droits de succession, 4. Auflage, Brüssel 2004, Rn. 1).

Erbschaftsteuer (droits de succession) wird mithin im Falle des Versterbens einer in Belgien wohnhaften Person auf den Wert seines gesamten Vermögens erhoben, auch wenn sich dieses im Ausland befinden sollte. Die Übertragungssteuer (droits de mutation) fällt an, wenn der Erblasser im Ausland wohnte und Immobilien in Belgien besaß.

Beispiel: Herr Müller ist Deutscher und hält sich für die Dauer von vier Monaten in Belgien auf, um dort für seinen Arbeitgeber zu arbeiten. Während dieser Zeit bleibt seine Familie (Ehefrau und 2 Kinder) in Deutschland. Herr Müller verstirbt während seines Aufenthalts in Belgien. In einem solchen Fall müssen die Erben keine Erbschaft- oder Übertragungssteuer in Belgien entrichten, es sei denn Herr Müller hat zwischenzeitlich in Belgien Immobilieneigentum erworben.

Seit 1989 liegt die Gesetzgebungskompetenz in Bezug auf die Steuerhöhe bei den Regionen (vgl. de Wilde d´Estmael, Les droits de succession, 4. Auflage, Brüssel 2004, Rn. 50 ff.).

In der Wallonie liegt der Steuersatz für Kinder und Ehegatten wertabhängig zwischen 3 bis 30 %. Beträge bis 12.500 € sind steuerfrei. Für andere Erben liegen die Steuersätze zwischen 20 und 65 %. Es gibt keinen Freibetrag.

In Flandern liegt der Steuersatz für Kinder und Ehegatten wertabhängig zwischen 3 bis 27 %. Es gibt keinen Freibetrag. Für andere Erben liegen die Steuersätze zwischen 30 und 65 %. Es gibt keinen Freibetrag.

In der Region Brüssel liegt der Steuersatz für Kinder und Ehegatten wertabhängig zwischen 3 bis 30 %. Es gibt keinen Freibetrag. Für Geschwister liegen die Steuersätze zwischen 20 und 65 %. Für Onkel und Tanten etc. liegen die Steuersätze zwischen 35 und 70 %. Es gibt keinen Freibetrag. Für andere Erben liegen die Steuersätze zwischen 40 und 80 %. Es gibt keinen Freibetrag.

Zum Nießbrauchsrecht in Belgien ist Folgendes anzumerken: Das Nießbrauchtsrecht ist eine Eigentumsbelastung. Es ist möglich, das Eigentum an einem Gegenstand getrennt vom Nutzungsrecht (dem Nießbrauchsrecht) zu erwerben. IN einem solchen Fall nennt man den Eigentumsstamm die nue propriété (nacktes Eigentum). Steuerrechtlich sind beide Rechte, also der Eigentumsstamm und das Nießbrauchsrecht getrennt zu bewerten. Es gibt dafür im belgischen Steuerrecht gesetzliche Regelungen, die das Alter des Nießbrauchsberechtigten berücksichtigen. Grundsätzlich wird der Wert des Nießbrauchs aus dem Verkehrswert (valeur vénale) x 4 % x altersabhängiger Koeffizient berechnet.

Beispiel: Nießbrauchsberechtigter ist älter als 50 Jahre, hat aber das 55. Lebensjahr noch nicht überschritten. Dann beträgt der Faktor 13. Von 55 bis 60 Jahre beträgt der Faktor 11. Von 60 bis 65 Jahre 9,5 und von 65 bis 70 Jahre 8.

Wird der Wert einer in Belgien belegenen Immobilie z.B. mit 125.000 € angegeben, würde sich der Wert des Nießbrauchs am gesamten Eigentum auf 125.000 € x 4 % x 9,5 (=47.500 €) belaufen, wenn der überlebende Ehegatte zum Zeitpunkt des Todes zwischen 60 und 65 Jahre alt war.