Beitrag zur Praxis und Handhabung von Internationalen Bauverträgen

Einleitung

Internationale Bauvorhaben haben Berührungspunkte zu verschiedenen Rechtsordnungen, Kulturen und Mentalitäten. Klimatische Bedingungen, schlechte Infrastruktur, instabile politische Verhältnisse und andere Herausforderungen gestalten die Aufgabenstellung der bauleitenden Ingenieure und Unternehmen sehr komplex. Üblicherweise helfen bei der Steuerung solcher Vorhaben nationale Standardbedingungen, wie die AFNOR-Bedingungen in Frankreich, die SIA-Bedingungen in der Schweiz, die VOB/B in Deutschland, die NEC4 oder JCT-Bedingungen in England oder die AIA-Bedingungen in den Vereinigten Staaten. Allen gemein ist ihre Einbettung in eine (nationale) Rechtsordnung, ohne die die jeweiligen Bedingungen keinesfalls oder allenfalls schwierig handhabbar sind. Die nationalen Rechtsordnungen wiederum unterscheiden sich zum größten Teil sehr erheblich (vgl. Hök, Handbuch des internationalen und ausländischen Baurechts, 2. Auflage, 2012, Länderberichte). Für den Juristen hilfreich ist die Zuordnung der vorhandenen Rechtsordnungen in sog. Rechtsfamilien (kontinentaleuropäische Rechtsordnungen -civil law-Rechtsordnungen-, anglo-amerikanische Rechtsordnungen, religiöse Rechtsordnungen). Doch lassen sich insoweit nur sehr wenig Gemeinsamkeiten entdecken. Geht es um Details, sind die englische und die US-amerikanische Rechtsordnung (die einer Rechtsfamilie zugeordnet werden) wiederum sehr unterschiedlich, zumal in den USA jeder Bundesstaat eine eigene Gerichtsbarkeit und ein eigenes materielles Recht hat. Entsprechendes gilt für kanadische und australische Rechtsordnungen. Deshalb sind im internationalen Geschäft Standardbedingungen zu begrüßen, die von vornherein die Bedürfnisse der Baustellenkoordination und –abwicklung unter einem internationalen Ansatz betrachten und regeln. Zu den bedeutsamsten internationalen Standardbedingungen gehören die sog. FIDIC-Bedingungen.

FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils/International Federation of Consulting Engineers) ist ein kontinentaleuropäischer und internationaler Berufsverband. In ihm sind die nationalen Verbände der Beratenden Ingenieure organisiert. FIDIC ist mithin eine private Organisation, keine supranationale Einrichtung mit Rechtssetzungskompetenz. Somit handelt es sich aus deutscher Sicht bei dem FIDIC-Regelwerk um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB.

Die FIDIC-Bauvertragsbedingungen (die sog. Rainbow Edition) liegen in der 5. (alte Zählung) völlig neu gestalteten Auflage aus dem Jahr 1999 (1. Auflage 1999) sowie in der 2. Auflage 2017 vor. Hinzu gekommen sind das sog. Dredging & Reclamation Form für Tiefbau- und Wasserbauarbeiten sowie das Design, Build & Operate Vertragsmuster (auch Gold Book genannt), ferner das FIDIC Subcontract Form (2011), das Tunneling Form (Emerald Book, 2019) und das FIDIC Design & Build Subcontract Form (2019). Die Vertragssprache ist grundsätzlich Englisch, wenngleich die Parteien ihre Vertragssprache wählen können (Klausel 1.4 FIDIC 1999/2017). Es existieren aber verschiedene Übersetzungen in die Landessprache der Mitgliedsorganisationen der FIDIC, z.B. deutsche und polnische Übersetzungen und zwischenzeitlich auch eine französische, die über FIDIC bezogen werden kann.

Besondere Bedeutung haben die Bedingungen der FIDIC dadurch erlangt, dass sie von der Weltbank empfohlen werden und Teil ihrer Standardverträge (SBDW 2005 – 2012) sind (vgl. dazu Hök ZfBR 2005, 742 ff.). Auch für die Auflage aus dem Jahr 2017 hat die Weltbank eine Nutzungslizenz unterschrieben. Allerdings wird es keine weltbankeigene FIDIC Version des Red Book mehr geben. In Zukunft will die Weltbak wieder stärker den Gedanken der Particular Conditions aufgreifen, um bankeigene Sprachregelungen einzuführen.

Die FIDIC-Bedingungen sind in Deutschland nach wie vor weitgehend unbekannt. Seit einiger Zeit haben allerdings Universitäten, Fachhochschulen und Verbände das Thema entdeckt. Praktische Anwendung finden die FIDIC Vertragswerke aber vorwiegend im Ausland. Seit jeher werden FIDIC Vertragswerke in Teilen Afrikas und Asiens verwendet. Seit der Öffnung der osteuropäischen Märkte haben sich die FIDIC-Bedingungen auch in Europa rasant verbreitet. In Äthiopien, Botswana, Indonesien, Polen, Tschechien, Ungarn, in den baltischen Staaten und in Rußland aber auch der Türkei, den Philippinen,  und in Vietnam werden die FIDIC-Bedingungen stark genutzt. In Polen wird oftmals auch die Vergabe öffentlicher Bauaufträge an die FIDIC-Bedingungen geknüpft, was dadurch erleichtert wird, dass es polnische Übersetzungen der Bedingungen gibt. Es in Polen Schulungs- und Maßnahmenprogramme, um die FIDIC-Baubedingungen für die Praxis bekannt zu machen. Die SIDIR (der nationale polnische Ingenieurverband) akkreditiert sog. FIDIC-Ingenieure.

Die FIDIC hat eine größere Anzahl verschiedener Vertragstypen herausgegeben.

Conditions of Contract for EPC Turnkey Projects / FIDIC 1st edition, 1999 (Silver Book)
Conditions of Contract for Plant and Design-Build / FIDIC 1st edition, 1999 (Yellow Book)
Conditions of Contract for Construction / FIDIC 1st edition, 1999 (Red Book)
Conditions of Contract for Works of Civil Engineering
Construction / FIDIC 4th edition, 1987 – Part I and II
Conditions of Contract for Works of Civil Engineering
Construction / FIDIC 4th edition, 1987 – Part I only
Tendering Procedure / FIDIC 1st edition, 1982
Standard prequalification form for contractors / FIDIC
Client / Consultant Model Services Agreement / FIDIC 2nd edition, 1991
Guidelines and Terms of Reference for the Preparation of Project Cost Estimates / FIDIC 1st edition, 1980
Selection by ability – FIDIC guidelines on quality based selection of consulting engineer / FIDIC 1st edition, 1991
Conditions of Contract for Design-Build and Turnkey / FIDIC 1st edition, 1995
White Book Guide (Guide to “Client / Consultant Model Services Agreement”) / FIDIC 1st edition, 1991
Supplement to Conditions of Contract for Works of Civil Engineering Construction/ FIDIC 1st edition, 1996

Hinzu gekommen sind seit 2006:

  • das White Book (Consultant Services Agreement)
  • das Dredging & Reclamation Form, 1st Edition 2006
  • das Dredging & Reclamation Form, 2nd Edition 2016
  • das Design, Build & Operate Form (Gold Book), 2008
  • das FIDIC Subcontract Form, 2011
  • das FIDIC Design & Build Subcontract Form, 2019
  • Conditions of Contract for EPC Turnkey Projects / FIDIC 2nd edition, 2017 (Silver Book)
  • Conditions of Contract for Plant and Design-Build / FIDIC 2nd edition, 2017 (Yellow Book)
  • Conditions of Contract for Construction / FIDIC 2nd edition, 2017 (Red Book)
  • Conditions of Contract for Underground Works (2019 Emerald Book)

II. Überlegungen zur Vertragsgestaltung

Im internationalen Geschäft wachsen die Anforderungen an die Vertragsgestaltung stetig. Die Parteien müssen sich Gedanken über das anwendbare Recht machen und die internationale Zuständigkeit der für ihren Vertrag zuständigen Gerichte wählen. Das Sprachrisiko ist zu erwägen. Missverständnisse durch Unkenntnis der Sprache gehen zu Lasten des Sprachunkundigen. Mit der Entscheidung zugunsten einer bestimmten Rechtsordnung ist verbunden, dass die Parteien ihren Vertrag einem ergänzenden und lückenausfüllenden Recht unterwerfen, das überdies -je nach gewähltem Recht- unterschiedliche zwingende Normen enthalten kann. Wählen sie ein neutrales Recht, kann gleichwohl das Recht des Baustellenortes in den Vertrag hineinwirken. Durch die Rechtswahl kann nicht ausgeschlossen werden, dass zwingende Bestimmungen des Baustellenortes Geltung beanspruchen (verwaltungsrechtliche Vorgaben, Haftungsregelungen, Sicherheitsbestimmungen, technische Normen, Sozialversicherungsvorschriften, Steuerregelungen, usw.). In jedem Fall wird geraten, kein Recht zu wählen, das einer der Parteien fremd ist. Durch die Festlegung des Gerichtsortes wird das im Streitfall anzuwendende Verfahren und das anwendbare Kollisionsrecht präjudiziert. Rechtswahlklauseln und Gerichtsstandsvereinbarungen (und Schiedsklauseln) haben daher weitreichende Auswirkungen und wollen wohl bedacht sein (vgl. Hök IBR 2006, 367).

Trotz der immer wieder aufflackernden Diskussion um eine sog. lex mercatoria existiert kein internationales einheitliches Handels- oder Wirtschaftsrecht. Internationale Vertragsbedingungen, wie die FIDIC-Bedingungen, stellen mithin kein transnationales oder gar überstaatliches Recht dar. Es fehlt auch einem entsprechenden Handelsbrauch oder einer gewohnheitsrechtlichen Verfestigung. Hieraus folgt, dass das FIDIC-Recht keinen eigenen Anwendungsbefehl in sich bergen. Sie kommen nur zur Anwendung, wenn sich die betroffenen Parteien auf die Anwendung der FIDIC-Bedingungen einigen. Vor dem Hintergrund, dass die FIDIC-Bedingungen 1999  in Klausel 20.6 und die FIDIC-Bedingungen 2017 in Klausel 21.6 eine Schiedsgerichtsklausel enthalten, könnte man zwar erwägen, die Parteiautonomie könne das nationale Recht vollständig verdrängen. Art. 21 (2 und 3) der ICC-Schiedsgerichtsordnung ließe dies grundsätzlich zu.

Der systematische Zusammenhang zwischen den Regelungen zur Schiedsgerichtsklausel in Art. 20.6 FIDIC 1999 [FIDIC 2017 Klausel 21.6] und in Klausel 1.4. FIDIC 1999 [Recht und Sprache] macht jedoch deutlich, dass die Schiedsgerichtsklausel keine automatische Rechtswahlklausel beinhaltet. Gemäß Klausel 20.6. S.2 (c) FIDIC 1999 soll das Schiedsverfahren in der in Unterpunkt 1.4 [Recht und Sprache] FIDIC als Kommunikationssprache definierten Sprache durchgeführt werden. Unterpunkt 1.4. bestimmt nun aber u.A., daß der Vertrag dem Recht des Staates unterliegt, das im Anhang zum Angebot genannt ist. Wenn Art. 20.6 FIDIC auch eine Rechtswahlvereinbarung enthalten sollte, die nationales Recht von sich aus verdrängen würde, bedürfte es der Verweisung in Art. 1.4. FIDIC gar nicht. Der Zusammenhang von Klausel 1.4. der FIDIC-Bedingungen und der Musteranhang zum Angebotsschreiben (Appendix to Tender) nahc FIDIC 1999 oder die Contract Data nach FIDIC 2017 verdeutlicht, dass dies noch nicht einmal die Urheber der Bedingungen von einer Rechtswahlklausel ausgingen. Gegen die Ansicht, die in der FIDIC eine lex mercatoria sehen will, spricht ferner der Vergleich zum CISG. Während die Geltung der FIDIC ausdrücklich vereinbart werden muß, da es sich um einen Mustervertrag handelt, beansprucht das CISG im Rahmen ihres Anwendungsbereiches von sich aus Geltung.

Diese Umstände lassen jede Diskussion darüber, die FIDIC-Bedingungen als eine eigene Rechtsordnung zu verstehen, die ohne Kollisionsrecht auskomme, als wenig sinnvoll erscheinen. Es ist also prinzipiell die kollisionsrechtliche Frage zu stellen (vgl. auch Klausel 19.7 FIDIC 1999 zur ”Force Majeure”). Maßgeblich ist jeweils das Kollisionsrecht der lex fori, also das IPR am Sitz des Gerichts. In Deutschland wären dies die Vorschriften der Art. 3 ff. EGBGB. Mangels Rechtswahl (Art. 27 EGBGB a.F., Art. 3 Rom I1)) kommt das Recht zur Anwendung, das am Sitz derjenigen Partei gilt, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt (Art. 28 EGBGB a.F., Art. 4 Rom I). Dies ist regelmäßig das Recht des Unternehmers, des Architekten oder des Ingenieurs. Ob diese in Deutschland herrschende Regel allerdings sachgerecht ist, muß für den Bau- und Anlagenvertrag allerdings bezweifelt werden. Vorzugswürdig ist die Anknüpfung an das Baustellenrecht.

Klausel 20.6 der FIDIC-Bedingungen 1999 [FIDIC 2017 Klausel 21.6] verdrängt jedoch die nationalen ordentlichen Gerichte zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit der Internationale Handelskammer in Paris. Es fehlt also an einer eindeutig bestimmbaren lex fori (vgl. aber § 1051 ZPO). Wird die Schiedsgerichtsbarkeit nach den ICC-Klauseln ausgeübt, verweist Art. 17 Ziffer 1 Satz 1 auf die Parteiautonomie. Die Schiedsrichter haben also das von den Parteien gewählte Recht anzuwenden. Fehlt eine Rechtswahlklausel, wenden die Schiedsrichter das Recht an, das sie für angemessen erachten (Art. 17 Ziffer 1 Satz 2). Voraussagen für den Einzelfall lassen sich daher kaum zuverlässig machen. Erfahrungsgemäss lassen sich jedoch die Schiedsrichter von zwei Aspekten leiten. Einerseits werden sie ggf. von weithin anerkannten Regeln ausgehen, wie z.B. dem Prinzip der engsten Verbindung (vgl. § 1051 II ZPO; Art. 28 I 1 EGBGB). Andererseits lassen sich die Schiedsrichter oftmals von ihrer jeweiligen Heimatrechtsordnung leiten (Heimwärtsstreben), obwohl der Ort des Schiedsgerichtsverfahrens nicht zwangsläufig mit dem Heimatort der Schiedsrichter übereinstimmen muss. Interessante Einblicke in die Tätigkeit der Schiedsgerichte gewährt ein Beitrag von Kaufmann-Kohler (Arbitration International 2005, 631 ff.). Sie führt z.B. aus, dass Schiedsrichter häufig nicht geneigt sind, das anwendbare Recht zu ermitteln.

Zweifel in Bezug das Zustandekommen der Schiedsklausel und der Rechtswahlklausel werden üblicherweise nach dem vermeintlichen Vertragsstatut entschieden (vgl. Art. 31 I EGBGB a.F.).

Den Einstieg in das Kollisionsrecht erleichtert die Verordnung Rom I (früher das Römische Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (BGBl 1986 II, 810) in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 29. November 1996 (BGBl 1999 II, 7).

Internationales Einheitsrecht besteht in Form des Wiener UN-Übereinkomen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (BGBl 1989 II, 588). In seinem sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich sind Kollisionsnormen weitgehend entbehrlich. Allerdings erfasst das Übereinkommen (CISG) hauptsächlich Kaufverträge. Besteht die vereinbarte Leistung in Dienstleistungen (Planung, Projektierung, Bauleitung etc.) ist das CISG unanwendbar. Steht jedoch im Vordergrund, Baumaterial oder ein gesamtes Bauwerk zu liefern und überwiegt der Wert der Bauleistung den Warenwert nicht, dann kommt das CSIG zur Anwendung. Als Beispiele werden angeführt: die Lieferung von Wohncontainern und Mobilheimen mit Montageverpflichtung. Nicht unter das CISG fallen dagegen in aller Regel Anlagenlieferverträge. Eine Besonderheit des Abkommens besteht darin, dass es auch kraft kollisionsrechtlicher Verweisung zur Anwendung kommen kann (Art. 1 I lit. b) CSIG). Wird die Lieferung in einen Staat vereinbart, der nicht Vertragsstaat ist, so findet das CSIG als innerdeutsches Recht automatisch Anwendung, wenn das deutsche Kollisionsrecht auf deutsches Recht verweist, es sei denn die Anwendung des CSIG wird ausdrücklich ausgeschlossen. Deutschland hat den Vorbehalt nach Art. 95 CSIG nicht erklärt.

III. Vertragsauslegung

Das anzuwendende nationale Recht hat ausschlaggebenden Einfluss auf die Vertragsauslegung. Zudem füllt es in der Regel nicht nur Lücken aus sondern es stellt auch Vorschriften für die Inhaltskontrolle zur Verfügung (vgl. §§ 305 ff. BGB). Es kann mithin zwischen dem Vertrag selbst und dem anzuwendenden nationalen Recht zu Konflikten kommen. Im übrigen können sachenrechtliche und öffentlich-rechtliche Vorschriften das Vertragsverhältnis überlagern. Das Internationale Sachenrecht verweist in aller Regel auf das Lagerecht (lex rei sitae). Es entscheidet z.B. über ipso iure entstehende Sicherheiten am Baugrundstück sowie über das Eigentum an Baumaterialien. Fragen der Baustellensicherheit und der Bausicherheit sind öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Der Vertrag kann insoweit z.B. Zuständigkeiten regeln, nicht jedoch das Maß an Sicherheitsvorkehrungen.

Nicht zu vernachlässigen sind aber auch die vertragsautomomen Auslegungs- und Verständnisregelungen, wie Definitionen in Klausel 1 oder Auslegungshilfen in Unterklausel 1.2 FIDIC 1999/2017.

Aus deutscher Sicht liegen die Konfliktpotentiale hauptsächlich darin, dass die FIDIC-Bedingungen in ihrer Terminologie und ihren Grundansätzen dem anglo-amerikanischen Recht sehr verwandt sind. Hieran erinnern z.B. äußerlich die Begriffsdefinitionen zu Beginn der Bedingungen oder Begriffe wie “time extension” oder “defects notification period”, die beide eigene systematische Grundlagen haben (vgl. Hök ZfBR 2005, 332 ff.). Es ist wichtig zunächst den Sinn des englischen Originalwortlauts zu erschließen, bevor ein Begriff eine  nationale Rechtsordnung eingebettet und damit ausgelegt wird. Vorschnelle Schlussfolgerungen führen häufig in die Irre, z.B. die Anwendung von Regelungen zur Vertragsstrafe auf die Delay Damages Klausel 8.7 FIDIC 1999.

Inhaltlich ist die an die englische Tradition anknüpfende herausragende Stellung des beratenden Ingenieurs (des “Engineer”) zu erwähnen, die auch in der Neuauflage der FIDIC-Bedingungen nur wenig  geändert wurde. Es wurde im Grunde genommen lediglich die erstinstanzliche Streitentscheidungszuständigkeit auf das Dispute Adjudication Board verlagert, was sich unschwer aus einem Vergleich zwischen dem FIDIC Red Book 1987 und dem Red Book 1999 sowie auch dem Red Book 2017 ergibt. Trotz aller Konfliktpotentiale ist bei der Inhaltskontrolle Zurückhaltung angebracht. Der internationale Ansatz der Bedingungen und der Umstand, dass in der Regel beide Seiten Kaufleute sind oder jedenfalls über geschäftliche Erfahrung verfügen, sollte dazu führen, dass § 305 c BGB nur sehr behutsam angewendet wird. Die aus deutscher Sicht sehr betonte Stellung des ”Engineer” ist kein Grund zum Misstrauen. Ohnehin sind die Entscheidungen des ”Engineer” überprüfbar (vgl. Klausel 20.4 FIDIC Red Book). Die betonte Stellung des ”Engineer” erfordert schlichtweg ein gewisses Maß an Umdenken und Einfühlungsvermögen. Ob die Neuregelungen zum ”Engineer” gelungen sind oder nicht, kann daher in der Praxis zunächst einmal dahingestellt bleiben. Sprachliche Risiken sind ohnehin gesondert zu behandeln. Ausdrückliche Vereinbarungen zur Vertragssprache sind entbehrlich, es sei denn der Vertrag ist in verschiedenen Sprachen abgefasst.

IV. FIDIC-Bedingungen

Die FIDIC-Bedingungen sind stark gegliedert. Einleitend werden zahlreiche Begriffe definiert. Sie werden im Vertrag durchgängig genutzt und sind jeweils dadurch gekennzeichnet, dass sie im englischen Original mit einem Großbuchstaben beginnen (z.B. “Contract” statt “contract”). Sodann finden sich Regelungen zu den Vertragsparteien, zum Beratenden Ingenieur, der Auftragsvergabe, den Pflichten der Vertragsparteien, dem Vertragspreis, der Vertragsanpassung und Leistungsänderung, der Risikoverteilung und zur Streitbeilegung. Seit 1999 haben FIDIC Verträge ein einheitliches Erscheinungsbild und gleichlautende Regelungen soweit der jeweilige Vertragstyp keine Abweichung erfordert. Während 1999 die Entwicklungsarbeit auf der Grundlage des FIDIC Red Book gelesitet wurde, beruht die 2. Auflage des FIDIC Rainbow (2017) auf der Arbeit am Yellow Book.

Die FIDIC-Bedingungen für Bauleistungen (z.B. Red Book 1999 oder 2017) sind auf Großbauvorhaben zugeschnitten, bei denen Planungs- und Projektierungsleistungen seitens des Auftraggebers bzw. der von ihm beauftragten Ingenieure erbracht werden. Der Auftragnehmer schuldet im wesentlichen die Ausführung der vertraglich vorgegebenen Arbeitsleistungen, im Ergebnis aber das Werk (klassischer Bauvertrag). Für sog. Design & Build Verträge stehen das FIDIC Yellow Book und das FIDIC Silver Book (jeweils in den Fassungen 1999 und 2017) zur Verfügung, aber auch das Gold Book (2008) und das Emerald Book (2019).

Charakterisierend für FIDIC Verträge ist, dass im Zentrum der Aufgabenbewältigung ein externer Ingenieur steht (vgl. Klausel 3 FIDIC Red Book/Yellow Book 1999/2017). Der Stellung des Ingenieurs und seinen Aufgaben widmen daher die FIDIC-Bedingungen breiten Raum, wobei anzumerken ist, daß der Umstand, daß die FIDIC-Bedingungen nur den Ingenieur erwähnen, wohl eher auf den Umstand zurückzuführen ist, daß die Architekten keine Internationale Vereinigung mit dem Range der FIDIC geschaffen haben als auf den Umstand, daß der Architekt entbehrlich wäre.

Der ”Engineer” ist u.a. zuständig für:

die Prüfung des Bauablaufplans
die Überwachung des Baufortschritts
die Bewertung und Feststellung von Zahlungsansprüchen
die Gewährung von Bauzeitverlängerung
die Feststellung von Mängeln
die Zustimmung für die Beauftragung von Subunternehmern
die Bewältigung von Schwierigkeiten und Fragen der wirtschaftlichen Härte
die Kontrolle und Abnahme von Leistungstests

Der Ingenieur darf dagegen nicht

  • den Vertrag abändern
  • den Auftragnehmer aus vertraglichen Pflichten entlassen
  • unfaire Entscheidungen treffen

Die spezielle Aufgabenstellung des ”Engineers” hat insbesondere auf das Zeit- und Qualitätsmanagement in Bezug auf das Vorhaben Auswirkungen. Der Auftragnehmer schuldet ein vertragsgemässes Werk (Klauseln 4, 7), das zudem geeignet sein muss, den vertraglich vereinbarten Zwecken zu dienen (Klausel 10). Bis zur Übernahme (Taking-Over) hat der Auftragnehmer das Werk ”in accordance with the contract” fertigzustellen. Auf Erläuterungen dazu, welcher konkrete Sorgfalts- und Qualitätsmaßstab damit gemeint ist, verzichten die FIDIC-Bedingungen, sie verweisen auf Begriffe wie “workmanlike” und “careful” (siehe Klausel 7). Auch nach der Übernahme wird Mängelbeseitigung geschuldet (Klausel 11), ohne damit in eine etwaig bestehende gesetzliche oder vergleichbare außervertragliche Regelung einzugreifen oder diese zu ersetzen. In beiden Fällen ist vor allem die Sorgfalt des ”Engineer” gefragt. Ihm obliegt die Feststellung, ob das Werk vertragsgemäß ist oder mit Mängel behaftet. Indirekt kommt es damit für die Qualitätssicherung vor allem darauf an, wie der Vertrag zwischen ”Engineer” und Auftraggeber ausgestaltet wird. FIDIC empfiehlt insoweit das sog. White Book, aktuell in der 5. Auflage 2017. Auf diesen Vertrag findet mangels Rechtswahl deutsches Recht Anwendung, wenn der Architekt/Engineer in Deutschland ansässig ist (Art. 28 Abs. 2 EGBGB a.F. = Art. 4 Abs. 1 Rom I). Nach deutschem Recht begründet der Ingenieurvertrag die Haftung für die ordnungsgemässe Erfüllung der Aufgaben (§§ 675, 611 BGB), also keine reine Erfolgshaftung. Kommt der Ingenieur aus anderen Ländern, muss ggf. sehr genau untersucht werden, wie der Haftungsmaßstab in der Heimatrechtsordnung des Ingenieurs aussieht.

V. Subunternehmer

Die FIDIC-Bedingungen lassen die Vergabe von Subaufträgen zu. Untersagt ist lediglich die vollständige Weitergabe des Auftrages an eines oder mehrere Unternehmen (Klausel 4.4.). Das Problem der Vergabe von Subaufträgen liegt darin, dass verschiedene Staaten sehr dezidierte und nicht disponible Regelungen erlassen haben, die dem Schutz der Subunternehmer dienen.

Beispiele:

Das französische Recht hat den Schutz des Subunternehmers eigens gesetzlich geregelt. Die action directe (Direktklage) des französischen Subunternehmers gegen den Bauherrn unterliegt aus französischer Sicht dem Recht, das den Subunternehmervertrag beherrscht. Französische Gerichte zählen die Reglungen zur Subunternehmerdurchgriffshaftung zudem zum französischen “ordre public”, jedenfalls solange das Bauvorhaben auf französischem Boden abgewickelt wird. Mit der Vergabe von Subaufträgen kann mithin das gesamte Vertragsgefüge beeinflusst werden. Im Einzelfall sollte sehr sorgsam geprüft werden, welche Schutzmechanismen die gewählte Rechtsordnung und ggf. auch das Heimatrecht des Subunternehmers enthalten. Auch in den vereinigten Staaten existieren Regelungen zum Schutz der Subunternehmer in Form des ”lien” und des Millers Act 1938.

Das serbische und kroatische Obligationen- und Vertragsrecht enthält eine ähnliche Regelung in Art. 612.

Häufig wird versucht, Subunternehmer “back-to-back” zu binden. Die Bindung des Subunternehmers an den Hauptvertrag ist jedoch problematisch und häufig lässt sich eine Weitergabe von Verpflichtungen nicht 1:1 erreichen. Sog. pay-if-paid Klauseln sind in England z.B. verboten. Zeitverlängerungsansprüche werden unter dem FIDIC Vertragsmuster grundsätzlich nur gewährt, wenn die betroffene Aktivität auf dem kritischen Weg (zur Fertigstellung) liegt. Dass dieselbe Aktivität im Subunternehmervertrag ebenfalls auf dem kritischen Weg liegt, ist nicht selbstverständlich. Seit 2011 liegt der FIDIC Subcontract for Works vor, der back-to-back mit dem FIDIC Red Book verwendet werden kann. Im Jahr 2019 kam der Design & Build Subcontract hinzu. Beide Subunternehmerverträge sind vorerst nur für die 1999iger Auflage der FIDIC Verträge gedacht.

VI. Streitschlichtung und -beilegung 

Die FIDIC-Bedingungen 1999 sehen in Klausel 20 ein komplexes und abschließendes System der Streitschlichtung und Streitbeilegung vor. Ähnliches regelt Klausel 21 FIDIC 2017. Die 2. Auflage des Regenbogens integriert das Dispute Adjudication Verfahren stärker in den Vertrag und regelt es erheblich detaillierter als zuvor.

1. Engineer

Bevor überhaupt Streit entstehen kann, hat in der Regel der Engineer über Rechte und Ansprüche aus dem Vertrag zu befinden (siehe Unterklausel 3.5 FIDIC 1999 oder Unterklausel 3.7 FIDIC 2017). Er kann u.a. Bescheinigungen erteilen, Festlegungen  zu Ansprüchen treffen und Bewertungen vornehmen. Diese Maßnahmen sind vorläufig bindend und von den Parteien zu beachten. Sämtliche sog. Claims gehen über seinen Tisch. Er hat die Parteien anzuhören und eine sachgerechte und faire Entscheidung herbeizuführen, und dies erst dann, wenn Einigungsversuche gescheitert sind.

2. DAB/DAAB

Tritt Streit auf, muss zunächst das Dispute Adjudication Board (DAB) angerufen werden. Die 2. Auflage des FIDIC Regenbogens benennt das DAB in DAAB um (Dispute Avoidance and Adjudication Boaard). Es trifft vorläufig bindende Entscheidungen, die allerdings endgültig bindend werden, wenn beide Parteien es versäumen, binnen 28 Tagen nach Zustellung der Spruches eine Notice of Dissatisfaction (Unzufriedenheitserklärung) zu geben. Unterklausel 20.4 behält den Parteien vor, ggf. ihre Unzufriedenheit über die Schlichtung und ihre Ergebnisse zu äussern und letztlich ein ICC Schiedsgericht anzurufen (Unterklausel 20.6). Das DAB Verfahren ist als summarisches Verfahren ausgestaltet, in dem die Aufklärung des Sachverhalts und eine zeitnahe Entscheidung durch erfahrene Streitentscheider im Vordergrund stehen. Baubegleitende (ständige) DABs können zudem streitvermeidende Aktivitäten entfalten. Das FIDIC Regelwerk enthält knappe Verfahrensregeln.

Das Verfahren ist einfach gehalten. Dem bestellten DAB kann jederzeit ein Streitentscheidungsantrag übermittelt werden. Das DAB hat binnen 84 Tagen eine Entscheidung zu fällen, Ob es eine mündliche Anhörung abhält, liegt in seinem Ermessen. Die Entscheidung ist schriftlich abzufassen und zu begründen. Verfahrensvoraussetzungen sind (1) “Gerichtsbarkeit”, d.h. es muss eine Streitigkeit vorliegen, und (2) Zuständigkeit, d.h. nur Streitigkeiten aus dem Vertrag oder in Verbindung mit dem Vertrag können gehört werden. Das DAB  hat Amtsermittlungsbefugnisse und macht üblicherweise davon Gebrauch. Entscheidungsgrundlage ist vor allem der Vertrag. Rechtliche Erwägungen sind nur im Notfall zu erwarten.

3. Schiedsverfahren

Die FIDIC-Bedingungen verweisen hinsichtlich der Schiedsoption in Unterklausel 20.6 FIDIC 1999 / 21.6 FIDIC 2017 auf die Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer (jetzt in der Fassung 2012) in Paris. Was bedeutet dies?

Der internationale Schiedsgerichtshof der ICC wurde 1923 gegründet. Er versteht sich als die Institution, die weltweit Konflikte wirtschaftlicher Natur regelt. Das Schiedsgericht behandelt nach eigenen Aussagen Meinungsverschiedenheiten von Unternehmen verschiedener Staaten schnell, unparteiisch, absolut vertraulich und juristisch einwandfrei. 1999 wurden der ICC mehr als 500 neue Schiedsgerichtsbegehren unterbreitet. Im Laufe des Jahres bearbeitete das ICC Schiedsgericht rund 950 Fälle. Es kann hier nicht Aufgabe sein, diese Selbstdarstellung zu kommentieren, doch dürfte zutreffend sein, daß die ICC eine wichtige Aufgabe wahrnimmt und an sich selbst hohe Anforderungen stellt. Die ICC-Sprüche sind nur schwer zugänglich. Sie werden hauptsächlich in dem seit 1990 erhältlichen ”ICC International Court of Arbitration Bulletin” veröffentlicht, der im Jahr drei Mal erscheint.

Das förmliche Schiedsgerichtsverfahren beginnt im Gegensatz zu dem Schlichtungsverfahren damit, daß der Schiedskläger einen Antrag auf Eröffnung des Schiedsverfahrens an das Sekretariat des ICC stellt. Diese Antragsschrift (Klage) gemäss Art. 4 VerfO muß im wesentlichen den Anforderungen der Klageschrift i.S.v. § 253 ZPO genügen. Zusätzlich sind allerdings einzureichen: die Schiedsvereinbarung, Ausführungen zum Schiedsort, dem anzuwendenden materiellen Recht, der Verfahrenssprache und den ggf. sogar von den Parteien zu benennenden Schiedsrichtern (Art. 4 III VerfO). Nach Eingang der Klage teilt das Sekretariat des ICC den Parteien den Eingang der Klage mit. Nachdem der Kläger einen Vorschuß auf die Verwaltungskosten geleistet hat, stellt es dem Beklagten die Klage zu (Art. 4 V VerfO).

Das Schiedsgericht stellt den Sachverhalt mit “allen angemessenen Mitteln”, Zeugen Sachverständigen, usw. fest. Eine Unterteilung in Streng- und Freibeweis, bzw. ggf. eine Beschränkung der Beweismittel, wie sie die ZPO stellenweise vorsieht, gibt es im ICC Verfahren nicht. Die Beweisaufnahme folgt im wesentlichen anglo-amerikanischen Vorstellungen, so daß es eine Gegenüberstellung von Zeugen und ein Kreuzverhör gibt. Der Gang der mündlichen Verhandlung entspricht weitgehend den deutschen Gepflogenheiten. Es ist rechtzeitig zu laden, im Falle unentschuldigter Säumnis kann in Abwesenheit verhandelt werden, es herrscht Parteiöffentlichkeit (Art. 26 VerfO). In der Regel wird allerdings ein Wortprotokoll geführt. Etwaige Verfahrensfehler sind unverzüglich zu rügen, ansonsten tritt wie nach § 291 ZPO Rügeverlust ein.

Nach Aufklärung des Sachverhalts schließt das Schiedsgericht das Verfahren und gibt bekannt, wann es einen Schiedsspruch erlassen wird, danach ist weiteres Vorbringen nur noch mit der ausdrücklichen Zustimmung des Schiedsgerichtes zulässig (Art. 27 VerfO). Die maximale Frist für den Erlaß des Schiedsspruches beträgt sechs Monate ab Unterzeichnung des Schiedsauftrags -Terms of Reference (Art. 23 VerfO). Bevor der Schiedsspruch den Parteien zugestellt wird, muß der Schiedsrichter ihn dem Gerichtshof vorlegen, der Änderungen an der Form vorschlagen, inhaltlich Hinweise geben kann und ihn schließlich genehmigen muß (Art. 33 VerfO).

VII. Arbeitshilfen

Zweifel bei der Auslegung der FIDIC-Bedingungen sind nur schwer zu beseitigen. Es fehlt an einer deutschsprachig dokumentierten Spruchpraxis zu den Konditionen. Leider liegen auch nur sehr wenige ICC-Entscheidungen zum FIDIC-Vertragswerk vor. Zugänglich ist aber unter anderem die englische, australische und südafrikanische Rechtsprechung. In der letzten Zeit haben insbesondere englische, australische, schweizerische und die Gerichte in Singapur FIDIC relevante Entscheidungen gefällt, die veröffentlicht wurden. Die deutschsprachige Literatur zu den FIDIC-Bedingungen ist nicht sehr umfangreich und nur sporadisch werden Streitfragen öffentlich diskutiert. Dies ist einer der gravierenden Nachteile der FIDIC-Bedingungen, die bislang im Verborgenen praktiziert werden.

Diese Unsicherheit wird auch nicht vollständig dadurch beseitigt, dass FIDIC einen Leitfaden herausgegeben hat: The FIDIC Contracts Guide. Der Leitfaden erschöpft sich weitestgehend in einer Gegenüberstellung der drei zur Verfügung stehenden Vertragsmuster Red Book, Yellow Book, Silver Book) mit gelegentlich kurzen Erläuterungen zu speziellen Fragen. Der ”Guidance for the Preparation of Particular Conditions”, der sich in dem neuen Red Book findet, enthält viele praktische Hinweise zur Vertragsgestaltung im Einzelfall, ohne allerdings Hilfen für die Auslegung einzelner Bestimmungen zu enthalten. Das von der FIDIC herausgegebene Dokument ”Tendering Procedure”, mit dessen Hilfe einfache Ausschreibungen vorgenommen werden können, ist schon etwas älteren Datums. Ohnehin nehmen die finanzierenden Institute, wie z.B. die Weltbank und die KFW, erheblichen Einfluß auf die Ausschreibung von Baumaßnahmen und die Gestaltung der Verträge.

VIII. Praktische Hinweise für den Vertragsentwurf

FIDIC empfiehlt die Standardbedingungen, wenn Leistungen international ausgeschrieben werden. Sie weist im Vorwort zum Red Book 1999 darauf hin, daß ausschließlich die englischsprachigen Bedingungen authentisch sind und fügt hinzu, daß manche Rechtsordnungen Modifikationen der Bedingungen erforderlich machen können. In einigen Fällen kann spezieller Modifikationsbedarf bestehen. Insoweit ist auf den FIDIC-Contracts Guide zu verweisen.

Die Bau-Standardbedingungen (Red Book 1999/2017) sind für Arbeiten vorgesehen, die nach Plänen des Bestellers hergestellt werden. Soll der Unternehmer die Planung ausführen sind vorzugsweise die EPC/Turnkey Bedingungen (Silver Book)  und die Design & Build Bedingungen (Yellow Book) heranzuziehen (jeweils in der Fassung 1999 und 2017).

Das Red Book (wie auch die anderen FIDIC Bücher 1999 und 2017) enthält einen “Guidance” für die Vorbereitung Besonderer Bedingungen (Guidance for the Preparation of Particular Conditions).

Veränderungen an den Allgemeinen Bedingungen des Red Book 1999 sind vor allem in Bezug auf folgende Klauseln mehr oder weniger erforderlich oder üblich:

1.8. Requirements of Contractor´s Documents
1.13 Permissions being obtained by the employer
2.1 Phased possession of foundations, structures, plant or means of access
4.1 Contractor´s designs
4.6 Other Contractors
4.7 Setting-out points, lines and levels of reference
4.14 Third parties
4.18 Environmental constraints
4.19 Electricity, water, gas and other services available on the Site
4.20 Employer´s Equipment and free-issue material
5.1 Nominated Contractors
6.6 Facilities for Personal
7.2 Samples
7.4 Testing during manufacture and/or construction
9.1 Tests on completion
13.5 Provisional Sums

Veränderungen an den Allgemeinen Bedingungen des Red Book 2017 sind vor allem in Bezug auf folgende Klauseln mehr oder weniger erforderlich oder üblich:

1.8. Requirements of Contractor´s Documents
1.13 Permissions being obtained by the employer
2.1 Phased possession of foundations, structures, plant or means of access
2.6 Employer-Supplied Materials and Employer´s Equipment (formlely Sub-Clause 4.20)
4.1 Contractor´s designs
4.6 Other Contractors
4.7 Setting-out points, lines and levels of reference
4.14 Third parties
4.18 Environmental constraints
4.19 Temporary Utilities (refrence to electricity, water, gas and other services available on the Site)
5.1 Nominated Contractors
6.6 Facilities for Personal
7.2 Samples
7.4 Testing during manufacture and/or construction
9.1 Tests on completion
13.4 Provisional Sums

Die beteiligten Vertragsparteien müssen vor allem Entscheidungen bezüglich folgender Aspekte treffen und sich insoweit einigen:

  • Vertragssprache (Appendix to Tender)/Contract Data
  • Anwendbares Recht (Appendix to Tender/Contract Data)
  • Vertragsstrafe, besser Verzögerungsschadensersatz (Klausel 8.7 FIDIC 1999, Appendix to Tender / Klausel 8.8 FIDIC 2017, Contract Data))
  • Schiedsgericht (Einfachschiedsrichter, Kollegialschiedsgericht)
  • Mängelanzeigefrist (Klausel 1.1.3.7 FIDIC 1999, Appendix to Tender / Klausel 1.1.27 FIDIC 2017 Contract Data)
  • Bauzeit (Klausel 1.1.3.3 FIDIC 1999, Appendix to Tender / Klausel 1.1.84 FIDIC 2017, Contract Data)
  • Sicherheitsleistung (Klausel 4.2, Appendix to Tender / Contract Data)
  • Vorauszahlung (Advance Payment)
  • Retention Monies
  • DAB (Besetzung und Anzahl der Mitglieder des DAB) / DAAB (dto)
  • Daywork Schedule
  • Adjustment Data

Die FIDIC-Bedingungen enthalten Vorgaben und Muster für die Vereinbarung von Bürgschaften und Garantien zur Absicherung der vertraglichen Verpflichtungen. Insoweit ist größte Sorgfalt geboten, denn die angebotenen Muster stellen lediglich Optionen dar, die nicht für alle Fälle passen. Außerdem ist in den Vertragsverhandlungen darauf zu achten, daß die Vertragsmuster sorgfältig abgearbeitet werden, damit die Optionen greifen. Verschiedene Vertragsklauseln der FIDIC-Bedingungen erklären sich für unanwendbar, wenn sie keine inhaltliche Konkretisierung in den besonderen Vertragsbedingungen bzw. dem Vertragstext und den Angebotsunterlagen erfahren.

Die Abänderung und Ergänzung des FIDIC-Regelwerks setzt gewisse Grundkenntnisse voraus. Hier einige Hinweise:

  • Die Änderung von definierten Begriffen wirkt sich im gesamten Vertragswerk aus und muss daher durchgängig auf ihre Folgen geprüft werden. Definierte Begriffe sind in den Anlagen zum Vertragswerk durchgängig zu verwenden, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden.
    • Zwar stellt Klausel 1 FIDIC 1999 klar, dass die Definitionen nur in den General und Particular Conditions gelten, doch ändert dies nichts an den Problemen unklarer Verweisungen.
    • FIDIC 2017 hat die Einschränkung ohnehin aufgegeben.
  • Innerhalb der Klauseln finden sich zahlreiche Verweisungen. Das Entfallen einer Verweisung durch unachtsame Abänderung einzelner Klauseln kann fatale Folgen haben:
    • Fehlt z.B. in einer neuen Klausel, die Ansprüche des Unternehmers begründet, der Hinweis auf Klausel 3.5 FIDUIC 1999, kann der Anspruch nicht von dem Engineer festgestellt werden. Nur festgestellte Ansprüche können aber letztlich auch bescheinigt werden. Ohne Zahlungsbescheinigung besteht aber kein Anspruch auf Zahlung.
    • Fehlt im “Appendix to Tender” eine Ernennungsstelle für Dispute Adjudicator kommt recht schnell Unterklausel 20.8 zum Tragen und die DAB-Klausel geht ins Leere.
  • Das Arbeiten mit undefinierten Begriffen kann Auslegungsschwierigkeiten nach sich ziehen, vor allem, wenn der Vertrag im common-law-Rechtsraum eingesetzt wird. Englische Rechtsbegriffe sind wiederum häufig erläuterungsbedürftig.
  • Will der Besteller sich unter Umständen selbst als Engineer einsetzten, weil ihm der “unabhängige Dritte” zu “unabhängige Entscheidungen” fällt, dann muss dies im Vertrag ausdrücklich geregelt sein. Anderenfalls  führt die Selbsternennung unter Umständen zu einer Vertragsverletzung (Scheldebouw BV v. St. James Homes (Grosvenor Dock) Ltd [2006] EWHC 89 (TCC) (16.01.2006)).

IX. Hinweise

Informationen zur FIDIC finden Sie auf den Seiten: http://www.fidic.org
und unter anderem im FIDIC Red Book 1999, 1. deutsche Auflage:

FIDIC RED-BookVBI-Schriftenreihe “FIDIC-Vertragsmuster (Red Book) mit Erläuterungen in deutscher Sprache”, inzwischen in der 2. Auflage, 2006, Broschur. Die “Federation Internationale des Ingenieurs-Conseils (FIDIC)” ist die internationale Dachorganisation der Beratenden Ingenieure, der auch der VBI angehört. Das so genannte FIDIC Red Book enthält die deutsche Fassung des Originaltextes von 1999 und eine umfassende Kommentierung von Autor Dr. Götz-Sebastian Hök. Der Autor berichtet regelmäßig über die Entwicklung im Bereich FIDIC in der IBR und der ZfBR. Er ist voll akkreditierter FIDIC Trainer und als Schiedsrichter sowie Dispute Adjudicator aktiv. 2009 wurde er als geprüfter Adjudicator auf die FIDIC President´s List aufgenommen. Von 2011 bis 2016 war Herr Dr. Hök Chairman der FIDIC Prüfungskommission für die Akkreditierung von FIDIC Trainern.

Herr Dr. Hök war Friendly Reviewer der FIDIC Rainbow Edition (2017) und ist Mitglied der Task Group für das Bronze Book (Operate-Design-Build).

 

Herr Dr. Hök hat Auslandserfahrung in Afrika, Asien Europa und Amerika als FIDIC Trainer, Berater, Schiedsrichter und Dispute Adjudikator.

Anfragen können gerichtet werden an:

Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen
Ansprechpartner: Dr.Götz-Sebastian Hök
Otto-Suhr-Allee 115,
10585 Berlin
Tel.: 00 49 (0) 30 3000 760-0
Fax: 00 49 (0) 30 513 03 819
e-mail: ed.ke1714085106oh-rd1714085106@ielz1714085106nak1714085106

 


1) Die Europäische Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EG) Nr. 593/2008 (Rom I) gilt seit dem 17. Dezember 2009 unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks. Die Rom I-VO regelt, welches Recht auf grenzüberschreitende Verträge anzuwenden ist. Es ersetzt weitgehend das deutsche vertragliche Kollisionsrecht.